Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
~fcf), wie floht ihr so schnell am bewaldeten Strande der Ostsee,

Sonnige Tage der Ruh! Dein betäubenden Lärmen der Weltstadt
War ich entronnen und lebte dahin mit den trefflichen Freunden
Sorglos, holdem Genuß nachgehcnd, wie der Phäaken
Fröhliches Völklcin lebt auf ineernmbrandetcm Eiland, —

Früh schon lockte vom Lager niich oft das Nanschcn der Brandung,

Das vom nahen Gestade durchs offene Fenster Hereinklang.

Herrliche Lust, iin erfrischenden Wehen des sonnigen Morgens
Bald sich zu wiegen auf wogender Fluth, bald, näher dem Strande,

Fest in den Boden gcstenimt, mit den stürzenden Wellen zu ringen!

Trefflich mnudet alsdann auf weinnmlaubtcr Veranda

Dir mit den Freunden das Mahl. Tic geräucherte Spende der Salzfluth,

Aal und Flundern, verzehrst du mit Lust, und mit Nichten verschmähst du

Tüchtig zu proben den kräftigen Trank, den aus goldncm Getreide

Wackere Männer erzeugen, indeß unedle Naturen

Wenig erfreulichen Stoff aus der öden Kartoffel gewinnen. —

Schlug es dann Elf, so fand auf buchcnumschatteter Bahn sich
Pünktlich zusammen die eifrige Schar vortrefflicher Kegler.

Unablässig entrollten in fröhlichem Kampfe die Kugeln,

Diese mit kräftigem Schwünge zum winkenden Ziele geschleudert,

Andere langsam schleichend, entkräfteten Greisen vergleichbar.

Wirr durcheinander erscholl aufmuntcrnde Rede der Freunde,

Höhnischer Gegner Geschrei und der Zuruf wettender Männer.

Zögernd schiede» die eifrigsten erst, wenn die Glocke vom Kurhaus
Dreimal lange gerufen zum lecker bereiteten Mahle. —

War nach den, Mahl dann ein Stündchen verträumt in der Ecke des SophaS,
Lockte der Wald uns hinaus, der weit am Gestade sich hindchnt.

Oftmals trug das Gefährt uns hinaus, und cs scholl von den Stimmen
Lieblicher Damen der Wald und dem fröhlichen Jauchzen der Kinder.

Oft auch schritt ich alleine den Pfad, der zur Höhe den Wandrer
Leitet. Du trittst aus dem Wald, auf jäh abfallendem Vorsprung
Stehst du über dem Meer, kauni hörst du das Rauschen der Wogen,

Tie tief unten in schimmerndem Schaum am Strande verrinnen.

Lieblich ruht cs sich dort, und oft in der blühenden Haide
Lag ich und schaute hinaus in die blauende Weite der Salzfluth.

Ach, wie floht ihr so schnell am bewaldeten Strande der Ostsee,

Sonnige Tage der Ruh! Zur Hauptstadt führte die Pflicht mich
Endlich zurück. Tief war's in der Nacht, als die rumpelnde Droschke
Sacht mich führte vors HauS, bald sucht' ich ermüdet das Lager.

Liebliche Träume umschwebten mein Haupt zur Stunde des Morgens,

Freundlich trugen sie niich zu den rauschenden Wäldern der Ostsee —
Wehe, da scholl ein Getön aus der Tiefe des hallenden Hofes,

Welches im Nu von den Wimpern den Schlaf mir, den holden, verscheuchte.
Ach, ich kannte den Ton: die unentrinnbare Orgel
War es, gedreht von dem sainmelnden Mann in den Höfen der Hauptstadt
Gellend ertönte durchs Haus der unsterbliche Nanonwalzer,

Welcher das Boot mit dem Schiffer besteigt und das Roß mit dem «Reiter•
Ihm dann folgte der Bettelstudent, der wieder und wieder
Singt, daß bescheiden er nur auf die Schulter die Holde geküßt hat.
Murrend entstieg ich dem Bett, nicht mar an Schlaf mehr zu denke».

Als ich schlürfte den duftigen Trank der gerösteten Bohne,

Pocht' es mit schüchternem Ton. Ein Bittender war's, als College
Sprach er mich an, der mittellos ganz, obgleich er verschiedne
Dramen gedichtet, Romane sodann und unzählige Lieder.

Was er auch war, blaß war er und krank, und in ärmlicher Kleidung
Ging er einher, drum gab ich ihni gern nach meinem Vermögen.

Al-Z die Thür geschloffen er kauni, erschien schon ein zweiter
Bittender; röthlich erglänzte im bläulichen Antlitz die Rase,

Und ihn unischwcbte verräth'rischer Dunst. Auf sprang ich vom Seffcl,
Scheuchend mit drohender Rede hinweg den umduftele» Unhold.

Murrend entschwand er. Bald scholl von der Thür zum dritten ein Klopfe»
Kräftig ertönten die Schläge und kurz, mit amtlichem Nachdruck.

Und es erschien in der Thüre der würdige Steuerempfänger,

Der des Entfcrnlen schon lange geharrt; mit ruhiger Miene
Nahm er mir alles, was heimwärts ich noch von der Reise gerettet.
Unvermeidliches trägt ein Mann mit Würde. So gab ich
Willig dem Scckel der Stadt, was er heischt vom duldenden Bürger,

Gab auch die Wohnungssteuer dahin — da verlangte der Bote
Auch noch Kirchensteuer von mir, dem fröhlichen Weltkino!
ueuguen ivill ich es nicht, die Fordrung ließ einen Stachel
Mir in der Seele zurück. Als bcutebeladen der wackre
Bote gegangen, ergriff ich die Morgenblätter. Seit Wochen
Halt' ich vergessen die Welt am bewaldeten Ufer der Ostsee.

Schaudernd las von den Wahlen ich jetzo; der Leitartikel
Sprach von den Wahlen allein, die Lokalnachrichten von Wahle»,

In den Annoncen lud man zur Wahlversammlnng die Wähler —
Schaudernd sprang ich empor; dem Gefangenen gleich in der Zelle
Rast' ich im Zimmer umher, dann hob ich gen Norden die Arme
Sehnend und rief: O könnt' ich zurück aus den Schrecken der Weltstadt,
Könnt' ich zurück zum bcivaldeten Strande der rauschenden Ostsee!

Ein ll li s cf) i c i) s f c ff.

Von dem Kreis der Zunftgcnoffen,

Von der Freunde Kreis umschloffen,

Bei dem herben Abschiedstrnnke
Saß Majunke.

Und in Toasten voller Rühnmg
Sprach man von Majunkes Führung,

Blitzte hell der Sieben Funke
Auf Majunke.

Lebe wohl, du Mann der Treue,

Bis Freund Wiudthorst dich aufs Neue
Ruft aus niedrer Pfarr-Spelunkc!

Hoch Majunke!

Jungfrau'», weißgekleidet, tranken
Mit beim Festmahl. Thränen sanken
In die braune Bratentunke
Für Majunke.

Kladderadatsch.

Für die Nasen-AnssteNuug, welche zu Wien in nächster Zeit ver-
anstaltet wird, sind Anmeldungen auch aus fernen Städten eingctroffen.
Einer derselben war die Bitte bcigefügt, das Comitö wolle gefälligst auf der
Ausstellung eine besondere Abthcilung einrichten und dieselbe bemerkbar
machen durch die Ucberschrift: „Hochadelige Nasen aus Münster und West-

es erGjlßimmu» g.

Schon hat der herrlichste aller Sommer der Hauptstadt de» Rücke»
gekehrt, nachdem er die Reiscschuhe reichlich mit Sonimcrfäden geschnürt.

Die Schwalben haben den alljährlichen Luftwechsel angetretcn, nur der
Spatz beherrscht jetzt die Situation.

Die Seiltänzer kamen nach und nach dem Erdboden näher, und mir
noch selten sicht mau Abends einen über dem Horizonte dahin schwebe»..

Auch die Luftballons lasten nierklich »ach.

Von den Gewässern verschwinden die Böte der Sonntagssegler, und
seltener hört man jetzt von jungen Leuten, die, des Stenerns unkundig', I»h
plötzlich mitten auf einem Sec ohne Kahn befinden.

Die Manöver sind zu Ende, die letzten Flinte» find beim Putzen 'pf
gegangen, der Kirchhof für Selbstmörder im Gruncwald ist geschlossen, »«*
die Neugierigen, welche keine andere Aufregung kennen, als die ihnen ouni
Polizeibcricht gebotenen, sind auf das angewiesen, was die nun eröffnet«
Sonntagöjagd bringen wird.

Der Reichskanzler ist nach Friedrichsruh gezogen.

In den vornehmen Vierteln der Stadt werden bereits nach vorn heraus
die Fenster geputzt und auf den Höfe» die Teppiche geklopft.

Die Siughalcscn sind nach dem fernen Süden gewandert, während
sich die Australneger in das wärmere Panoptikum zurückzogcn.

Die Hitze in de» Theatern fängt schon an uncrttäglich zu werde».

Die Portiers, welche während der Abwesenheit der Herrschaften W
.jours fixes“ vor den Häusthürcn abhielten, sind bescheiden i» die Souterrains

zurückgekehrt, und vor der Thür stehen nur noch-

die Wahlen.
 
Annotationen