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Kladderadatsch: Humoristisch-satirisches Wochenblatt — 54.1901

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Hefte 35-39, September 1901
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135

Schul he. Sage mal blos, warum is der Prinz Tschun krank
jeworden?

Müller. Na, weil er 'n janz jesunder Junge is.

Sch ul he. Ach so. Wenn er sich man nich wirklich krank lacht!

Schulhe. Also die Herbstparade aufs Tempelhofer Feld is abbestcllr.
Müller. Na, blos um Tschun zu beruhigen.

Schulhe. Woso?

Müller. I, er hatte Angst, weil man ihm jcsagt hatte, er würde
wat besehen in Berlin, und nu fällt det weg.

Schulhe. Müller, wat is „Husarenjustiz"?

Müller. Det is, wenn einer allens niederhaut, wat ihm vor die
Klinge kommt.

Schulhe. Kommt denn der Ausdruck aus'm Krieje her?

Müller. Woher denn sonst?

Schulhe. Ick denke, er geht uf die Kriegsberichte.

Müller. Schulhe, nimm deine Zunge in Acht!

Richard Löwenherz.

König Richard kam zum Themsestrand
Zurück aus hartem Krieg,'

Das Schwert vom Blute dunkelroth,
Das Auge hell vom Sieg.

Am Thore stund der Magistrat,
Trompeter und Pagen blank,

Die Bürger und die Pfäfslein rund,
Dazu viel Jungfern schlank.

„Willkommen Richard Löwenherz,

Du Netter aus Gefahr!

Du Leu des Lands, du Wal der See,
Du königlicher Aar!"

„Nun sing und sag' uns, edler Held,
Von deinen Thaten itzt,

Schon sind im weiten Engelland
Die Ohren rings gespitzt!"

Da gab der König zornentflammt
Die Sporen seinem Gaul:

„Ich heiße Richard Löwenherz,
Nicht Richard Löwenmaul!"

Was hat Prinz Tschun in Basel zu thun? Sein etwas auf-
fallendes Verweilen dort wird vielfach zu seinen Ungunsten gedeutet.
Sollte es aber nicht denkbar sein, daß er in tiefem Schmerz über die
von seinen Landsleuten verübten Unthaten sich veranlaßt fühlte, vor
dem Betreten des deutschen Bodens noch zu Sühnezwecken einige
Trankopfer darzubringen? Wie sehr Trankopfer unterwegs aufhalten
können, davon weiß August Viermörder ein Lied zu singen.

Für „Automobil" ist neuerdings in den Blättern als deutsche Be-
nennung „Kraftwagen" in Ausnahme gekommen. „Kraftwagen" sagt
eigentlich nicht viel, bezeichnender wäre „Stinkdroschke" oder „Heul-
karosse" gewesen. _

Die Nachricht, das Miguel sich entschlossen habe, die Leitung
eines funkelnagelneuen Ueberbrettls zu übernehmen/ hat sich bis jetzt
nicht bestätigt. __

In den Berichten über die Katholikenversanimlung in Osnabrück
findet sich hinter allen Reden „stürmischer Beifall" verzeichnet. Die
Beisallstürme waren, wie wir hören, so stark, daß der Centrumsthurm
ins Wanken gcrieth und beinahe umgefallen wäre.

An 0k-. Steffan.

O Steffan, Mensch, bezahl den Quark!
Warum dem Glücke widerstreben?

Der Staat will für dreihundert Mark
Dir ja den Sanitätsrath geben.

Laß doch dein thörichtes Gered!

Zum bösen Spiel mach gute Mienen!

Es gilt ein simpler Dr. med.

Nicht viel im Land der Mandarinen.

Der Deutsche schätzt des Arztes Rath,
Rühmt er sich ein'ger guter Kuren;

Doch höher schätzt er die vom Staat
Verliehenen Titulaturen.

Ein Sanitätsrath oder gar
Geheimer Sanitätsrath — höre!

Sei, Steffan, doch kein Dromedar!

Gib dreißig Kronen für die Ehre!

Du willst nicht? Nein, das ist zu dumm!
Auf allen Märkten, allen Gassen
Kannst du dich als ein Unicum
Im preußschen Staate sehen lassen.

i

Durch Berliner Blätter ging die Nachricht, daß das Grab
Ädelberts von Chamijso, eines der liebenswürdigsten unserer
Dichter, seit lange schon vernachlässigt ist.

Wenn Frankreich ihn behalten hätte, wäre ihm das nicht begegnet.
Nur Deutschland ist so undankbar gegen seine Dichter.

i

Der heilige Vater bringt neuerdings auffallend viel Zeit mit
Studiren zu. Den dienstthuenden Jesuiten ist es gelungen, zu ermitteln,
womit er sich so eifrig beschäftigt: er lernt Polnisch.

Die Kuh im Hause erspart den Milchmann. DerMilchlrieg
ist für immer beendet, wenn jeder Berliner Hausstand seine eigene Kuh
hat. Und weshalb sollte das nicht möglich sein? Es muß nur aus
dem Miethsvertrag der Paragraph entfernt werden, der das Halten
von Hausthieren untersagt, dazu aber werden die Berliner Hauswirthe,
wenn man ihnen tüchtig zuredet und ihnen goldene Berge verspricht,
sich gern bereit finden lassen. Dann wird eine gute, fehlerfteie Kuh —
man lasse sich keinen Ochsen ausschwatzen — bei Wertheim oder Tietz
erstanden und in der Berliner.oder in der guten Stube eingestellt.
Der ganzen Familie macht sie Freude. Die Mutter füttert sie, die
Kinder spielen mit ihr und reiten aus ihr, der Vater photographirt sie,
das Mädchen für alles melkt sie. Im Sommer wird sie auf den Balkon
gestellt, wo sie sich sehr gut ausnimmt. In die Sommerfrische wird sie
natürlich mitgenommen. Das zu ihrer Ernährung nöthige Futter
gewinnt man durch Anbau von Gras und Klee in Blumentöpfen, auf
dem Balkon und, nach norwegischer Sitte, auf dem Dach des Hauses.
Durch den Verkauf des Dunges erhält der Hausvater eine schöne
Nebeneinnahme, die mindestens dazu ausreicht, seine Ausgaben für
Cigarren zu bestreiten. Außerdem bringt die Kuh jährlich, wenn wir
nicht irren, ein Kälbchen, das durch sein munteres Umherspringen er-
geht und gebraten vortrefflich schmeckt.

Zumal im Westen der Stadt ist viel überflüssiges Straßenterrain.
Dieses kann der Magistrat in Wiesenland verwandeln, uni es dem
Kuhbesitzer zu verpachten. Auch dürste sich die Einführung einer
städtischen Kuhsteuer empfehlen. Ein gut Stück Geld würde dadurch
in den Gemeindesäckel gelangen.

Hierzu zwei Beilagen.

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