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chmerzlich jammert der Mann, der Bildung im Volk zu verbreiten
Bieder sich müht: „Schlimm ist's mit dem Besuche bestellt!
Professoren gewahr' ich und Oberlehrer in Menge,
Manch ein griechisches Wort thut sie als solche mir kund;
Künstler auch wimmeln hemm, Studenten sodann, Generalstabs-
Officiere, doch wo bleiben die Männer des Volks?
Kommt mal einer herein, so schüttelt den Kopf er verwundert,
Glotzt ein wenig und drückt wieder den: Ausgang sich zu.
Nur vereinzelt auch findet der biedere Bürger des Mittlern
Standes, begleitet vom Weib und von den Töchtern, sich ein.
Spöttisch lächelnd begafft er den Fries und blättert im Führer,
Schüttelt' den Kopf und zieht schnell mit den Seinen dann ab.
Wozu haben erworben mit Müh' und beträchtlichen Kosten
Wir das gewaltige Werk, wenn es dem Volke nichts sagt!"
Thöricht redest du, Freund, und offen will ich es sagen:
Mir macht Freude, was dir schmerzlich die Seele bewegt.

Lobe den Himmel mit mir, daß sich nicht, getrieben von Neugier,
Drängen die Männer des Volks und die Philister heran.
Halten sich fern die Banausen, so wollen wir ihnen von Herzen
Dankbar sein, denn es bleibt für die Verständigen Platz.
Anders wird es gewiß, wentr die herrliche Volkshochschule
Auch den gemeinen Mann reichlich mit Bildung versorgt.
Bietet den Hörern ihr dort doch schon, was dem Hirne des armen
Nietzsche im rauschenden Strom schimmernder Phrasen entquoll.
Recht so! Keiner kann wissen, ob nicht die roheren Kopfe
Manches verstehen, was wüst feineren leider erscheint.
Bildet das Volk nur immer so fort, dann wird das Verständnis
Auch erwachen in ihm einst für den Pergamon-Fries.
Doch wie es heut nun leider noch ist, was gehen die hehren
Götter der Griechen und was gehn die Giganten es an?
Heut hat Goethe noch Recht. Du weißt ja, wo er geschrieben:
„Werke des Geists und der Kunst sind für den Pöbel nicht da."
Kladderadatsch


Iwickcruers AeujcrHrsrrede
-oo-z

^?V^llerwörtheste! Düses Jahr, das süch oben gedrückt hat, hünter-
loht nicht gerade dön bösten Geruch. Äs rücht nach faulen
Euern und Patschulü. Äs war keun Ueberjahr oder war
auch eun Ueberjahr, jö nach döm, was man unter „über" versieht. Äs
war eun Jahr des Nüderschwungs und dör Krache.
„Ueker ühin schwöbre dar Teuer dör Plcute",
wü Schüller, wönn üch nücht ürre, ün eunem von ühm nücht hünter-
lassenen Gedächte sagt. Wü eun Blüh aus heuterem Hümmel örschün
dör cküös MI». an döm sölbst Söcurus such nücht möhr ganz sücher
fühlt. Mör süch ßu Bött gelögt hatte als Krösus, örwachte andern
Morgens als Ürus, außer Stande, dü Schruppe, dü ör doppelt mit
Austern ßu belögen gewöhnt war, auch nur müt Margarüne hu be-
schmüren. Da hum Glück klüngelte es, Schutzmänner kamen und holten
ühn ab.
Glücklich, wör nur dön Kopf verlor und nicht dön ganzen Mammon
daßu! Mancher hatte seun ganzes Vörtrauen auf eune Bank gesötzt,
aber du Bank brach darunter ßusammen und ör gerüth büs an den
Hals und darüber ün dü Tröbern hünein.
Meune geöhrten Freunde, was lörnt man daraus? Äs üst ötwas
Schröckliches um du Untreue, dü müt döm Vörrath an dör Eelübten
ansängt und müt döm Kassendeföct öndet, ös üst ötwas Furchtbares
um dü Falschheut, dü müt falschen Haaren und falschem Hörzen be-
gännt und ühren Güpselpunkt ün gefälschten Wechseln hat. Wü süngt dör
leuder nücht möhr modörne H öltü: Ueb' ümmer Treu und Nödlüchkeut
büs an deun kühles Grab, respöctüve büs hur Feuerbestattung ün Gotha.
Auf das „ümmer" üst dör Ton ßu lögen. Nücht nur ßeutweuse, nücht
nur dann und wann, nücht nur durchschnüttlüch müssen Treu und
Nödlüchkeut geübt würden, sondern durch dü Bank, ümmer und überall

Der kindliche Birchow

Gar sehr, o Virchow, hat mir behagt,
Was du zum „Lokal-Anzeiger" gejagt.
Dell König von England hast du gekannt.
Als Prinz von Wales er noch war genannt,
Erfreut dich an seinem edlen Eemüthe
Und seiner großart'gen Herzensgüte.
Darum vermagst du nicht zu capiren,
Daß er den grausamen Krieg kann führen
In Afrika mit den Buren jetzt.
Das hat in Erstaunen dich versetzt.
Auch mit dem Zaren hast du verkehrt
Und fandst ihn wohlwollend und achtungswerth.
Drum ist dir unfaßbar, gestehst das frei,
Sein Abkommen wegen der Mandschurei,
Und daß er, der sonst so gut gewesen,
So schlecht jetzt ist gegen die Chinesen.
Verwundert fragst du: „Wie geht das zu?"
O Virchow, was für ein Kind bist du!

und ün allen Conjunctureu, so weut ös möglüch üst. Ährlüch wöhrt
am längsten, sagt das Sprüchwort. Wör öhrlüch bleubt, verdünt lang-
samer als dör Unöhrlüche, aber sücherör. Dör Räuber schlüßt rasch
eun gewünnreuches Geschäft ab, aber ün dön meusten Füllen göht dör
Eewünn öben so rasch, wü ör eungeheumst wurde, wüder verloren.
Und wölch eun Önde nümmt das Geschäft dös Räubers? Mit wönügen
rühmlüchen Ausnahmen eun sogenanntes Ände mit Schröcken. Ün
dör Rogel schneudet ör schlöcht ab. Eun Veuspül davon üst dor vor
Szeuten so vül genannte Unternehmer Karl Moor, der müt euner
größeren Anhahl von Theulhabern ün dön damals noch wönüg von
Geschäftsleuten besuchten böhmüschen Wöldern eune nach diesen genannte
G. m. b. H. gründete. Ös kam hu Conslücten üm Vorstande dör
Gesöllschast, wü das häufüg vorkommt, Moor trat aus und üst wahr-
scheunlich nachhör müt dön Gerüchten ün unlübsame Berührung ge-
kommen. Gewüsses darüber üst nücht bekannt. Schusterte, dör dü
eugentlüche Sole dös Unternöhmens war, hatte süch schon früher aus
döm Geschöst hurückgehogen und soll nachhör ün Leuphüg und Cassöl
seun Glück gemacht haben.
Meune veröhrten Freunde! Es gübt eun böses Wort: „Dü Börse
oder dör Güstbaum", eun bösseres Wort üst: „Dü Börse oder das
Löben". Ja, dü Börse üst das Löben, wönn sü süch von faulen
Geschäften ßurückhölt und müderwörthüge Actüen nücht ßulößt.
Löben und lüden lassen üst unsere Parole, wön wür aber löben lassen,
das kann nach dem Vorhörgesagten nücht möhr hweufelhaft seun. Wü
ün polütüschen Düngen ümmer wüder örinahnt worden muß: „Seud
eunig, eunig, eunig!" so üst ün fünanßiöllen ümmer wüder zu betonen:
„Seud öhrlüch, öhrlüch, öhrlüch!" Äs löbe die Ährlüchkeut. Hoch,
hoch, ßum drütten Mal hoch!

Ein beachtenswerther Nechtszustand hat sich herausgebildet: jemand
kann in Württemberg für verrückt angesehen werden, während er gleich-
zeitig in Preuhen für vernünftig gehalten wird. Es fragt sich nur, ob
Leuten, die in Preußen verrückt werden, eben deshalb in Württemberg
oder einem andern Bundesstaat der Vollbesitz der Geisteskräfte zu-
gesprochen wird. So soll neulich ein preußischer Staatsmann erklärt
haben, die Annahme des Minimalrarifs für Getreide habe ihn an
seinem und seiner Herren Collegen Verstände zweifeln lassen, und der
Vertreter eines anderen Staates im Bundesrathe soll diese Erkenntnih
als ein Zeichen geistiger Gesundheit angesehen haben.
In der Abtheilung des preußischen Cultusministeriums, die die
Hochschulangelegenheiten bearbeitet, herrscht ein Geist, der seinen
centralen Einfluß immer mehr auch auf die Verwaltung nichtpreuhischer
Universitäten ausstrahlt. Die genannte Minijterialabtheilung soll deshalb
ihrer geistigen Bedeutung entsprechend eine selbstständige Stellung und
den Namen „Spirituscentrale" erhalten.

Der Christmasbraten hat diesmal in ganz England einen üblen
Beigeschmack gehabt. Einige meinen, De Wet habe seinen Senf dazu
gegeben, und der wäre etwas zu scharf gewesen.
 
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