Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
/,03,

84


Der bescheidene Minister
Bescheiden spricht Herr v. Hammerstein:
„Ich möchte Ambos, nicht Hammer sein!
Wer mißt im Reden sich wohl mit Richter?
Als alter Parlamentarier spricht er
Im Land- und Reichstag mit Wucht und Verve,
Doch soll es nimmer ihm gelingen,
Aus meiner motivirten Reserve
Und Passivität mich herauszubringen.
Wozu denn nützt das viele Reden?
Unangenehm berührt es jeden;
Und hat gar die Krone schwache Gründe,
So wird das Reden direct zur Sünde.
Drum lausch' ich Richters langen Ergüssen,
Dem Negenstcom aus Felsenrissen,
Und denke: „Latz ihm seinen Lauf,
Er hört ja schließlich doch wieder auf."
Die Staaisminister gelten zumeist
Für übermüthig, herrisch und dreist,
Doch gibt's darunter auch einige rare
Bescheidne und stille Eremplare.
Dag dies der Fall ist, denke zu zeigen
Ter Welt ich jetzt. Der Nest ist Schweigen?

Bei Gelegenheit der Amerikafahrt des Prinzen Heinrich leistet
natürlich die Berichterstattung, verbunden mit der Kunst der Zeichner
und Photographen, das Außerordentlichste.
Viele Photographen hatten sich mit Taucheranzügen versehen auf
den Ocean begeben, um die „Kronprinz Wilhelm" von unten aus
auszunehmen. Von allen diesen Unterseephotographen ist bis jetzt noch
nichts wieder zu hören gewesen. Vermuthlich sind sie von Haifischen
ausgenommen.
Ueber den Vereinigten Staaten war mitunter der Himmel durch
Luftballons verfinstert, in deren Gondeln Photographen saßen, um
von oben den Prinzen und seine Umgebung aufzunehmeu. Manche
fielen dabei herunter und richteten Schaden an Schornsteinen und
Dächern an.
Alle Einzelheiten der Reise darstellende Zeichnungen für illustrirte
Blätter wurden schon Wochen vorher zu Millionen angefertigt. Einem
Zeichner fiel es ein, das Schiff, das den Prinzen trug, auf furchtbar
wild empörtem Weltmeer tanzen zu lassen, da wurde er ausgelacht von
den andern, die alle die See nur mäßig bewegt dargestellt haben. Jetzt
lacht er die andern aus. Ja, Glück muß ein Illustrator haben.

o. Woedke
Als er gelebt, da ließ man fallen ihn, ^
Weils dem Minister so bequem erschien.
Dafür streicht ihn heraus nach seinem Tode
Der „Neichsanzeiger". Ja, das ist so Mode.

Ministerdeutsch



Der Minister des Inneren hat in den letzten Tagen ein Gedicht
von vollendeter Harmlosigkeit „unfläthig" genannt; er hat einen ge-
mürhlichen Commers zur Geburtstagsfeier des Kaisers als „Orgie"
bezeichnet; er hat aus dem Zusammentreffen von Socialdemokraten '
und Liberalen in einer allgemeinen Wahlversammlung eine „social-
demokratische Verbrüderung" gemacht; er hat in der Drohung eines
Laudraths, daß er künftig die Erhebung von Dorf- zu Stadtgemeinden
in seinem Kreise nicht mehr dulden werde, eine „philosophische Be-
trachtung" und in der Anwesenheit von Frauen bei einer Versammlung
eine „Vermischung von Männern und Frauen" gefunden. Die sprach-
lichen Begriffe scheinen bei dem Herrn Minister etwas stark durchein-
ander gerathen zu sein. Es ist nicht anders: er muß in Metz sein
Deutsch verlernt haben. Aber das läßt sich wieder gut machen, wenn
er nur fleißig die Landtagssitzungen besucht und gut aufpaßt, wenn
ein hervorragender Redner spricht: nur möchten wir ihm abrathen,
selbst in die Debatte einzugreifen, bis er wieder hinlängliche Festigkeit
im Gebrauch der heimischen Sprache erlangt hat. Er kann sich solange
von seinem Commissarius Falkenhayn vertreten lassen, der spricht
ein kräftig Wörtlein.

Ein glücklicher Zufall hat auf unsern Nedactionstisch die Speisen-
folge eines deutschen Festmahls geweht, das der Abgeordnete Nösicke
(Kaiserslautern) neulich einigen hervorragenden Führern des Bundes
der Landwirthe gab. Sie lautet:
Pankecaviar. Nordhäuser. 5
Erbsensuppe. Gilka.
Westfälischer Speck. Steinhäger.
Pommersche Dauerwurst. Grog.
Kartoffelpuffer. Züllichauer Sect.
Kümmelkäse. Arac de Bomst.
Osdorfer Kaffee mit Ringmilch. Pfälzer und Ohlauer Cigarren.
Wanseer Cigaretten.
Bravo! Das ist patriotisch gefühlt und gegessen.

Der umgehende Kauffmann


Aus der Zolltarifcommission

„Ungeschick, dein Nam' ist Kardorff!" Hieß es lange Zeit, jetzt
wett' ich, Daß es schon recht bald wird heißen: „Ungeschick, dein Nam'
ist Rettich!"

An Alice

Heil dir, Alice Noosevelt!
Don allen Mädchen auf der Welt,
Das gibst gewiß du selber zu,
Tie allerglücklichste bist du.
O möcht' es doch auch uns geschehn,
Daß wir mal so Gevatter stehn.
Die armen andern.

Bei der Zollcommission ist eine Petition eingegangen, die einen
hohen Zoll aus das amerikanische Gesundbeten verlangt. Das national-
deutsche Gesundbeten sei eine junge Industrie, die nur dann zur Blüthe
gelangen könne, wenn ihr der Staat durch einen Schutzzoll die über-
mächtige amerikanische Concurrenz vom Leibe halte.
.- —

Mich fröstelt, indem ich schreibe.
Erfahret nun, warum:
Es geht bei lebendigem Leibe
Der Kausfmann, der Kauffmann um.
Ja, Kauffmann also heißt er,
Der umgeht an der Spree,
Ter heimliche Bürgermeister
Noch immerfort in 8pe.
Er spukt im rothen Hause,
Er spukt im Parlament;
Stets wieder nach einer Pause
Kommt, den man schaudernd nennt.
So spukt er andern zur Strafe
Und findet keine Ruh,
Ministern erscheint er im Schlafe
Und nickt ihnen schaurig zu.
Dazu ward er genöthigt
Durch Herrn v. Hammerstein.
Er will entweder bestätigt
Oder verworfen sein.
 
Annotationen