Das deutsche Ideal
Der verhinderte Hungerkünstler
Wenn einmal im bisherigen Kinde
Sich regt der Jüngling und erwacht,
Denkt er an eine Schnurrbartbinde,'
Sie ist sein Traum bei Tag und Nacht.
Wie er sein Aeußres fein gestalte,
Das ist sein Kummer, seine Qual,
Und eine Hosenbügelfalle,
Das ist des Deutschen Ideal!
Er wird ein Mann mit grauein Haare,
Er strebt und strebt und strebt und irrt.
Wer weih, ob nicht im Lauf der Jahre
Aus ihm gar ein Eeheimrath wird!
Und ist er wirklich dies geworden,
So scheint sein Knopfloch ihm recht kahl.
Der Adler- oder Kronen-Orden,
Das ist des Deutschen Ideal!
Der Arzt versammelt sich in Kammern,
Die fordern Steuern — 's ist kein Spiel.
Alsbald erhebt sich lautes Jammern,
Der Steuern seien viel zu viel.
Ob der Minister ändern könnte,
— So fragt man, — die zu hohe Zahl?
Ob 13 oder 12 Procente,
Das ist des Deutschen Ideal!
Im Reichstag streiten laut die Meister,
Es gilt des Volkes höchstes Gut.
Sie kämpfen im Tournier der Geister .
Mit ritterlichem Edelmuth.
Um Phosphor, Indigo und Mennige
Geht heiß es her im Reichstagssaa!,
Um eine Mark und 50 Pfennige.
Das ist des Deutschen Ideal!
Wir wollen unser Blut und Leben
Dem deutschen Vaterlande meihn,
Allein das letztre muß daneben
Natürlich uns auch dankbar seilt.
Man will doch nach der Väter Mode
Non leben — Teufel noch einmal —
Vis zu dem künst'gen Heldentode!
Das ist des Deutschen Ideal!
Eine nachdenkliche Sache
Gallia: So ein gewöhnlicher Bürgerlicher, der in kleinen Ver-
hältnissen ausgewachsen ist, mag er sich auch noch io viel Mühe geben
— und Mühe gibt Loubet sich — den richtigen vornehmen Ton kriegt
er doch nicht heraus. Ob ich mir nicht, lediglich für den Verkehr mit
großen Fürstenhösen, einen Kaiser anschaffe? Es braucht sa nur ein
Nepräsentationskaiser zu sein.
In England beräth mall über die bei der Krönungsseier zu er-
lassende Amnestie. Die Minister sind für einen allgemeinen Erlaß
aller nicht zu schweren Strafen, wahrend König Eduard nur die,
jenigen Sträflinge begnadigen will, die Sittlichkeitsverbrechen an
Kindern verübt haben. Diese sollen allerdings ohne jede Ausnahme
der königlichen Gnade theilhaftig werden. '
Da das Begnadigungsrecht ein unbestrittenes Kronrecht ist, wird
König Eduard ohne Frage seinen Willen durchsetzen.
Bei der Abfahrt des französischen Geschwaders von Kronstadt
fehlten fünfzig Matrosen, die nirgendwo aufzufinden waren. Wer kann
es ihnen verdenken? Alle Fünfzig haben das „Mütterchen" Rußland
und das weiße „Väterchen" während ihres kurzen Aufenthalts sicherlich
so licbgewonnen, daß ihnen der Abschied von einer so netten Familie
voll Tag zu Tag' schwerer und schließlich unmöglich geworden ist. Wenn
sie außerdem, wie es sehr wahrscheinlich ist, schon am Tage ihrer An-
kunft die Abschicdsseier mit gutem Wodki einleiteten, so kann sich nie-
mand wundern, wenn sie das Abfahrtssignal überhört haben. Uebrigens
ist die ganze Sache ohne Bedeutung. Wie es heißt, wird „Väterchen"
sie bei seinem nächsten Ausflug nach Frankreich in seinem Gefolge nach
ihrer Heimath zurückbringen. Ein höherer Dienstgrad ist dann jedem
Schützling des Zaren sicher.
Die unentschlossene Haltung der Negierung den Agrariern gegenüber
hat sich soeben wieder in ihrer ganzen Schönheit offenbart. Wollte da
in Berlin ein Hungerkünster im Panoptikum auftreten, aber im letzten
Augenblick verhinderte es die Polizei. Warum?
Die Sache liegt ziemlich einfach. Der Mann, der vom Hungern
lebt, ein gewisser Papus, ist nichts weiter als ein ^ent provocateur der
Freisinnigen. Man vergegenwärtige sich nur die Situation, in der er
sich zeigen wollte. Fest mit Binden umschnürt, eine Anspielung auf
die Fesseln einer unbequemen Zollgesetzgebung, wollte sich der Hunger-
leider in einen Glassarg legen lassen.- nur ein Schlauch sollte ihm die
nothwendige Luft zuführen, denn wie ein echter Agrarier hat er es in
der Kunst, nur von Lufc zu leben, zur Meisterschaft gebracht. Hierauf
wollte er dies durchsichtige Behältniß in ein zweites ebenso durchsichtiges
stellen und dieses mit Wasser füllen lassen. Natürlich Canalwasser!
Jeder Einsichtige begreift dies. Trotz dieser rigoröseu Absperrung,
gänzlich unter Canalwasser gesetzt, eristirt dann Herr Papus munter
darauf los und verläßt frisch und fröhlich, als käme er eben von Baden-
Baden oder Monaco zurück, am achten Tage sein freiwillig gewähltes
Gesängniß, ein Nothleidender, im strengsten Wortsinne, der nun los-
gelassen sich auf die reichgedeckte Tafel des Zolltarifs stürzt und dort
Wunderdinge im Verschlingen aller möglichen guten Sachen vollbringt.
Zu einer derartigen Versöhnung unserer Nothleidenden wagten die
Behörden selbstverständlich nicht die Hand zu bieten, und so mußte die
Schaustellung unterbleiben.
Kieler Pretzlied
Ich hatr' einen Puttkameraden,
Einen bessern findst du nit:
Keinen Mißstand sollst du schonen,
Ohne Ansehn der Personen
Theil' es nur ruhig mit.
Eine Nachricht kam geflogen
Auf den Tisch der Nedaction.
Mir schien sie unbedenklich,
Dein Staatsanwalt verfänglich,
Confisciret sind wir schon.
Kann dir die Hand nicht-reichen, -
Mein Polizeipräsident.
Er muß in meinen Taschen
Versuchen, ob erhaschen
Er's Manuscript nicht könnt'.
König Eduard hat ein gutes Herz. „Ich wünsche ja so sehr",
sagte er neulich zu einem Spielfreunde, „den Frieden und bete so an-
haltend und intensiv dasür. Sorge aber macht es mir doch, was nachher,
wenn der Friede geschlossen ist, aus Kitchener werden soll. Er ist ja
eine Seele von Mensch, aber er verzählt sich so sehr und ist überhaupt
so ungenau. Man müßte ihm nachher beim statistischen Amt oder bei
unserer Presse eine Anstellung verschaffen.
Ein ganz ungewöhnlicher Abschied wird diesmal dem Mai ertheilt.
Während er sonst mit „Wonnemond" angeredet und von.Dichtern, Lieben-
den und anderen Leuten dringend ersucht wird, doch, wenn es ihm
irgend möglich ist, wenigstens ein paar Tage noch zu bleiben, heißt es
diesmal: „Gott sei Dank, daß der Unhold sich trollt!" und alles
Mögliche wird ihm vor- und nachgeworfen.
Der verhinderte Hungerkünstler
Wenn einmal im bisherigen Kinde
Sich regt der Jüngling und erwacht,
Denkt er an eine Schnurrbartbinde,'
Sie ist sein Traum bei Tag und Nacht.
Wie er sein Aeußres fein gestalte,
Das ist sein Kummer, seine Qual,
Und eine Hosenbügelfalle,
Das ist des Deutschen Ideal!
Er wird ein Mann mit grauein Haare,
Er strebt und strebt und strebt und irrt.
Wer weih, ob nicht im Lauf der Jahre
Aus ihm gar ein Eeheimrath wird!
Und ist er wirklich dies geworden,
So scheint sein Knopfloch ihm recht kahl.
Der Adler- oder Kronen-Orden,
Das ist des Deutschen Ideal!
Der Arzt versammelt sich in Kammern,
Die fordern Steuern — 's ist kein Spiel.
Alsbald erhebt sich lautes Jammern,
Der Steuern seien viel zu viel.
Ob der Minister ändern könnte,
— So fragt man, — die zu hohe Zahl?
Ob 13 oder 12 Procente,
Das ist des Deutschen Ideal!
Im Reichstag streiten laut die Meister,
Es gilt des Volkes höchstes Gut.
Sie kämpfen im Tournier der Geister .
Mit ritterlichem Edelmuth.
Um Phosphor, Indigo und Mennige
Geht heiß es her im Reichstagssaa!,
Um eine Mark und 50 Pfennige.
Das ist des Deutschen Ideal!
Wir wollen unser Blut und Leben
Dem deutschen Vaterlande meihn,
Allein das letztre muß daneben
Natürlich uns auch dankbar seilt.
Man will doch nach der Väter Mode
Non leben — Teufel noch einmal —
Vis zu dem künst'gen Heldentode!
Das ist des Deutschen Ideal!
Eine nachdenkliche Sache
Gallia: So ein gewöhnlicher Bürgerlicher, der in kleinen Ver-
hältnissen ausgewachsen ist, mag er sich auch noch io viel Mühe geben
— und Mühe gibt Loubet sich — den richtigen vornehmen Ton kriegt
er doch nicht heraus. Ob ich mir nicht, lediglich für den Verkehr mit
großen Fürstenhösen, einen Kaiser anschaffe? Es braucht sa nur ein
Nepräsentationskaiser zu sein.
In England beräth mall über die bei der Krönungsseier zu er-
lassende Amnestie. Die Minister sind für einen allgemeinen Erlaß
aller nicht zu schweren Strafen, wahrend König Eduard nur die,
jenigen Sträflinge begnadigen will, die Sittlichkeitsverbrechen an
Kindern verübt haben. Diese sollen allerdings ohne jede Ausnahme
der königlichen Gnade theilhaftig werden. '
Da das Begnadigungsrecht ein unbestrittenes Kronrecht ist, wird
König Eduard ohne Frage seinen Willen durchsetzen.
Bei der Abfahrt des französischen Geschwaders von Kronstadt
fehlten fünfzig Matrosen, die nirgendwo aufzufinden waren. Wer kann
es ihnen verdenken? Alle Fünfzig haben das „Mütterchen" Rußland
und das weiße „Väterchen" während ihres kurzen Aufenthalts sicherlich
so licbgewonnen, daß ihnen der Abschied von einer so netten Familie
voll Tag zu Tag' schwerer und schließlich unmöglich geworden ist. Wenn
sie außerdem, wie es sehr wahrscheinlich ist, schon am Tage ihrer An-
kunft die Abschicdsseier mit gutem Wodki einleiteten, so kann sich nie-
mand wundern, wenn sie das Abfahrtssignal überhört haben. Uebrigens
ist die ganze Sache ohne Bedeutung. Wie es heißt, wird „Väterchen"
sie bei seinem nächsten Ausflug nach Frankreich in seinem Gefolge nach
ihrer Heimath zurückbringen. Ein höherer Dienstgrad ist dann jedem
Schützling des Zaren sicher.
Die unentschlossene Haltung der Negierung den Agrariern gegenüber
hat sich soeben wieder in ihrer ganzen Schönheit offenbart. Wollte da
in Berlin ein Hungerkünster im Panoptikum auftreten, aber im letzten
Augenblick verhinderte es die Polizei. Warum?
Die Sache liegt ziemlich einfach. Der Mann, der vom Hungern
lebt, ein gewisser Papus, ist nichts weiter als ein ^ent provocateur der
Freisinnigen. Man vergegenwärtige sich nur die Situation, in der er
sich zeigen wollte. Fest mit Binden umschnürt, eine Anspielung auf
die Fesseln einer unbequemen Zollgesetzgebung, wollte sich der Hunger-
leider in einen Glassarg legen lassen.- nur ein Schlauch sollte ihm die
nothwendige Luft zuführen, denn wie ein echter Agrarier hat er es in
der Kunst, nur von Lufc zu leben, zur Meisterschaft gebracht. Hierauf
wollte er dies durchsichtige Behältniß in ein zweites ebenso durchsichtiges
stellen und dieses mit Wasser füllen lassen. Natürlich Canalwasser!
Jeder Einsichtige begreift dies. Trotz dieser rigoröseu Absperrung,
gänzlich unter Canalwasser gesetzt, eristirt dann Herr Papus munter
darauf los und verläßt frisch und fröhlich, als käme er eben von Baden-
Baden oder Monaco zurück, am achten Tage sein freiwillig gewähltes
Gesängniß, ein Nothleidender, im strengsten Wortsinne, der nun los-
gelassen sich auf die reichgedeckte Tafel des Zolltarifs stürzt und dort
Wunderdinge im Verschlingen aller möglichen guten Sachen vollbringt.
Zu einer derartigen Versöhnung unserer Nothleidenden wagten die
Behörden selbstverständlich nicht die Hand zu bieten, und so mußte die
Schaustellung unterbleiben.
Kieler Pretzlied
Ich hatr' einen Puttkameraden,
Einen bessern findst du nit:
Keinen Mißstand sollst du schonen,
Ohne Ansehn der Personen
Theil' es nur ruhig mit.
Eine Nachricht kam geflogen
Auf den Tisch der Nedaction.
Mir schien sie unbedenklich,
Dein Staatsanwalt verfänglich,
Confisciret sind wir schon.
Kann dir die Hand nicht-reichen, -
Mein Polizeipräsident.
Er muß in meinen Taschen
Versuchen, ob erhaschen
Er's Manuscript nicht könnt'.
König Eduard hat ein gutes Herz. „Ich wünsche ja so sehr",
sagte er neulich zu einem Spielfreunde, „den Frieden und bete so an-
haltend und intensiv dasür. Sorge aber macht es mir doch, was nachher,
wenn der Friede geschlossen ist, aus Kitchener werden soll. Er ist ja
eine Seele von Mensch, aber er verzählt sich so sehr und ist überhaupt
so ungenau. Man müßte ihm nachher beim statistischen Amt oder bei
unserer Presse eine Anstellung verschaffen.
Ein ganz ungewöhnlicher Abschied wird diesmal dem Mai ertheilt.
Während er sonst mit „Wonnemond" angeredet und von.Dichtern, Lieben-
den und anderen Leuten dringend ersucht wird, doch, wenn es ihm
irgend möglich ist, wenigstens ein paar Tage noch zu bleiben, heißt es
diesmal: „Gott sei Dank, daß der Unhold sich trollt!" und alles
Mögliche wird ihm vor- und nachgeworfen.