Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
5-S

Der späte Thaler

?lls ich jüngst bei einem Einkauf
Ein Krone gab zum Wechseln,

Kam — die reine Wahrheit sprech' ich —
Mir ein Thaler in die Hand.

Staunend stand ich, und ergriffen
Zn dem Spätling also sprach ich:

„Woher kommst du, lieber Thaler,

Mich zu mahnen an die gute
Alte Zeit, da mit Millionen
Von Genossen du durchs Land liefst?

Sag', wie bist du nur entgangen
Der Verfolgung durch die Reichsbank?
Sicherlich hielt eine ältre
Dame dich verwahrt im Strumpfe,

Und vom hocherfreuten Erben
Wardst du jetzt in Kurs gesetzt."

Reiflich dann mir überlegt' ick),

Was zu thun sei mit dem Spätling.

Sollt' ich in der Schreibtischlade
Ihn verwahren zur Erinnrung?

Rein, denn mit dem öden Sammeln
Geben ab sich nur Philister.

Sollt' ich lieber an der Kette
Meiner Uhr als Schmuck ihn tragen?

Rein, auch das erscheint für einen
Aeltern Herrn mir wenig passend.

Endlich ging zu einem Wirth ich,

Den ich als verläßlich kenne,

Und in einer Flasche Mosel
Legt' ich meinen Thaler an.

Bei dem Trinken dacht' in Wehmuth
Ich der Zeit, der längst entschwundnen,

Da man noch vernünft'ge Münzen
In den deutschen Landen prägte.

Als es ging ans Zahlen, reicht' ich
Hin den Thaler, und zum Abschied
Sprach ich: „Leb' denn wohl, du Spätling!
Nie werd' ich dich wicderschauen,

. Doch gedenken deiner werd' ich
Ost noch und zum Trost nur sagen:

Nichtig ward er angelegt."

Die Musteroorstellung der Perversen

Ein Zukunftsbild

Ein betäubender Patschuligeruch erfüllte den Zuschauerraum des
„Klimbimtheaters", der bis auf den letzten Platz gefüllt war. Dann
ging Wildes „Salome" in Scene und wurde aufgeführt mit allen
Mitteln, die der herrschend gewordenen perversen Kunst zu Gebote
stehen. Alles mar großartig. Als Salome tänzle, wobei sie mehrere
Male Kobolz schoß, war die Verzückung allgeinein. Ein hundertjähriger
Greis versuchte vom Parquet aus über die Lampen auf die Bühne zu
klettern und verbrannte dabei. Darauf kam das Großartigste. Ein
zum Tode verurtheilker Verbrecher spielte den Jochanaan und wurde
n einem wirklichen Scharfrichter auf offener Bühne geköpft. Da der
Scharfrichter vorher viel getrunken hatte, war seine Hand nicht mehr
ganz sicher, und er mutzte sieben Mal zuhauen, bis der Kopf endlich
ab war. Da brach ein Beifallssturm los, wie er noch nie dagewesen
. In das Klatschen und Dacaporufen aber mischte sich das Ge-
kreisch der in Krämpfen sich Windenden, das gellende Lachen der
Hysterischen und das Wimmern der zu früh Niederkommendem Diele
gaben den Geist auf, andere verloren den Kopf, unzählige wurden
verrückt, kurz, das Ganze war in hohem Grade gelungen,

Wir machen noch aufmerksam darauf, datz der Kopf Jochanaans
auf eine von Künstlerhand mit Gänseblümchen beinalte Bratenschüsscl
gelegt und darauf zur Verwendung für Ansichtspostkarten photographiert
worden ist.

Draußen standen die Schuhmannschaft und die Feuerwehr.

Verspäteter Sternschnuppenfall

Sonst im August vom Himmelszelt
Herunter fallen die Sterne,

Zur Freude für die Erdeirwelt,

Doch diesmal blieben sie ferne.

Es mag das wohl verschuldet sein
Durch Ungewitter und Regen,

Doch stellte sich im Sepien, der ein
Der schmerzlich vermitzte Segen.

In Deutschland und in Oesterreich
Manch Knopfloch ist voll geworden,
Es fielen schimmernden Sternen gleich
Herab unzählige Orden.

Für die Rennen bei Berlin sind vom nächsten Jahre ab die
Sonntage wieder srcigegeben. Hoppcgarten, das mit schwereren Sorgen
zu kämpfen hat als Carlshorst,, soll acht Sonntage erhalten, während
dem Verein für Hindernitzrenncn vier bewilligt werden.

In den gläubigen Kreisen, die zun. Glück auch in Berlin noch
immer zu finden sind, erweckt die bevorstehende Sonntagsentheiligung
natürlich die schwersten Besorgnisse. Da das Unheil nicht mehr ab-
zuwenden ist, will man es wenigstens abschwächen und bei den, Ober-
kirchenrath und den Synoden die Einfügung einer besonderen Fürbitte
an den Rennsonntagen in Anregung bringen. In dieser Fürbitte
sollen der Nachsicht des Himmels alle die Weltkinder empfohlen werden,
die den Sonntagnachmittag dem frivolen Rennsport opfern, anstatt ihn,
wie es sonst in Berlin Gott sei Dank noch immer Brauch ist, daheim
in stiller Beschaulichkeit und Andacht zu verbringen. '

Warnung

In dem großen e-aale des „Trianon" in Dresden herrscht noch
iminer ein unerträglicher übler Geruch, der keinen Abwaschungen und
Desinfectionen weichen will. Nach dein Urtheil der Sachverständigen
sitzt der Geruch so fest in den Wänden, daß nur durch das Abreißen
des alten Gebäudes und die Auffiihrung eines Ncubaus Abhilfe zu
schaffen ist.

Die Besitzer des Locals haben schon einen Entschädigungsproceß
gegen den Vorstand des socialdemokratischen Parteitags anhängig
gemacht. Nach der Ansicht aller juristischen Autoritäten ist der Procetz
gar nicht zu verlieren, und so dürsten die fröhlichen Tage in Dresden
denen um Bebel und um Bernstein noch recht theuer zu stehen
kommen.

Hüte dich fein

Und versäum' das nicht:

Vor der Nessel, die brennt,
Vor dem Hunde, der beißt,
Vor dem Fähnrich, der sticht!

Der serbische Oberstleutnant Mischitsch, einer der Mörder
Alexanders, hat eine Professur an der Belgrader Militärakademie
erhalten. Wahrscheinlich glaubt man, daß er unter den wilden und
blutgierigen Gelehrten besser aufgehoben und weniger auffällig sein
wird als unter den sanften und weichmüthigen Officieren der activen

Der commercicnräthliche Leiter der Berliner Wagnerfeier hat
die Genugthuung, am Ausgang die Anerkennungszeichen ausländischer
hoher Herrschaften in Empfang zu nehmen.

i
 
Annotationen