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Blut ist ein ganz besonderer Last
Ter Hausknecht hatte an die Tür gepocht und zum Zeichen dessen,
dag die Revolution im Anmarsch sei, Rosa Luxemburgs Schuhe
dagegen geworfen.
„Rosa, aufstehen!"
Jeder Aufstand war ihr angenehm, nur dieser nicht. Und dies
verhaßte Wort Rosa! Sie möchte ja gar nicht Rosa sein,'viel lieber
hiehe sic Blutrot.
Blut, Blut, Blut! Günseschwarzsauer und Blutwurst waren
ihre Lieblingsgerichte von Kindesbeinen o„ gewesen, jetzt verlangte sic
in Ermanglung dessen mit barscher Stimme lieben Fürsten zum Frühstück.
„Bedaure sehr," jagte der höfliche Kellner, „die haben wir nicht
mehr, die sind schon aus der Speisekarte gestrichen". Bei der Menge
der in Jena anwesenden Genossen hatte sich Rosa dies selbst sagen
können, und so begnügte sie sich mit einem Bemmchen. Während des
Ankleidens memorierte sie die Rede, die sie gegen Heine halten wollte
und nahm in Gedanken ein Blutbad, da sie nicht gewohnt war, sich
den Kopf um das Blut der Massen zu zerbrechen
„Au!" schrie sie plötzlich. Entsetzt riß sie ihren linken Strumpf
herunter. Eines jener Geschöpfe, die sich vom Blute des Volkes zu
nähren pflegen, hatte ihr, hcinuückisch wie der Genosse Schmidt, einen
Stich versetzt. Gewiß war es ein Rachkonnne jener von dem feilen
Höfling Goethe besungenen Clique, einer von den Lieblingen des
Königs, der einmal einen unglücklichen proletarischen Schneider zum
Anfertigen von Hosen für den Junker Floh gezwungen hatte. Rosa
kannte kein Erbarmen. Hastig griff sie zu, ein Knack, und ein Bluts-
tropfen am Rande des Waschbeckens wurde von ihr mit Befriedigung
betrachtet. „Also wenigstens etwas Blut. Der Tag sängt gut ai^"
Leider war es ihr eigenes.
Rudolf Baumbach
den 21. September 1905
tlcr liebe Dichter ist geborgen,
Der Tod hot endlich ihm gebracht
Den heili von ihm ersehnten Morgen
Doch langer leidensvoller Dacht.
Wie hat der Arme schwer gerungen,
Der einst aus sorgenfreier Krnst
So viel uns dessen hat gesungen,
Was Freude schafft und Lebenslust.
Das klang wie muntern Uogels Singen
Hoch über Feld und Wiesengrund,
Und lang' noch wird es weilerklingen
Aus fröhlicher Gesellen Mund.
Auf dem sozialdemokratischen Parteitage in Jena sagte Bebel, es
wäre in der Jugend eine Zeit lang sein Ideal gewesen, sich einmal in
Butterbrot satt zu essen. Nun, dieses Ideal ist wohl oft genug nachher
für ihn zur Wirklichkeit geworden.
Auch der arme Singer, heißt es, hat eimual ein Ideal gehabt,
das bestand darin, sich Schweinefleisch über zu essen, ach, aber niemals
hat er dies Ideal verwirklichen können.
In Jena sagte Genosse Molkenbuhr: „Man kann jemand ruhig
einmal „Schafskopf" nennen, das schadet nichts."
Wir sind auch der Meinung, das; das unter Genossen nichts ausmacht.
Selbstverständlich müßten dann aber die Parteiführer, zu denen ja
auch Herr Molkenbuhr gehört, mit »Leithammel" tituliert werden.
Eine Reimfrage
„Ich den!' nicht dran, in, Amt mich zu verschleißen!'
Sagt Möller. Wenn er Verse leimt,
Was er wohl alles auf „verschleißen" reimt?
Doch wohl nur „heißen", „reißen" und „beschmeitzen."
Neugieriger Dichter.
Ein feierlicher Moment
Eh' in Jena die Genossen
Auseinandergingen, pflanzte
August Bebel auf die Bühne
Einen Galgen, dran als Leiche
— Heil dir. Deutschland — Kasprzak hing.
Eine kleine Übereilung
— Eilig haben's oft die Russen,
Ob sie ineistens auch bequem find —
Mag gesihehn sein bei dem Henken,
Aber reichlich hat der Edle
Solchen Galgentod verdient.
Kräftig nun den Toten schwenkte
August Bebel, daß im Bogen
Hin und her er durch den Saal flog,
Und mit voller, nur von Rührung
Ost erstickter Stimme ries er:
„Diese stumme Glocke laut' ich,
Die Gewissen zu erwecken!
Stets will ich sie wieder läuten.
Bis das stumpfe Volk der Deutschen
Ich aus seinen, Schlummer schrecke
Und zun, Kampf es führe gegen
Moskowitertyrannei!"
Tief ergriffen von den Sitzen
Hoben da sich rings die Männer,
Sahn den größten der Lebend'gen
Flott den großen Toten schwenken.
Und nun soll noch einer sagen,
Daß die wackeren Genossen
Nicht der deutschen Ehre beste
Schirmer und Vertreter sind.
In Portugal blüht, wie die Zeitungen berichten, das Glücksspiel.
Unser Lijsaboncr Korrespondent bestätigt uns das und fügt hinzu, es
gehe soweit, daß Portugal bereits „Das Oldenburg des Südens"
genannt werde. __
Den Abstinenten unter den Sozialdemokraten gelang es auch dies-
mal nicht, die Alkoholsrage aus die Tagesordnung des Parteitages
zu bringen.
„An, Ende war es doch gut so", hörten wir einen Genossen sagen.
„Der Alkohol ist zwar eine Erfindung des Teufels, aber jertig werden
wir doch nicht mit den, Bürgerpack, wenn wir nicht den alten Korn
auf unserer Seite haben."
Eine neue Hofunisorm
Für Dymnasialprofesjoren
In Mecklenburg ward sie erdacht —
Es fehlen dran nur die Sporen —
In nie gesehener Pracht.
Von Gold blitzt Ärmel und Kragen,
Und Gold, wohin ich seh',
Doch wie sieht's aus im Magen
Und wie in, Portemonnaie?
Gott sei Dank! Wie es scheint, beginnt es am guten Fleisch für
das Militär zu fehlen. So ist doch endlich von einem Minister, von
Einem wenigstens, Hilfe zu erwarten.
Die Leitung der Milchzentrale hatte behauptet, die Meierei Bolle
zahle an sie 13 '/r Pf. für den Liter Milch, und bestritten, daß sie nur
12 Pf. zahle. Jetzt ergibt der dein Gericht vorgelegte schriftliche
Vertrag, daß Volle 13 ^ Pf. zahlt, aber für jeden Liter Wi Pl-
Provision erhält.
Tie Leitung der Milchzentrale ist also glänzend gerechtfertigt; sie
hat, wie immer, die volle, reine und ganze Wahrheit gesprochen — nur
i daß an dieser Wahrheit einige Prozente abzuziehen sind.
Blut ist ein ganz besonderer Last
Ter Hausknecht hatte an die Tür gepocht und zum Zeichen dessen,
dag die Revolution im Anmarsch sei, Rosa Luxemburgs Schuhe
dagegen geworfen.
„Rosa, aufstehen!"
Jeder Aufstand war ihr angenehm, nur dieser nicht. Und dies
verhaßte Wort Rosa! Sie möchte ja gar nicht Rosa sein,'viel lieber
hiehe sic Blutrot.
Blut, Blut, Blut! Günseschwarzsauer und Blutwurst waren
ihre Lieblingsgerichte von Kindesbeinen o„ gewesen, jetzt verlangte sic
in Ermanglung dessen mit barscher Stimme lieben Fürsten zum Frühstück.
„Bedaure sehr," jagte der höfliche Kellner, „die haben wir nicht
mehr, die sind schon aus der Speisekarte gestrichen". Bei der Menge
der in Jena anwesenden Genossen hatte sich Rosa dies selbst sagen
können, und so begnügte sie sich mit einem Bemmchen. Während des
Ankleidens memorierte sie die Rede, die sie gegen Heine halten wollte
und nahm in Gedanken ein Blutbad, da sie nicht gewohnt war, sich
den Kopf um das Blut der Massen zu zerbrechen
„Au!" schrie sie plötzlich. Entsetzt riß sie ihren linken Strumpf
herunter. Eines jener Geschöpfe, die sich vom Blute des Volkes zu
nähren pflegen, hatte ihr, hcinuückisch wie der Genosse Schmidt, einen
Stich versetzt. Gewiß war es ein Rachkonnne jener von dem feilen
Höfling Goethe besungenen Clique, einer von den Lieblingen des
Königs, der einmal einen unglücklichen proletarischen Schneider zum
Anfertigen von Hosen für den Junker Floh gezwungen hatte. Rosa
kannte kein Erbarmen. Hastig griff sie zu, ein Knack, und ein Bluts-
tropfen am Rande des Waschbeckens wurde von ihr mit Befriedigung
betrachtet. „Also wenigstens etwas Blut. Der Tag sängt gut ai^"
Leider war es ihr eigenes.
Rudolf Baumbach
den 21. September 1905
tlcr liebe Dichter ist geborgen,
Der Tod hot endlich ihm gebracht
Den heili von ihm ersehnten Morgen
Doch langer leidensvoller Dacht.
Wie hat der Arme schwer gerungen,
Der einst aus sorgenfreier Krnst
So viel uns dessen hat gesungen,
Was Freude schafft und Lebenslust.
Das klang wie muntern Uogels Singen
Hoch über Feld und Wiesengrund,
Und lang' noch wird es weilerklingen
Aus fröhlicher Gesellen Mund.
Auf dem sozialdemokratischen Parteitage in Jena sagte Bebel, es
wäre in der Jugend eine Zeit lang sein Ideal gewesen, sich einmal in
Butterbrot satt zu essen. Nun, dieses Ideal ist wohl oft genug nachher
für ihn zur Wirklichkeit geworden.
Auch der arme Singer, heißt es, hat eimual ein Ideal gehabt,
das bestand darin, sich Schweinefleisch über zu essen, ach, aber niemals
hat er dies Ideal verwirklichen können.
In Jena sagte Genosse Molkenbuhr: „Man kann jemand ruhig
einmal „Schafskopf" nennen, das schadet nichts."
Wir sind auch der Meinung, das; das unter Genossen nichts ausmacht.
Selbstverständlich müßten dann aber die Parteiführer, zu denen ja
auch Herr Molkenbuhr gehört, mit »Leithammel" tituliert werden.
Eine Reimfrage
„Ich den!' nicht dran, in, Amt mich zu verschleißen!'
Sagt Möller. Wenn er Verse leimt,
Was er wohl alles auf „verschleißen" reimt?
Doch wohl nur „heißen", „reißen" und „beschmeitzen."
Neugieriger Dichter.
Ein feierlicher Moment
Eh' in Jena die Genossen
Auseinandergingen, pflanzte
August Bebel auf die Bühne
Einen Galgen, dran als Leiche
— Heil dir. Deutschland — Kasprzak hing.
Eine kleine Übereilung
— Eilig haben's oft die Russen,
Ob sie ineistens auch bequem find —
Mag gesihehn sein bei dem Henken,
Aber reichlich hat der Edle
Solchen Galgentod verdient.
Kräftig nun den Toten schwenkte
August Bebel, daß im Bogen
Hin und her er durch den Saal flog,
Und mit voller, nur von Rührung
Ost erstickter Stimme ries er:
„Diese stumme Glocke laut' ich,
Die Gewissen zu erwecken!
Stets will ich sie wieder läuten.
Bis das stumpfe Volk der Deutschen
Ich aus seinen, Schlummer schrecke
Und zun, Kampf es führe gegen
Moskowitertyrannei!"
Tief ergriffen von den Sitzen
Hoben da sich rings die Männer,
Sahn den größten der Lebend'gen
Flott den großen Toten schwenken.
Und nun soll noch einer sagen,
Daß die wackeren Genossen
Nicht der deutschen Ehre beste
Schirmer und Vertreter sind.
In Portugal blüht, wie die Zeitungen berichten, das Glücksspiel.
Unser Lijsaboncr Korrespondent bestätigt uns das und fügt hinzu, es
gehe soweit, daß Portugal bereits „Das Oldenburg des Südens"
genannt werde. __
Den Abstinenten unter den Sozialdemokraten gelang es auch dies-
mal nicht, die Alkoholsrage aus die Tagesordnung des Parteitages
zu bringen.
„An, Ende war es doch gut so", hörten wir einen Genossen sagen.
„Der Alkohol ist zwar eine Erfindung des Teufels, aber jertig werden
wir doch nicht mit den, Bürgerpack, wenn wir nicht den alten Korn
auf unserer Seite haben."
Eine neue Hofunisorm
Für Dymnasialprofesjoren
In Mecklenburg ward sie erdacht —
Es fehlen dran nur die Sporen —
In nie gesehener Pracht.
Von Gold blitzt Ärmel und Kragen,
Und Gold, wohin ich seh',
Doch wie sieht's aus im Magen
Und wie in, Portemonnaie?
Gott sei Dank! Wie es scheint, beginnt es am guten Fleisch für
das Militär zu fehlen. So ist doch endlich von einem Minister, von
Einem wenigstens, Hilfe zu erwarten.
Die Leitung der Milchzentrale hatte behauptet, die Meierei Bolle
zahle an sie 13 '/r Pf. für den Liter Milch, und bestritten, daß sie nur
12 Pf. zahle. Jetzt ergibt der dein Gericht vorgelegte schriftliche
Vertrag, daß Volle 13 ^ Pf. zahlt, aber für jeden Liter Wi Pl-
Provision erhält.
Tie Leitung der Milchzentrale ist also glänzend gerechtfertigt; sie
hat, wie immer, die volle, reine und ganze Wahrheit gesprochen — nur
i daß an dieser Wahrheit einige Prozente abzuziehen sind.