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Zur Beteiligung der Frauen an der Neichstagswahl.
Schwestern, Mitfrauenrechtlerinnen! Noch sind wir
nicht so weit, das; das sogenannte zarte, in der Tat aber
das starke Geschlecht im Reichstag sitzt. Wären wir schon
dahin gekommen, es sähe ganz anders und weit besser, als
es jetzt der Fall ist, in Deutschland aus.
Hoffen wir, das; in nicht langer Zeit die Frauen als
die „Partei der Vernünftigen" im Reichstag sitzen und in
ihm die Majorität bilden werden. Solange wir aber das
noch nicht erreicht haben, wollen wir wenigstens bei den
Reichstagswahlen unfern Einfluß geltend machen, jo sehr
wir vermögen. Und wir können ein bedeutendes Gewicht
in die Wagschale werfen, wenn wir es nur richtig anfangen.
Das Weib kann viel erreichen, wenn es will. Ich er-
innere an Salome, die Johannes des Täufers Haupt auf
die Schüssel brachte, an Rosa Luxemburg, die Stadt-
hagen und Singer untergekriegt und sich zur Be-
herrscherin der gesamten deutschen Sozialdemokratie empor-
geschwungen hat.
Auch jetzt bei den Neichstagswahlen kann das Weib
viel erreichen, wenn es sich ordentlich Mühe gibt. Groß-
mutter und Mutter können durch die Kraft der Überredung
viel erwirken, die Schwiegermutter schon durch die Drohung:
„Entweder du fügst dich, oder ich komme auf Logierbesuch!"
Die Tochter kann viel zu Wege bringen, wenn sie für die
Wahl einen Kandidaten empfiehlt, auf den sie sich Aus-
sichten macht, und außerdem verspricht, das Klavierspielen
aufzugeben. Wer kann den Enkeltächterchen widerstehen,
wenn sie den Großpapa streichelnd mit ihren zarten
Sümmchen bitten: „Wähle den und den, oder wir wollen
nichts mehr mit dir zu tun haben."
Und was kann die Frau nicht alles bewirken durch Er-
mahnungen und Bitten, durch Drohungen mit Entziehung
des Hausschlüssels, durch Versprechen von Leibgerichten und
Vorführung solcher auf der Tafel. Und erst die Liebende
— hat sie nicht den Geliebten ganz in der Hand, muß er
nicht den wählen, den sie ihm empfiehlt, wenn er sie auch
nur ein bißchen lieb hat? Wird er zaudern, ihrem Rat
zu folgen, wenn sie ihm erklärt: „Wählst du anders, so
wähle ich mir auch einen andern." Und welchen Einfluß
auf den Wähler kann eine Tante — ich meine nicht die
Tante Voß — haben und eine Kusine — es braucht ja
nicht gerade eine Puttkamerkusine zu sein.
Soll ich noch sagen, was wir Frauen als Dichterinnen
und Varfußtänzerinnen in bezug auf die Gewinnung männ-
licher Seelen ausrichten können? Nein, ihr wißt es von
selbst schon. Stricken ist weibliche Arbeit, und durch Be-
stricken unterwerfen wir uns die Männer.
Treten wir denn mutig in den Reichstagswahlkampf
ein. Näheres beim nächsten Kaffee.
Amanda Buttervogel.
fln Bernhard
er zu vielen will gefallen,
Der verdirbt es leicht mit allen.
Bernhard, ach, es schien mir kaff,
Oah auf dich dies Sprüchlein paßt.
Aber nein, du wirffs nicht halten
ITIit der Reaktion, der alten,
Die schon Bismarck fortgehn hieß
Und aus feinem Haufe wies.
Lsafj fie heulen. Iah fie fchrein,
Du wirft nicht ihr Diener fein.
Caruso ist vom Appellationsgericht in New York
endgiltig verurteilt worden. Hoffentlich nimmt er sich jetzt
etwas mehr vor der Pflanze Noli tangere in acht.
Ein Verbrechen gegen die Sittlichkeit!
Die Vorkämpferinnen der Frauenbewegung in London,
die Suffragettes, sind wieder einmal in das Parlamentshaus
eingedrungen und haben sich wieder nur mit Gewalt aus
ihm verdrängen lassen. Die Polizeimannschaften haben
schon bei früheren Gelegenheiten die geheiligten Leiber der
Huldinnen durch ihre eklen Fäuste entweiht; aber das alles
bleibt weit, weit hinter der barbarischen Roheit zurück, die
sie diesmal bewiesen haben. Die Feder sträubt sich nieder-
zuschreiben. was diese vertierten Horden Frauen gegenüber
gewagt haben; sie haben alle Gebote der Scham und
Sittlichkeit mit Füßen getreten; ein Muttermord ist das
unschuldige Lächeln eines reinen Engels gegen ihre Un-
taten. Die Bluthunde — ach, daß ich meine Feder in eine
Düngergrube statt in ein Tintenfaß tauchen könnte, um das
Folgende niederzuschreiben! — sie haben keine einzige
von den Suffragettes verhaftet! O diese gemeinen
Schufte, die armen Suffragettes so um ihr Märtyrertum
zu bringen!
Indem der Franzose Charles Andre, nicht zu ver-
wechseln mit dem Kriegsminister a. D. Andre, welcher
nicht derselbe ist, sondern der andre, den Vorschlag macht,
die lateinische Sprache zur internationalen Verkehrssprache
zu entwickeln, und er will alle Unregelmäßigkeiten in der
Deklination und Konjugation abschaffen, und das erste ist
allerdings Unsinn, wo uns das Lateinische schon auf der
Schule soviel Kopfschmerzen macht, und wir sollen es dann
noch im Leben sprechen, nein nimmermehr,, hingegen däs
zweite: Bravo, denn alle Unregelmäßigkeiten sollten abge-
schafft werden, sowohl im Lateinischen als auch im Griechischen,
als auch im Französischen; nur keine unregelmäßigen Verba,
wegen denen ich immer sitzen geblieben bin.
Karlchen Mießnick
Quarta Coetus B.
Sollte Ballestrem, wie es fast scheint, als Reichstags-
glöckner seinen Abschied nehmen, so braucht er sich wegen
seines Nachfolgers keinerlei Sorgen zu machen. Singer
ist bereits auf alles eingerichtet und zu allem bereit. Er
will sogar an Hoffestlichkeiten teilnehmen und bei solchen
Gelegenheiten eine Art Kürassieruniform anlegen, die ihm
sicherlich außerordentlich gut stehen wird.
Zur Beteiligung der Frauen an der Neichstagswahl.
Schwestern, Mitfrauenrechtlerinnen! Noch sind wir
nicht so weit, das; das sogenannte zarte, in der Tat aber
das starke Geschlecht im Reichstag sitzt. Wären wir schon
dahin gekommen, es sähe ganz anders und weit besser, als
es jetzt der Fall ist, in Deutschland aus.
Hoffen wir, das; in nicht langer Zeit die Frauen als
die „Partei der Vernünftigen" im Reichstag sitzen und in
ihm die Majorität bilden werden. Solange wir aber das
noch nicht erreicht haben, wollen wir wenigstens bei den
Reichstagswahlen unfern Einfluß geltend machen, jo sehr
wir vermögen. Und wir können ein bedeutendes Gewicht
in die Wagschale werfen, wenn wir es nur richtig anfangen.
Das Weib kann viel erreichen, wenn es will. Ich er-
innere an Salome, die Johannes des Täufers Haupt auf
die Schüssel brachte, an Rosa Luxemburg, die Stadt-
hagen und Singer untergekriegt und sich zur Be-
herrscherin der gesamten deutschen Sozialdemokratie empor-
geschwungen hat.
Auch jetzt bei den Neichstagswahlen kann das Weib
viel erreichen, wenn es sich ordentlich Mühe gibt. Groß-
mutter und Mutter können durch die Kraft der Überredung
viel erwirken, die Schwiegermutter schon durch die Drohung:
„Entweder du fügst dich, oder ich komme auf Logierbesuch!"
Die Tochter kann viel zu Wege bringen, wenn sie für die
Wahl einen Kandidaten empfiehlt, auf den sie sich Aus-
sichten macht, und außerdem verspricht, das Klavierspielen
aufzugeben. Wer kann den Enkeltächterchen widerstehen,
wenn sie den Großpapa streichelnd mit ihren zarten
Sümmchen bitten: „Wähle den und den, oder wir wollen
nichts mehr mit dir zu tun haben."
Und was kann die Frau nicht alles bewirken durch Er-
mahnungen und Bitten, durch Drohungen mit Entziehung
des Hausschlüssels, durch Versprechen von Leibgerichten und
Vorführung solcher auf der Tafel. Und erst die Liebende
— hat sie nicht den Geliebten ganz in der Hand, muß er
nicht den wählen, den sie ihm empfiehlt, wenn er sie auch
nur ein bißchen lieb hat? Wird er zaudern, ihrem Rat
zu folgen, wenn sie ihm erklärt: „Wählst du anders, so
wähle ich mir auch einen andern." Und welchen Einfluß
auf den Wähler kann eine Tante — ich meine nicht die
Tante Voß — haben und eine Kusine — es braucht ja
nicht gerade eine Puttkamerkusine zu sein.
Soll ich noch sagen, was wir Frauen als Dichterinnen
und Varfußtänzerinnen in bezug auf die Gewinnung männ-
licher Seelen ausrichten können? Nein, ihr wißt es von
selbst schon. Stricken ist weibliche Arbeit, und durch Be-
stricken unterwerfen wir uns die Männer.
Treten wir denn mutig in den Reichstagswahlkampf
ein. Näheres beim nächsten Kaffee.
Amanda Buttervogel.
fln Bernhard
er zu vielen will gefallen,
Der verdirbt es leicht mit allen.
Bernhard, ach, es schien mir kaff,
Oah auf dich dies Sprüchlein paßt.
Aber nein, du wirffs nicht halten
ITIit der Reaktion, der alten,
Die schon Bismarck fortgehn hieß
Und aus feinem Haufe wies.
Lsafj fie heulen. Iah fie fchrein,
Du wirft nicht ihr Diener fein.
Caruso ist vom Appellationsgericht in New York
endgiltig verurteilt worden. Hoffentlich nimmt er sich jetzt
etwas mehr vor der Pflanze Noli tangere in acht.
Ein Verbrechen gegen die Sittlichkeit!
Die Vorkämpferinnen der Frauenbewegung in London,
die Suffragettes, sind wieder einmal in das Parlamentshaus
eingedrungen und haben sich wieder nur mit Gewalt aus
ihm verdrängen lassen. Die Polizeimannschaften haben
schon bei früheren Gelegenheiten die geheiligten Leiber der
Huldinnen durch ihre eklen Fäuste entweiht; aber das alles
bleibt weit, weit hinter der barbarischen Roheit zurück, die
sie diesmal bewiesen haben. Die Feder sträubt sich nieder-
zuschreiben. was diese vertierten Horden Frauen gegenüber
gewagt haben; sie haben alle Gebote der Scham und
Sittlichkeit mit Füßen getreten; ein Muttermord ist das
unschuldige Lächeln eines reinen Engels gegen ihre Un-
taten. Die Bluthunde — ach, daß ich meine Feder in eine
Düngergrube statt in ein Tintenfaß tauchen könnte, um das
Folgende niederzuschreiben! — sie haben keine einzige
von den Suffragettes verhaftet! O diese gemeinen
Schufte, die armen Suffragettes so um ihr Märtyrertum
zu bringen!
Indem der Franzose Charles Andre, nicht zu ver-
wechseln mit dem Kriegsminister a. D. Andre, welcher
nicht derselbe ist, sondern der andre, den Vorschlag macht,
die lateinische Sprache zur internationalen Verkehrssprache
zu entwickeln, und er will alle Unregelmäßigkeiten in der
Deklination und Konjugation abschaffen, und das erste ist
allerdings Unsinn, wo uns das Lateinische schon auf der
Schule soviel Kopfschmerzen macht, und wir sollen es dann
noch im Leben sprechen, nein nimmermehr,, hingegen däs
zweite: Bravo, denn alle Unregelmäßigkeiten sollten abge-
schafft werden, sowohl im Lateinischen als auch im Griechischen,
als auch im Französischen; nur keine unregelmäßigen Verba,
wegen denen ich immer sitzen geblieben bin.
Karlchen Mießnick
Quarta Coetus B.
Sollte Ballestrem, wie es fast scheint, als Reichstags-
glöckner seinen Abschied nehmen, so braucht er sich wegen
seines Nachfolgers keinerlei Sorgen zu machen. Singer
ist bereits auf alles eingerichtet und zu allem bereit. Er
will sogar an Hoffestlichkeiten teilnehmen und bei solchen
Gelegenheiten eine Art Kürassieruniform anlegen, die ihm
sicherlich außerordentlich gut stehen wird.