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Epistel aus der Sommerfrische an einen §reund
Kalt ist es hier. Es bläst ein scharfer wind,
Unb Regen, Regen, Regen rauscht hernieder.
Rllein was tut’s? Das TTleer ist dennoch schön.
Ja, es ist schön. Uom Stucmwinb aufgepeitscht
Wirft donnernd es die Wogen an den Stranö,
Unb hochauf spritzen Gischt und weißer Schaum
flm „Spill“ der weit hinausgebauten Mole.
Der Seetang, der, wie schon in alter Zeit,
Rn ihrem Fuß gelagert, „duftet" stark,
Und wer vorbeigeht, schimpft uon Herzen wohl,
Wie bas in meiner Kindheit schon geschah —
Allein was tut's! Das TTleer ist dennoch schön.
Wo aber sind — so frag' ich mich enttäuscht —
Wo sind die Krabbenfraun, die jeden Morgen
Dereinst dies köstliche Getier des Meers
In diesem Ort uon Haus zu Hause trugen?
Sie sind verschwunden, wie es scheint, versunken
Ins TTleer des Nichts, noch keine sah ich hier.
Ruch fische gibt es leider nicht mehc viel,
So scheint es, hiec; geangelt wenigstens
Hab’ mit Geduld und heißer Müh' ich schon,
Uon Fischen aber sah bisher ich nichts.
Halt! Einen sah ich kürzlich doch, inbeß
Ich von den anderen, Halen, Hechten, ßacschen,
Von Plötzen selbst und Schollen nur gehört.
Allein, der eine schien zum Angeln mir
Nicht recht geeignet. Schwarz von Zeit zu Zeit
Der grünen Flut entstieg die Rückenflosse,
Aufschoß er munter aus der weiten Fläche
Jenseits der Mole, wo es stiller war,
Und war verschwunden, plötzlich, wie er kam.
Dann taucht’ er wieder auf und noch einmal,
Das Volk belustigend, das auf der Mole
Und auf dem Spill zusammen sich geschart.
Erst glaubt' ich — denn dem Mann der Feder liegt
Doch der Gedanke allzu nah — es sei
Mir endlich auch einmal das Glück beschieben,
Zu schaun im Meereswasser, die ich sonst
Im wässecigen Zeitungsmeer nur sah,
Die heil’ge Seeschlang'. Doch es war ein Traum!
Als „Tümmler“ nur entpuppte sich das Tier.
Und Regen strömt und Regen strömt herab.
Allein das Meer ist schön! Und Dinge gibt es,
Die vieles Ungemach vergessen machen.
Vernimm: Ich sprach zu meinem Söhnchen jüngst
— Du kennst es ja, sechs Jahre zählt es jetzt —
Vom nahen Sedanfest. „Wie?“ sprach mein Hans,
„Wie, Vater? Warum feiern sie denn das?
Dies Zeug, das gar so schrecklich stinkt?“ — verzeih,
IUein lieber Freund, dem Rind das harte Wort.
„Es stinkt?" erwidert' ich, o nein doch, nein,
„Es riecht nicht gut!" so sagte ich natürlich,
„Was meinst du denn?" da sagte mir der Junge:
„Na ja, du sprachst doch von dem Seetangfest'"
Und weiter höre: In der „Börse“ jüngst
— Du kennst sie wohl und bist dort gern zu Gast,
So oft Du hier bist, ist’s doch ein Lokal,
In dem nicht spe-, nein pokuliert nur wird —
In dieser „Börse", denk' Dir, lieber Freund,
Fand ich Dein Bildnis, zierlich eingerahmt;
Dort grüßten von der Wand mich Deine Züge:
Und lächelnd schienen sie zu sprechen: Prost!
Das war das Zweite, was mich sehr erfreute.
Und nun ein Drittes, hör’ es und vernimm es
Ein Wort nur nenn' ich Dir — fast zögernd tu ich's,
Denn, ach, ich fürchte, daß in Deiner Seele,
Die sonst so frei von Neid, ein wenig doch
Von diesem greulichen Gefühl sich regt,
Wenn dieses Wort vom Meeresstrande nun
An Deine Ohren klingt. Zu gut nur weiß ich,
Wie Deine Sehnsucht es erweckt, Du hast
Es selbst so herrlich und so schön besungen,
Daß mir des Liebes Klang hier fort und fort
Im Ohre liegt — ich nenn’ das Wort Dir „Spickaal!“
Und nun, mit diesem stärksten meiner Trümpfe
Schließ' ich und sage dieses noch zum Schluß:
Was kann selbst vieles kleine Ärgernis
Ausrichten gegen Meeresschönheit wohl
Und Freundesantlitz, Kindermund und Spickaal!
fln Wellmann
Schon hört ein wild Sebell man:
Nicht langer an dich [feil, Mann,
Nein, mache endlich fdinell man,
0 Wellmann!
Der Wannsee ein von HunderLtausenden besuchtes
Freibad?
Sehr schlimm! Wer wird jetzt noch nach Norderney gehen?
Selbst sehr wohlhabende und hochgestellte Persönlichkeiten
werden es vorziehen, schon der Bequemlichkeit halber, in
Berlin zu bleiben.
Born polnisch-deutschen Kriegsschauplatz wird folgender
seltsamer Vorfall gemeldet:
Ein Quartaner, Sohn eines Nationalpolen, wurde
relegiert, weil er bei Gelegenheit eines Schulausfluges
während eines auf den Deutschen Kaiser ausgebrachten
Hochs sitzen geblieben war und das Lied „Ich bin ein
Preuße" ins Polnische übersetzt hatte. Hat die deutsche
Schulverwaltung hier nicht etwas rigoros gehandelt? Das
prophylaktisdie Verfahren würde bei dem kleinen Polacken
sicher gute Früchte gezeitigt haben: wir meinen die jedes-
malige Verabreichung einer nicht zu kleinen Dosis Prügel,
die regelmäßig vor dem Kaiserhoch auf den Allerwertesten
appliziert werden müßten. Ein Sitzenbleiben wäre bei
sachgemäßer Ausführung total ausgeschlossen! Was der
Bengel später singt, ist ja im Grunde ziemlich gleichgiltig.
Epistel aus der Sommerfrische an einen §reund
Kalt ist es hier. Es bläst ein scharfer wind,
Unb Regen, Regen, Regen rauscht hernieder.
Rllein was tut’s? Das TTleer ist dennoch schön.
Ja, es ist schön. Uom Stucmwinb aufgepeitscht
Wirft donnernd es die Wogen an den Stranö,
Unb hochauf spritzen Gischt und weißer Schaum
flm „Spill“ der weit hinausgebauten Mole.
Der Seetang, der, wie schon in alter Zeit,
Rn ihrem Fuß gelagert, „duftet" stark,
Und wer vorbeigeht, schimpft uon Herzen wohl,
Wie bas in meiner Kindheit schon geschah —
Allein was tut's! Das TTleer ist dennoch schön.
Wo aber sind — so frag' ich mich enttäuscht —
Wo sind die Krabbenfraun, die jeden Morgen
Dereinst dies köstliche Getier des Meers
In diesem Ort uon Haus zu Hause trugen?
Sie sind verschwunden, wie es scheint, versunken
Ins TTleer des Nichts, noch keine sah ich hier.
Ruch fische gibt es leider nicht mehc viel,
So scheint es, hiec; geangelt wenigstens
Hab’ mit Geduld und heißer Müh' ich schon,
Uon Fischen aber sah bisher ich nichts.
Halt! Einen sah ich kürzlich doch, inbeß
Ich von den anderen, Halen, Hechten, ßacschen,
Von Plötzen selbst und Schollen nur gehört.
Allein, der eine schien zum Angeln mir
Nicht recht geeignet. Schwarz von Zeit zu Zeit
Der grünen Flut entstieg die Rückenflosse,
Aufschoß er munter aus der weiten Fläche
Jenseits der Mole, wo es stiller war,
Und war verschwunden, plötzlich, wie er kam.
Dann taucht’ er wieder auf und noch einmal,
Das Volk belustigend, das auf der Mole
Und auf dem Spill zusammen sich geschart.
Erst glaubt' ich — denn dem Mann der Feder liegt
Doch der Gedanke allzu nah — es sei
Mir endlich auch einmal das Glück beschieben,
Zu schaun im Meereswasser, die ich sonst
Im wässecigen Zeitungsmeer nur sah,
Die heil’ge Seeschlang'. Doch es war ein Traum!
Als „Tümmler“ nur entpuppte sich das Tier.
Und Regen strömt und Regen strömt herab.
Allein das Meer ist schön! Und Dinge gibt es,
Die vieles Ungemach vergessen machen.
Vernimm: Ich sprach zu meinem Söhnchen jüngst
— Du kennst es ja, sechs Jahre zählt es jetzt —
Vom nahen Sedanfest. „Wie?“ sprach mein Hans,
„Wie, Vater? Warum feiern sie denn das?
Dies Zeug, das gar so schrecklich stinkt?“ — verzeih,
IUein lieber Freund, dem Rind das harte Wort.
„Es stinkt?" erwidert' ich, o nein doch, nein,
„Es riecht nicht gut!" so sagte ich natürlich,
„Was meinst du denn?" da sagte mir der Junge:
„Na ja, du sprachst doch von dem Seetangfest'"
Und weiter höre: In der „Börse“ jüngst
— Du kennst sie wohl und bist dort gern zu Gast,
So oft Du hier bist, ist’s doch ein Lokal,
In dem nicht spe-, nein pokuliert nur wird —
In dieser „Börse", denk' Dir, lieber Freund,
Fand ich Dein Bildnis, zierlich eingerahmt;
Dort grüßten von der Wand mich Deine Züge:
Und lächelnd schienen sie zu sprechen: Prost!
Das war das Zweite, was mich sehr erfreute.
Und nun ein Drittes, hör’ es und vernimm es
Ein Wort nur nenn' ich Dir — fast zögernd tu ich's,
Denn, ach, ich fürchte, daß in Deiner Seele,
Die sonst so frei von Neid, ein wenig doch
Von diesem greulichen Gefühl sich regt,
Wenn dieses Wort vom Meeresstrande nun
An Deine Ohren klingt. Zu gut nur weiß ich,
Wie Deine Sehnsucht es erweckt, Du hast
Es selbst so herrlich und so schön besungen,
Daß mir des Liebes Klang hier fort und fort
Im Ohre liegt — ich nenn’ das Wort Dir „Spickaal!“
Und nun, mit diesem stärksten meiner Trümpfe
Schließ' ich und sage dieses noch zum Schluß:
Was kann selbst vieles kleine Ärgernis
Ausrichten gegen Meeresschönheit wohl
Und Freundesantlitz, Kindermund und Spickaal!
fln Wellmann
Schon hört ein wild Sebell man:
Nicht langer an dich [feil, Mann,
Nein, mache endlich fdinell man,
0 Wellmann!
Der Wannsee ein von HunderLtausenden besuchtes
Freibad?
Sehr schlimm! Wer wird jetzt noch nach Norderney gehen?
Selbst sehr wohlhabende und hochgestellte Persönlichkeiten
werden es vorziehen, schon der Bequemlichkeit halber, in
Berlin zu bleiben.
Born polnisch-deutschen Kriegsschauplatz wird folgender
seltsamer Vorfall gemeldet:
Ein Quartaner, Sohn eines Nationalpolen, wurde
relegiert, weil er bei Gelegenheit eines Schulausfluges
während eines auf den Deutschen Kaiser ausgebrachten
Hochs sitzen geblieben war und das Lied „Ich bin ein
Preuße" ins Polnische übersetzt hatte. Hat die deutsche
Schulverwaltung hier nicht etwas rigoros gehandelt? Das
prophylaktisdie Verfahren würde bei dem kleinen Polacken
sicher gute Früchte gezeitigt haben: wir meinen die jedes-
malige Verabreichung einer nicht zu kleinen Dosis Prügel,
die regelmäßig vor dem Kaiserhoch auf den Allerwertesten
appliziert werden müßten. Ein Sitzenbleiben wäre bei
sachgemäßer Ausführung total ausgeschlossen! Was der
Bengel später singt, ist ja im Grunde ziemlich gleichgiltig.