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In Deutschland werden oft Klagen darüber laut, daß
militärische und andere staatliche Organisationen, wie
Militärkapellen, die Arbeitsstätten der Gefängnisse usw
den Zwilmusikern und Handwerkern Konkurrenz machen,
obwohl der Staat für sie einen großen Teil der Geschäfts-
kosten trage. Eine ähnliche Klage über unlauter» Wett-
bewerb kommt jetzt aus Moskau. Dort hat die Kriminal-
polizei sich an zahlreichen Raubanfällen beteiligt. Die
selbständigen Räuber müssen alle Geschäftskosten selbst
tragen, während die Geschäftskosten der Kriminalpolizei
voin Staate getragen werden. Infolgedessen verdient die
Kriminalpolizei an ihren Raubanfällen viel mehr als die
selbständigen Räuber und kann sich deshalb mit einer ge-
ringeren Beute begnügen als diese. Die letzteren beschweren
sich deshalb mit Recht über die unlautere Konkurrenz der
Staatsbeamten.

Die Friedenskonferenz

2eht doch am £nd'! Sie muh gekehrt,

Die Zeit war ihr nicht knapp gemeffen.
man dachte schon, fie häff es ganz vergelten,
Dah alles mal muh auseinandergehn.

Der Schullehrer I. C. Nicol aus Willesden hat es
herausgekriegt: Der Graf von Southampton, Shake-
speares Gönner, hat dessen Dramen geschrieben; dieser
durck)triebene Graf hat seine Fälschung so geschickt gemacht,
dah jedermann die Dramen für echte Werke Shakespeares
hielt. Er war, wie neuere Forschungen ergeben haben,
allerdings ein Meister in der Fälschung. Um nicht entdeckt
zu werden, legte er sich den falschen Namen Bacon bei,
als er die sogenannten Shakespeareschen Dramen schrieb.
Unter dem falschen Namen Bol malte er die Bilder
Rembrandts und unter dem ebenfalls falschen Namen
Fürst Manolescu verübte er zahlreiche Hoteleinbrüche..
Jetzt ist der dreiste Fälscher endlich durch Nicol, einen
entfernten Verwandten des Sherlock Holmes, ent-
larvt worden.

Um Zeichen der Gans

Hrthur an Rofa.

0 Rola, kennst du nicht mein Sehnen,
Das immer noch nicht iit gekillt?

Siehst du nicht rollen meine ürdnen,
Hörit nickt mein Seufzen, das dir gilt?
Sch denk' bei jedem 6änfeeflen:

0 könnt' ich dick vor hiebe fressen
Selbst ungebraten, ungefüllt!

Zur Hebung des Fremdenverkehrs in Berlin hat Fürst
Albert von Monaco einen Vorschlag gemacht. Er will
in Berlin und zwar im Tiergarten, der zu diesem Zweck
größtenteils abzuholzen wäre, eine Spielbank in .größtem
Maßstabe gründen. Es soll da alles noch großartiger sein
als in Monte Carlo. Er denkt an ein Dutzend Spielsäle,
in deren einem auch gepokert werden soll, an eine Selbst-
mörderei mit Konditorei verbunden, an einen Schnepfen-
garten, an einen Gummibaumpark mit künstlichen Nachtigallen
und an ein Freibad aus warmem Wasser mit Zucker, Rum
und Zitronenscheiben.

Das klingt, man kann es nicht leugnen, vielversprechend.
Es fragt sich nur, ob Albert die Konzession dafür erhält.
Da er in Hofkreisen Verbindungen hat. ist wohl kaum daran
zu zweifeln.

Die gestohlene Kirche

Ein Kirchendiebstahl eigener Art hat sich jüngst zu
Nivergrove im Staate Illinois ereignet, indem nicht, wie
gewöhnlich, die wertvollen Kirchengeräte, sondern die Kirche
selbst gestohlen wurde. Das- ist selbst im Lande der un-
begrenzten Möglichkeiten ein ungewöhnlicher Vorgang. So
beklagenswert dieser an und für sich ist, es hätte doch noch
schlimmer kommen können. Man denke, wenn die Kirche
während des Gottesdienstes eskamotiert worden wäre, wo
die ganze Gemeinde in tiefem Schlaf um den würdigen
Prediger versammelt war! Die Bestohlenen sind untröstlich,
da man bisher von den Dieben keine Spur gefunden hat.
Aber warum, fragen wir, hat man nicht sofort bei jenen
Milliardären Haussuchung abgehalten, die sich in der letzten
Zeit in die Einsamkeit zurückgezogen und dort Einsiedeleien
. gegründet haben? Es wäre doch möglich, daß einer der
Herren infolge eines Rückfalles in seine alten Gewohnheiten
es bequemer und billiger gefunden hätte, eine fremde Kirche
stehlen zu lassen, als eine eigene aufzubauen.

Ein Märtyrer seiner Überzeugung

Der zweite Vizepräsident der badischen Kammer, der
Sozialdemokrat Geck, hat die von den übrigen Mitgliedern
des Präsidiums namens der Kammer unterschriebene
Veileidsadresse anläßlich des Todes des Großherzogs nicht
mitunterschrieben. Er wird jetzt von mehreren Organen
seiner eigenen Partei deshalb angegriffen, die sein Be-
nehmen taktlos finden. Er verteidigt sich gegen diese An-
griffe damit, daß der Landtag geschloffen sei und deshalb
rechtlich ein Präsidium der Kammer nicht existiere.

Es gibt Nörgler, die diesen Grund nicht als den wahren
gelten lassen wollen; er sei nur herausgesucht und heraus-
geklügelt. um den wahren zu verbergen. Dem Abgeordneten
Geck geschieht unrecht. Freilich hat er den wahren Grund
nicht angegeben, der ihn abhielt, die Adresse zu unter-
schreiben; aber er schwieg nur aus Zartgefühl und nicht
aus Feigheit. In der Adresse war nämlich das Wort
Großherzog mit ß geschrieben; der Abgeordnete Geck ist aber
der Meinung, daß ein einfaches s genügt. Der verstorbene
Eroßherzog hat sich denn auch in seiner schlichten Weise in
der Umschrift seiner Münzen mit einem einfachen s begnügt.
Da ein Geck als ein überzeugungstreuer Mann eher den
Scheiterhaufen oder das Schafott bestiege, ja sogar sich eher
vierteilen ließe, als daß er seine Überzeugung opferte, so
unterschrieb er eben nicht.

Zur Anpöbelung Vülows

B.: Gutes Mohrchen, du bist nicht so hundsgemein!!
 
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