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Berliner Jungen

i.

Drei hatten uns den Krieg erklärt,

Da kam auch noch der Vierte;

Sie dachten nicht, wie uns das ehrt,

Sie dachten, es genierte.

Franzose, Englischmann und Ruß' —

Nun noch die Japanesen!

Na also los! Was muß, das muß!

Her mit dem Eisenbesen!

Bloß Mutter Schultzen sank der Mut,

Ihr war beinah' zum Weinen:

„Nee, Fritzeken, det seht nich jut
Mit viere iber einen!"

Doch Fritze sprach, der Füselier:

„Na wenn schon! Sonne Kunden!

Wat schadt denn det, da machen wir
Janz eenfach Iber stunden!"

II.

Bei Longwy war's, und der Tag war heiß.
Aber endlich: Jubel und Lorbeerreis!
Und einer liegt am Straßenrand
2m gelben Sand,

Schon halb im Schlaf, er kann nicht mehr.
Da kommt sein Feldwebel just daher
Und sieht — und fast erkennt er's nicht —
Blutüberströmt das junge Gesicht
Und beugt sich nieder und faßt ihn an:
„Müller! Potz Wetter! Das sitzt ja, Mann!
Backe vom Ohr bis zur Nasenspitze
Uffgerissen! Donner und Blitze!"

Der aber: „Ja, ick fiel pardauze!

Die Kugel flutschte durchs Iesicht!

Doch ham se die Berliner Schnauze
Mit een Schuß nich kaput jekriegt!"

Kein Mangel an Patronen beim Feinde

s.-b. Es verlautete, daß sowohl die Franzosen wie besonders
die Russen so fabelhaft viel Munition vergeuden, daß man
glaubt, es könne bei ihnen vorzeitiger Mangel an Patronen
eintreten. Wir halten diese Befürchtung für unbegründet,
solange der Feind sich noch im Besitz von Dum-Dum-Patronen
wie Poincare, Delcasse und den russischen Großfürsten be-
findet. Allerdings wird kaum ein anständiger Mensch mit
solchen Patronen etwas zu tun haben wollen.

Zeitgemäße Romanphrasen

Edgar sprang auf. Seine Augen funkelten, wie die
Lanzen bengalischer Reiter auf den Straßen Berlins. „Du
verrätst mich, Melitta!" schrie er, und seine Blicke sprühten
Dum-Dum-Eeschosse. „Japanische Treue hast du mir ge-
schworen!" — „Jap .... jap . . . .", ächzte Melitta in
japanischem Schrecken. Vernichtet, wie ein russisches Armee-
korps, sank sie in den Sessel zurück; in ihren Ohren brummten
die 42-Zentimeterkanonen, und vor ihren Augen wurde es
schwarz, als zögen dunkelhäutige Eurkhas in Scharen an
ihr vorüber. Aber plötzlich raffte sie sich auf. „Es ist ja
alles Lüge!" rief sie, „greyliche Lüge, made in England,
kitchenerscher Bluff! Hast du das noch immer nicht ge-
merkt?" — Edgar stutzte, als wäre er auf ein Sperrfort
gestoßen. „Reitet mich der Reuter?" fragte er sich
zweifelnd. Und Melitta fuhr fort in ihrem Communique,
aber ihre Stimme klang fest und stark wie eine Wahrheit
von Stein. Edgar fühlte, wie feine überreizte Offensive
in sich zusammenbrach, wie der Boden unter ihm gleich
einem masurischen Sumpf. Und er warf die Hände hoch
und gab sich gefangen. Noch ein inniger Blick der Geliebten
— und alle seine Sorgen hatten einen strategischen Rückzug
nach Art des Generals French angetreten. In die Arme
sanken sich beide — da gab es keine Delcasseschen Friedens-
bedingungen mehr! Hoch über ihnen aber schwebte eine
Rumplertaube und warf Segenswünsche auf das glückliche
Paar herab. _

e. k. In einem englischen „Faust" fand ich kürzlich folgendes
Wort des Mephistopheles: „Obeg, dearest friend!“ Nun
ist mir alles klar. _ Ein Goetheforscher.

Die öffentliche Meinung

u. Wie hoch man die Presse in England schätzt, beweist
ein Inserat im „Daily Telegraph", in dem sechs Maschinen-
gewehre für ein neu zu errichtendes Bataillon gesucht
werden. Bei uns kommt so etwas nicht vor, weil die öffent-
liche Meinung nicht hoch genug bewertet wird. In Groß-
britannien ist dies ganz anders. In dem Anzeigenteil eng-
lischer Blätter lesen wir:

Ein Schlachtplan, neu oder wenig gebraucht, wird mög-
lichst billig zu kaufen gesucht. Sieg-Garantie auf zwei Jahre
beansprucht. Offerten erbittet- das Kriegsamt in London.

Schmieresteher für den Diebstahl von türkischen und
chilenischen Schlachtschiffen gegen Provision gesucht. Offerten
mit Eehaltsansprüchen an den Ersten Lord der Admiralität
in London. Der Zuschlag erfolgt an den Mindestfordernden.

Zum sofortigen Antritt gesucht ein wahrhaft großer
Feldherr. Herren, die in dieser Branche bereits konditioniert
haben, wollen Bewerbungen unter Beifügung einer Photo-
graphie und der Zeugnisse über gewonnene Schlachten an
Kitchener, London, einsenden.

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Das ist der Doktor Hindenburg,

Ihr kennt ja seinen Namen.

Er fiel bis heut noch niemals durch
In einem Staatsexamen.

Er liest jedwedem gleich den Text
Ganz ohne nur zu stocken
Und weiß den Gegner, wie behext,
Schnell in den Sumpf zu locken.

Ja, wer ihm gegenüber steht,

Der geht gar schnell kapores.

Herr Hindenburg lehrt früh und spät
Den kecken Gegner Mores.

Als Sittenprediger, achherrje,

Ist er qualifizieret,

Zum Ooctor tbeologiae
Ward drum er promovieret.

Der Iiinfbund

Gar plötzlich kam des Feindes Sturz,
Noch eh' sich der bedachte,

Ja, der Prozeß war wirklich kurz,
Den er mit jenem machte.

Auch im Kanonenrecht gelahrt
Ist dieser Held, der echte.

Aus diesen beiden Gründen ward
Er Doktor beider Rechte.

Es weiß auch dieser Hindenburg,

Die Klinge wohl zu führen.

Er ist ein tüchtiger Chirurg,
Versteht zu operieren.

Dem Hindenburg ist wohl bekannt
Auch der Gebrauch der Schiene.
Drum wurde er mit Recht ernannt
Zum Ooctor medicinae.

Er machte viel dem Russen klar.
Ja, es ist keine Ente:

A posteriori ganz und gar
Sind feine Argumente.

Und weil der salva venia
Der Russen dies noch spüret,

Ward auch in philosophia
Der Recke doktorieret.

Und weil er technisch manches Ding
Gedreht mit kluger Hand sich,

So wurde er auch Dr. ing.,

Und noch^dazu von Danzig. —

Viel schöner als der Doktorhut
Ist jetzt doch, wie ich glaube,

In dieser Zeit voll Blut und Mut
Die Doktorpickelhaube. m. fr.
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