„Mit zehn Frank wöchentlich komm' ich
nicht mehr aus. Du mutzt mindestens
dreizehn spendieren, alter Knickstiebel!"
zeterte Madame.
Monsieur Soupe-Potage, der cs im Laufe
eines arbeitsamen Lebens zu vierhundert
Frank Rente jährlich und einem Kanin-
chenstall gebracht hatte, legte lächelnd sein
Leibblatt, den „Petit Parisien", beiseite.
„Sieh hier, Georgette!" sagte er fröhlich
zur Gemahlin. „Poincarö hat cs wieder-
holt: der Boche zahlt alles! Sobald die
ersten hundert Goldmilliardcn von Deutsch-
land eingegangen sind, findet eine beträcht-
liche Senkung der Waren- und Lebens-
mittclprclse statt. Bis dahin halte tapfer
durch, geliebtes Weib!"
„Durchhaltcn! Tu hast gut klug reden!"
zischte sie. „Weißt du, daß der Kohlkopf
jetzt vierzig Centimes kostet, statt, wie
früher, zehn, du Kohlkopf'? Daß ich für
den nächsten Sonntag kein Stück Fleisch
besorgen kann, weil das Wirtschaftsgeld,
das du schmieriger Knauser mühsam
hcrausrückst, immer bloß knapp bis Mitt-
wochmorgcn reicht?"
Monsieur winkte überlegen ab. „Auf
Poincarö dürfen wir vertrauen. Er ist der
erste und deshalb auch der wahrheits-
liebendste Staatsmann der Welt. Sein
Leichnam gehört ins Panthöon. Sei ge-
wiß, spätestens in einer Woche haben die
Boches alles bezahlt. Poincarö läßt sie
nicht mehr aus den Fingern. Und darum,
Geliebte, schlachte für den Sonntags-
schmaus getrost unser letztes Karnickel,
sorge für eine gute Flasche und einen extra
starken Kaffee nach dem Diner! Hinterher
nehmen wir uns einen Wagen und fahren
ins Bois, wobei du dein neues Gelb-
seidenes anziehst, das ich dir spätestens am
Freitag kaufen werde." Er entzündete um-
ständlich ein Regiestreichholz und holte die
eine von den versteckten Zigarren aus dem
Schubkasten. „Der Boche zahlt alles!"
Wer zahlt alles;
Es war ihm peinlich, gerade jetzt seinen
alten Freund Pigeon-Jambon ins Haus
treten zu sehen, weil dieses schäbige Subjekt
regelmäßig Zigarren zu schnorren versuchte.
Rasch verbarg er das brennende Kraut in
der Schublade.
„Was blickst du so finster drein,
Aristide?" fragte er mit gemachter Un-
befangenheit.
Aristide Pigeon-Jambon schnüffelte.
„Ekelhaft, daß cs bei dir immer nach an-
gebrannten Kuhfladen riecht!" ärgerte sich
der Besuch. „Aber, was ich sagen wollte —
eben lese ich im „Matin", daß unsere
Staatsschulden rund 400 Milliarden
Franken überschreiten."
„Der Boche —," unterbrach ihn Soupe-
Potage.
„Hat sich was' mit dem Boche!" lachte
Pigeon-Jambon brutal, „dem geht es ge-
nau so dreckig wie uns."
„Du bist ein Vaterlandsverräter!" tadelte
der Gastfreund, und suchte Aristide unauf-
fällig von der Schublade fortzudrängen.
„Für alle unsere Staatsschulden, sagt
Poincarö, muß der Boche geradestehen."
„Und während er geradesteht, werden
wir vor Hunger krumm," höhnte Aristide.
„Ein englisches Pfund kostet heute an der
Börse bereits 100 Franken."
„Sünde und Schande ist es, daß du hei
der Teuerung noch rauchst!" konnte sich
Madame nicht enthalten, dem Gatten giftig
zuzurufen.
Brutus Soupe-Potage biß sich auf die
Lippen. „Niemals wird Poincarö zu-
geben, daß sein schönes Frankreich verarmt.
Der Boche zahlt alles. Er muß alles
zahlen, schon damit unser Poincarö ruhigen
Herzens vor die Wähler treten kann. Einer
muß doch alles zahlen, das Budget-Defizit,
die Staatsschulden —"
„Ja, einer muß alles zahlen!" knurrte
Aristide. „Man weiß auch schon, wer. Da,
Die deutschen Schlemmer in der Schweiz
(Ein Lied, beim Schampus zu singen.)
Wir schwelgen und schlemmen und prassen!
— Was tut's auch, wenn Deutschland
verreckt?! —
Wir saufen vergnügt und gelassen
Aus Gläsern und Schalen und Tassen,
Was immer die Bäuche nur fassen,
Was immer dem Gaumen nur schmeckt:
Meist Sekt!
Wir wüsten in Küche und Keller!
— Wer fragt, was am Rheine geschieht?! —
Wir fressen von silbernem Teller
Und zahlen als noble Besteller
Mit Schecks die paar lumpigen Heller,
Denn überall bringt der Profit
Wir waten in Schlagrahm und Torten!
-Was schiert's uns, ob Deutschland zerfällt! -
Wir schlürfen bei dicken Importen
Liköre der teuersten Sorten,
Wir schwärmen für „Männer" wie Dorten
Und lieber nur eins auf der Welt:
Das Geld!
Wir jobbern und schieben und spielen!
— Wer arm bleibt, ist deutsch oder dumm! —
Wir jazzen und foxen uns Schwielen,
Wir schlendern und lungern und siehlcn
In Klubs, Kabaretts oder Dielen,
In Bar und Cafö uns herum
Im Jumm!
Wir wohnen in Luxuspalästen!
— Was kümmert uns Deutschlands Ge-
schrei?! —
Das ewige Mästen und Festen
Macht Eindruck bei anderen Gästen,
Und bleiben auch sonst unsre Westen
Von Flecken und Makeln dabei
Nicht frei!
Hat endlich die Stunde geschlagen,
Daß jeder nach Haus sich begibt.
Uns nordwärts der eigene Wagen
Gerollt mit verdorbenem Magen,
Dann macht durch bescheid'nes Betragen
Man wieder daheim sich beliebt
Und — schiebt!! um.
lies doch: unser Poincarö fordert acht
Milliarden an neuen Steuern von den
französischen Bürgern."
„Acht Milliarden?" Brutus erschrak.
„Und die Erhöhung der Pensionen, die
Entschädigung der Kriegsgefangenen, die
Gewährung von Teuerungszulagen an die
Beamten — mit alledem ist cs jetzt nichts,"
fuhr Pigeon-Janibon unerbittlich fort.
„Nu, wenn schon!" ermannte sich sein
Freund. „Ich bin nicht kriegsgefangen ge-
wesen, ich bin kein Beamter —"
„Aber ich!" ergrimmte Aristide. „Und
jetzt steht unsereiner lackiert da. Schön be-
schwindelt hat uns dein Poincarö mit
seinen Versprechungen."
„Ter Zucker ist dreimal, das Salz vier-
mal so teuer wie vorm Kriege!" pflichtete
ihm Madame Georgette bei. „Übrigens,
Aristide hat recht. Ten Gestank erträgt
kein Mensch." Sic riß die Schublade auf,
holte die noch glimmende Zigarre heraus
und schleuderte sie aus dem Fenster.
„So — du kannst dir noch Zigarren
leisten?" fragte Pigeon-Jambon giftig. „Ge-
schmuggelte natürlich, unversteuerte? Na,
da kannst du dir gratulieren. Poincarö
hat bereits angekündigt, daß er, um den
Fehlbetrag zu decken, rücksichtslos allen
Stcuerbetrügern zuleibe gehen wird."
„Den Steuerbetrügern zuleibe gehen?"
Brutus Soupe-Potages Züge erstarrten.
„Gegen Frankreichs letzte große Freiheit
wagt dieser Vermessene die Hand zu er-
heben? Statt daß er den Boche alles
zahlen läßt? Damit sind er und ich ge-
schiedene Leute."
„Nieder mit dem Gauner!" schrie
Aristide.
„An die Laterne mit ihm!" kreischte
Georgette.
„Und sein Leichnam nicht in das
Panthöon, sondern in die Seine!" gelobte
Soupe-Potage feierlich.
Negative Kräfte
Zu scharf aktiver Gegenwehr
Mahnt Josef Wirth in hartem Ton.
Negativismus — das sagt er! —
Fress' am Vermögen der Nation.
Wer hat denn Negationsmusik
In Deutschlands schlimmster Zeit gemacht
Und durch Erfüllungspolitik
Uns um das letzte Gut gebracht?
Weshalb er wohl vom Volksbetrug
Der Inflation so wenig spricht?
Seit Wirth in Rußland Wälder schlug,
Sieht er den Wald vor Bäumen nicht.
Timon der Jüngere.
Jswolskis Subsidien
Paris zeigt' für Ruflenwertc Jnt'reflc,
Ob auch die Kurse noch so wüst.
Die freundliche Haltung der dortigen Prcsic,
Sie wurde in Rußland mit Rubeln begrüßt!
nicht mehr aus. Du mutzt mindestens
dreizehn spendieren, alter Knickstiebel!"
zeterte Madame.
Monsieur Soupe-Potage, der cs im Laufe
eines arbeitsamen Lebens zu vierhundert
Frank Rente jährlich und einem Kanin-
chenstall gebracht hatte, legte lächelnd sein
Leibblatt, den „Petit Parisien", beiseite.
„Sieh hier, Georgette!" sagte er fröhlich
zur Gemahlin. „Poincarö hat cs wieder-
holt: der Boche zahlt alles! Sobald die
ersten hundert Goldmilliardcn von Deutsch-
land eingegangen sind, findet eine beträcht-
liche Senkung der Waren- und Lebens-
mittclprclse statt. Bis dahin halte tapfer
durch, geliebtes Weib!"
„Durchhaltcn! Tu hast gut klug reden!"
zischte sie. „Weißt du, daß der Kohlkopf
jetzt vierzig Centimes kostet, statt, wie
früher, zehn, du Kohlkopf'? Daß ich für
den nächsten Sonntag kein Stück Fleisch
besorgen kann, weil das Wirtschaftsgeld,
das du schmieriger Knauser mühsam
hcrausrückst, immer bloß knapp bis Mitt-
wochmorgcn reicht?"
Monsieur winkte überlegen ab. „Auf
Poincarö dürfen wir vertrauen. Er ist der
erste und deshalb auch der wahrheits-
liebendste Staatsmann der Welt. Sein
Leichnam gehört ins Panthöon. Sei ge-
wiß, spätestens in einer Woche haben die
Boches alles bezahlt. Poincarö läßt sie
nicht mehr aus den Fingern. Und darum,
Geliebte, schlachte für den Sonntags-
schmaus getrost unser letztes Karnickel,
sorge für eine gute Flasche und einen extra
starken Kaffee nach dem Diner! Hinterher
nehmen wir uns einen Wagen und fahren
ins Bois, wobei du dein neues Gelb-
seidenes anziehst, das ich dir spätestens am
Freitag kaufen werde." Er entzündete um-
ständlich ein Regiestreichholz und holte die
eine von den versteckten Zigarren aus dem
Schubkasten. „Der Boche zahlt alles!"
Wer zahlt alles;
Es war ihm peinlich, gerade jetzt seinen
alten Freund Pigeon-Jambon ins Haus
treten zu sehen, weil dieses schäbige Subjekt
regelmäßig Zigarren zu schnorren versuchte.
Rasch verbarg er das brennende Kraut in
der Schublade.
„Was blickst du so finster drein,
Aristide?" fragte er mit gemachter Un-
befangenheit.
Aristide Pigeon-Jambon schnüffelte.
„Ekelhaft, daß cs bei dir immer nach an-
gebrannten Kuhfladen riecht!" ärgerte sich
der Besuch. „Aber, was ich sagen wollte —
eben lese ich im „Matin", daß unsere
Staatsschulden rund 400 Milliarden
Franken überschreiten."
„Der Boche —," unterbrach ihn Soupe-
Potage.
„Hat sich was' mit dem Boche!" lachte
Pigeon-Jambon brutal, „dem geht es ge-
nau so dreckig wie uns."
„Du bist ein Vaterlandsverräter!" tadelte
der Gastfreund, und suchte Aristide unauf-
fällig von der Schublade fortzudrängen.
„Für alle unsere Staatsschulden, sagt
Poincarö, muß der Boche geradestehen."
„Und während er geradesteht, werden
wir vor Hunger krumm," höhnte Aristide.
„Ein englisches Pfund kostet heute an der
Börse bereits 100 Franken."
„Sünde und Schande ist es, daß du hei
der Teuerung noch rauchst!" konnte sich
Madame nicht enthalten, dem Gatten giftig
zuzurufen.
Brutus Soupe-Potage biß sich auf die
Lippen. „Niemals wird Poincarö zu-
geben, daß sein schönes Frankreich verarmt.
Der Boche zahlt alles. Er muß alles
zahlen, schon damit unser Poincarö ruhigen
Herzens vor die Wähler treten kann. Einer
muß doch alles zahlen, das Budget-Defizit,
die Staatsschulden —"
„Ja, einer muß alles zahlen!" knurrte
Aristide. „Man weiß auch schon, wer. Da,
Die deutschen Schlemmer in der Schweiz
(Ein Lied, beim Schampus zu singen.)
Wir schwelgen und schlemmen und prassen!
— Was tut's auch, wenn Deutschland
verreckt?! —
Wir saufen vergnügt und gelassen
Aus Gläsern und Schalen und Tassen,
Was immer die Bäuche nur fassen,
Was immer dem Gaumen nur schmeckt:
Meist Sekt!
Wir wüsten in Küche und Keller!
— Wer fragt, was am Rheine geschieht?! —
Wir fressen von silbernem Teller
Und zahlen als noble Besteller
Mit Schecks die paar lumpigen Heller,
Denn überall bringt der Profit
Wir waten in Schlagrahm und Torten!
-Was schiert's uns, ob Deutschland zerfällt! -
Wir schlürfen bei dicken Importen
Liköre der teuersten Sorten,
Wir schwärmen für „Männer" wie Dorten
Und lieber nur eins auf der Welt:
Das Geld!
Wir jobbern und schieben und spielen!
— Wer arm bleibt, ist deutsch oder dumm! —
Wir jazzen und foxen uns Schwielen,
Wir schlendern und lungern und siehlcn
In Klubs, Kabaretts oder Dielen,
In Bar und Cafö uns herum
Im Jumm!
Wir wohnen in Luxuspalästen!
— Was kümmert uns Deutschlands Ge-
schrei?! —
Das ewige Mästen und Festen
Macht Eindruck bei anderen Gästen,
Und bleiben auch sonst unsre Westen
Von Flecken und Makeln dabei
Nicht frei!
Hat endlich die Stunde geschlagen,
Daß jeder nach Haus sich begibt.
Uns nordwärts der eigene Wagen
Gerollt mit verdorbenem Magen,
Dann macht durch bescheid'nes Betragen
Man wieder daheim sich beliebt
Und — schiebt!! um.
lies doch: unser Poincarö fordert acht
Milliarden an neuen Steuern von den
französischen Bürgern."
„Acht Milliarden?" Brutus erschrak.
„Und die Erhöhung der Pensionen, die
Entschädigung der Kriegsgefangenen, die
Gewährung von Teuerungszulagen an die
Beamten — mit alledem ist cs jetzt nichts,"
fuhr Pigeon-Janibon unerbittlich fort.
„Nu, wenn schon!" ermannte sich sein
Freund. „Ich bin nicht kriegsgefangen ge-
wesen, ich bin kein Beamter —"
„Aber ich!" ergrimmte Aristide. „Und
jetzt steht unsereiner lackiert da. Schön be-
schwindelt hat uns dein Poincarö mit
seinen Versprechungen."
„Ter Zucker ist dreimal, das Salz vier-
mal so teuer wie vorm Kriege!" pflichtete
ihm Madame Georgette bei. „Übrigens,
Aristide hat recht. Ten Gestank erträgt
kein Mensch." Sic riß die Schublade auf,
holte die noch glimmende Zigarre heraus
und schleuderte sie aus dem Fenster.
„So — du kannst dir noch Zigarren
leisten?" fragte Pigeon-Jambon giftig. „Ge-
schmuggelte natürlich, unversteuerte? Na,
da kannst du dir gratulieren. Poincarö
hat bereits angekündigt, daß er, um den
Fehlbetrag zu decken, rücksichtslos allen
Stcuerbetrügern zuleibe gehen wird."
„Den Steuerbetrügern zuleibe gehen?"
Brutus Soupe-Potages Züge erstarrten.
„Gegen Frankreichs letzte große Freiheit
wagt dieser Vermessene die Hand zu er-
heben? Statt daß er den Boche alles
zahlen läßt? Damit sind er und ich ge-
schiedene Leute."
„Nieder mit dem Gauner!" schrie
Aristide.
„An die Laterne mit ihm!" kreischte
Georgette.
„Und sein Leichnam nicht in das
Panthöon, sondern in die Seine!" gelobte
Soupe-Potage feierlich.
Negative Kräfte
Zu scharf aktiver Gegenwehr
Mahnt Josef Wirth in hartem Ton.
Negativismus — das sagt er! —
Fress' am Vermögen der Nation.
Wer hat denn Negationsmusik
In Deutschlands schlimmster Zeit gemacht
Und durch Erfüllungspolitik
Uns um das letzte Gut gebracht?
Weshalb er wohl vom Volksbetrug
Der Inflation so wenig spricht?
Seit Wirth in Rußland Wälder schlug,
Sieht er den Wald vor Bäumen nicht.
Timon der Jüngere.
Jswolskis Subsidien
Paris zeigt' für Ruflenwertc Jnt'reflc,
Ob auch die Kurse noch so wüst.
Die freundliche Haltung der dortigen Prcsic,
Sie wurde in Rußland mit Rubeln begrüßt!