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Der Finanzminister: „Alle Wieder-
aufbau - Ausgaben kommen auf Rechnung
Deutschlands. Wir errichten dafür ein
Budget der Ovpenses reeouvrables.»

Der Kommissar für den Wieder-
aufbau: „Ich verstehe. Seien Sie über-
zeugt, der Boche wird so zahlen müssen,
daß ihm das Blut aus den Hühneraugen
herausspritzt. (Zum Manne aus dem De-
partement Nord) Ihr Besitztum ist im Krieg
vernichtet worden. Sehr schön! Welche
Entschädigung verlangen Sie?"

Der Mann aus dem Departement
Nord: „Ein Stall stürzte ein, weil er
liederlich gemauert worden war —"

Der Kommissar: „Vertrödeln wir mit
Einzelheiten keine Zeit! Was kostet der
Neuaufbau?"

Der Mann aus dem Departement
Nord (mutig): „Na — tausend Frank —"
Der Kommissar: „Hunderttausend

Frank, sagen Sie? Gut. Der Boche zahlt
alles. Hier nehmen Sie die Anweisung
gleich mit! vöpeuses recouvradlesl"

Das Edelvolk der Polen läßt der Ruhm
Frankreichs nicht schlafen. Da Frankreich,
sein Busenfreund, Ruhr und Rhein ge-
klaut hat oder zu klauen wünscht, wünscht
das Volk, über dem der weiße Aar schwebt,
nicht zurückzustehen. Entweder-Oder! ist
sein Wahlspruch, und so entschied es sich
für die Oder. Da es von der Weichsel
früher nur den bekannten Zopf besaß, jetzt
aber die Weichsel selbst sein eigen nennt

0epen8es recouvrsbles

Der Finanzminister: „Jetzt haben
wir 50 Milliarden au vöpeuses reeou-
vradles ausgegeben, und von Deutschland
läuft kein Geld ein. Die Kammer wird
unruhig. Wir müssen stoppen."

Ein anderer Mann aus dem De-
partement Nord: „Mir ist nämlich auch
ein Stall abgebrannt — eine französische
Bombe tötete meine Kuh —"

Der Kommissar: „VerdammtesBettler-
volk! Betrügerisches Pack! Jetzt hat's ge-
schnappt. Huissier, schmeißen Sie den
Kerl raus!"

Der Finanzminister: „Und eine

parlamentarische Kommission ist auch schon
nach Lille unterwegs. Mein Gott, mein
Gott, wenn sich doch bloß die Teukschen
meiner erbarmen und zahlen möchten!"

m.

Der Finanzminister: „Ich habe Sie
immer streng ermahnt, mit den öffent-
lichen Geldern nicht so zu aasen und be-
sonders bei den Oöpenses recouvrables
vorsichtig zu sein. Die parlamentarische

Polnisches

und die Weichselländer durch seine Tätig,
kcit schon genügend verlaust hat, so ist es
begreiflich, daß es nach weiteren Gebieten
sich umsieht, die, bisher von deutscher
Kultur verseucht, nach Befreiung lechzen,
Nach Befreiung durch die Polen natürlich,
die wegen ihrer großen Vorliebe für Rein-
lichkeit bekanntlich auch Wasserpolacken ge-
nannt werden. Polen hat sein Augenmerk
zunächst auf Stettin gerichtet und begehrt,

Kommission hat zum Himmel schreiende
Skandale, unerhörte Mißbräuche sestgestellt.
Sie verlangt Nachprüfung aller Entschädi-
gungsansprüche und strafrechtliches Ein-
schreiten — "

Der erste Mann aus dem Departe-
ment Nord: „Hören Sie . . . inzwischen
ist mir auch der andere Stall eingcstürzt. . .
Wenn ich wieder hunderttausend Frank —"

Der Kommissar: „Da hätten wir schon
einen dieser Gauner! Hunderttausend Frank
hat der Halunke uns für die Eierkiste an-
gekreidet, in der er seine Karnickel hungern
läßt! Huissier, verhaften Sie den Gauner
und führen Sie ihn noch heute dem Unter-
suchungsrichter vor!"

Der Finanzminister: „Bravo! Ihre
Energie macht mich aufatmen. Wenn Sie
die Oöpeuses reoouvrables alle wieder ein-
bringen —"

Der Kommissar: „Keine Illusionen,
Exzellenz! Ins Gefängnis will ich Ihnen
das ganze Departement Nord bringen,
aber nicht einen Centime zurück. Von der
Seite sollten Sie Ihre Franzosen doch
kennen!" Timon dkr Jlinger«.

umDeutschland mit seiner Kulturzubelecken,
dort einen Hafenplatz. Wir hoffen, daß es
damit kein Glück hat. Wenn uns die
polnische Kultur durchaus noch weiter be-
lecken will, so wird, denken wir, der brave
Michel dem biederen Polen endlich einmal
eine andere Gegend zeigen, wo sich der
polnischen Kultur ein ihrer wahrhaft
würdiges Feld zum Belecken darbietet. Es
wird Zeit! «•

Rhykhmisch-ästhctische Übungen in Moabit

Landtagsabgeordneter Kimbel und Ge-
nossen regen sich darüber auf, daß in
zwei Berliner Gemeindeschulen durch einen
jungen Lehrer Nackttänze der Knaben
und Mädchen veranstaltet worden sind.
Auch ein großer Teil der Presse schließt
sich ihren Angriffen an und will wissen,
was der Berliner Oberschulrat, der eigens
zum Zwecke der Höherentwickelung des
reichshauptstädtischen Schulwesens aus
Hamburg verschriebene Volksschullehrer
Paulsen, dazu sagt.

Wenn wir recht unterrichtet sind, handelt
es sich bei den beiden Schulen um Sammel-
schulen für Religionslose. Welchen Pflicht-
eifer zeigt der junge Lehrer, daß er das
ausfallende Lehrfach Religion durch ein
anderes, die Phrynelogie, ersetzt! Er selbst
nennt seinen Unterricht „rhythmisch-ästhetische
Übungen".

Herrn Paulsen wird die Antwort auf
die neugierigen Fragen der Volksvertreter
und Zeitungen nicht schwer fallen.

Ist nicht Koedukation eins der Ziele
moderner Pädagogik? Hat also der junge
Lehrer nicht recht daran getan, daß er die
Gemeinsamkeit der Erziehung von Knaben

und Mädchen auch auf den zu rhythmisch-
ästhetischen Übungen höher entwickelten
Turnunterricht ausgedehnt hat?

Da die beiden Gemeindeschulen im
Moabiter Viertel liegen, haben wir einige
alte Moabiter, d. h. ein paar Stammgäste
eines anderen im gleichen Viertel liegenden
öffentlichen Instituts, um ihre Meinung
befragt. Herr Louis, Berufskavalier einer
älteren jungen Dame horizontaler Tendenz
aus der Gegend des Stettiner Bahnhofs,
war nicht wenig empört über die verständnis-
lose Haltung der Abgeordneten und einer
rückständigen Presse. „Wat die Brüder
schon von Nacktkultur vaschtehen!", meinte
er verächtlich. „Die Idee von den jungen
Bolksazieher ist einfach knorke. Jenosse
Paulsen wird ihnen schon uffklären."

Frau Warren, Besitzerin eines von der
Sittenpolizei liebevoll kontrollierten In-
stitutes für rhythmisch-ästhetische Übungen,
betrachtete die Frage von ihrem besonderen
Standpunkte aus mit anerkennenswertem
Weitblick; sie führte aus, daß nicht besser
für den nötigen Nachwuchs des von ihr
und ihren Angestellten vertretenen Gewerbes
gesorgt werden könne, als es durch den
Moabiter Pädagogen geschehe. Wer die

Jugend hat, hat die Zukunft — das gelte,
meinte sie, auch auf diesem Gebiete.

Und Fräulein Lu, die seit Jahren mit
unleugbarem Eifer ein Gewerbe im Um-
herziehen auf der Friedrichstraße zwischen
Linden und Leipzigerstraße» Zchnmarkseite,
betreibt, sagte kurz und bündig: „Ick kann
dabei nischt finden. Dem Reinen is
allens rein."

Schließlich haben wir, da uns der Früh-
ling unseres Schulwesens, wie gesagt, mit
Herrn Paulsen aus Hamburg gekommen
ist, auch nach dort einen Ausfrager geschickt.
Er hat gleich an der ersten Stelle, nämlich
in der Schriftleitung des Prostituierten-
blattes „Der Pranger", eine solche Be-
geisterung für den Moabiter Religionscrsatz
gefunden, daß er sich weitere Nachfragen
glaubte ersparen zu sollen. Nur ganz zu-
fällig hat er auch in der Straßenbahn einer
Hamburger Hausfrau von den rhythmisch-
ästhetischen Übungen in Paulsens Reich
erzählt; ihre Antwort — nur ein einziges
Wort — war in Hamburgischer Sprache
abgefaßt, die unser Ausfrager leider nicht
versteht; er vermutet aber, daß es sich auch
um eine kräftige Beifallsbezeugung handelte:
sie lautete: „Jgittigitt".
 
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