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Äerlin, den l. Zanuar 1920

Diel es Blatt erscheint täglich mit Ausnahme der Wochentage
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Wochenkalender

Wochenkalender

Montag, den 2. Januar

Wenn nun das alte Jahr die Pforte schließt,
Und du ins dunkle Grau des neuen siehst,
In dem gewiß dich mancher Sturm umtost,
So sag' dies eine dir, o Mensch, als Trost:

Dienstag, den 3. Zanuar
Es gibt auch wieder Freuden dieses Lebens,
Auf die noch keiner wartete vergebens! —
Ich will dir mal 'ne kleine Auswahl nennen,
Vielleicht wirst manches du davon schon
kennen:

Mittwoch, den 4. Zanuar
Daß, wenn es morgens sowieso schon spät,
DerStrom versagt und deine Bahn nicht geht.
Daß ein Gewinn auf eine Nummer fällt,
Die du vor 14 Tagen abbestellt:

Donnerstag, den s. Fanuar
Daß ein Papier, das gestern man vielleicht
Für 80 anbot, 100 heut erreicht;

Daß, wenn dein Hut voni kahlen Schädelsaust,
Ein Auto kommt und quer darüberbraust;

Freitag, den 6. Zanuar
Daß du sie drüben an dem Arm 'nes andern
Siehst quietschvergnügt ins Cafe Josth
wandern.

Nachdem von zwölf bis zweiundzwanzig säst
Vergeblich du auf sie gewartet hast;

Sonnabend, den 7. Zanuar
Daß das Finanzamt, wo du deklariert,
Auf morgen „zurVernehmung" dich zitiert -
Du meinst, ob man das alles haben kann?
Na, bloß nicht drängeln — hier kommt
jeder ran!

Kladderadatsch.

Silvester

Eisumstarrt zum Ende neigt sich
Das mit Recht beliebte Jahr,
Das. wie immer wieder zeigt sich,
Fürchterliches uns gebar,

Da am Reichsregierungstische
Auch ein Keudell war zu schaun,
Also, daß in alter Frische
Wutentbrannt Herr Otto Braun.

Altes Jahr, nicht viel des Reuen
Hast der Menschheit du gebracht.
Wird uns nun wohl mehr erfreuen
Meunzehnhundertzwanzigacht?

Wird man sich im Landtag lieben
And am Rathaus an der Spree?
Treibt es, wie er's stets getrieben
Weiter Ehren-Poincare?

Dieser Mann von viel Geschmacke,
Der mit wütendem Getös
Auf die schwarzweitzrote Flagge
So wie Böß erschrecklich bös,

Wie der Herrscher aller Reußen
Ist er als Tyrann zu schaun —
Lebe hoch, du altes Preußen!
Lebewohl, erhabener Braun!

geigt man uns am Rheine heiter,

Wie Versailles so sehr uns frommt?
Bleibt es auch in Genf so weiter,

Daß man gar nicht weiterkommt?

Wird man mit dem Dawes uns schleifen
Bis die Rägel Funken sprühn
And es wird vor Silberstreifen
Ans vor Augen gelb und grün?

Dennoch, was uns auch betroffen:
Hoch das Herz und hoch das Haupt!
Der ist tot, der nichts zu hoffen
Wagt und an das Recht nicht glaubt.
Kinder, füllt das Glas mit Bowle,
Nehmt es fröhlich in die Hand:
Angestoßen! Dir zum Wohle,

Liebes deutsches Vaterland!
 
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