Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Nachtrag zu „Till (Lulenspiegel"

(Bekanntlich hat Gerhart Hauptmann durch seine Neubearbeitung und Vervollständigung de»
„Hamlet" erst den wahren Shakespeare entdeckt. Er wird e» daher sicher mit Freude begrüben,
wenn auch seinem neuesten Werke in gleicher Weise gedient wird. Als Muster geben wir eine
kleine Ergänzung; bei den 6000 Hexametern kommt e» ja aus ein paar mehr oder weniger nicht an.>

Drauf zum Volk, das um ihn herumstand, sprach weisheitsvoll nun Till:
„Demokratie ist ein Wort, von iy/tos, Volk und von xgärog,

Macht, zween griechischen Wörtern, geleitet ab, welches bedeutet,

Daß die ganze Macht vom Volke ausgeht. Vermutlich

Und meinem dicht'rischen Scharfblick vertrauend mein ich gewißlich,

Daß ein jeder einsieht, daß diese Form ganz allein senkrecht.

Alle Genies und wahrhaft großen Männer, zum Beispiel
Ich und die stolzen Hero'n der preuß'schen Akademie der
Dichtkunst sind demokrat'schen lind pazifist'schen Gesangs voll,
über die koll'rigen Preiser des alten verrotteten Regimes
Seinen Spott zu gießen mit wildem Gepolter ist leicht ja,

Drum verschmäh ich's, ich rede hier nicht von der equilibristisch
Qualvoll verwirrten Staatskunst, nicht von den Generals, welche
Uns betrogen, nicht auch von der Schuld der oberen Lehrer.

Reineweg ab und damit! So rein und hehr wie die Repu-
blik-Atmosphäre der Freiheit ergeußt sich in strömender Klarheit
Unerschöpflich der Born meiner klingenden Hexameter!"

Also sprach Till Eulenspiegel. Das Voll riß bas Maul auf,

Staunte, grinste, gaffte, bravote, nickte und schrie Lob. —

Aber Chronisten berichten: Zur selben Stunde vernahm man
Bei der Kirche zu Mölln ein hurtiges Poltern, es klang so,

Wie wenn einer sich schnell in seinem Grabe herumdreht .... p

Beruhigung

La France: „Sei ruhig, er darf dir nichts tun, du bist der ein-

zige Loche, der wert wäre, ein Franzose zu sein!"

Heil sei dem Tag,
an welchem er erschienen!

In München hat in diesen Tagen in
Form eines Abreißkalenders der erste
deutsche Bierkolender das Licht der Welt
erblickt. Nach Mitteilungen unseres Mit-
arbeiters Aug. Biermörder, welcher ein
Rezensionsexemplar erhalten hat, stellt
die Schaffung dieses Kalenders einen
entscheidenden Fortschritt auf dem Ge-
biete des Kalenderwesens dar. An Stelle
der mehr als veralteten, aus dem
Lateinischen stammenden jetzigen Monats-
namen, die obendrein noch größtenteils
falsch sind — wird doch z. B. der zehnte
Monat als Oktober bezeichnet —, treten
nunmehr die Namen der in der be-
treffenden Zeit ausgeschenkten Biere; so
heißt der März von nun an Salvator-
monat, der Mai Bockmonat usw. Die
ebenfalls mehr als überalterten Namen
der einzelnen Tage werden durch die der
zahlreichen verschiedenen Untergruppen
der großen Biersorten ersetzt, z. B.
Animator, Potentator, Pilsator usw.,
so daß der, welcher sich getreulich nach
dem Kalender richtet, sich jeden Tag
eine andere Sorte zu Gemüte führen
kann. Allerdings mußte notgedrungen
der Umfang des Jahres auf 537 Tage
erhöht werden, da es sonst unmöglich
gewesen wäre, alle die zahlreichen Bier-
sorten Deutschlands unterzubringen, doch
ist zu hoffen, daß der gesunde fort-
schrittliche Sinn unseres Volkes au
dieser kleinen Änderung keinen Anstoß
nehmen wird. »lbcrich.

Auch ein Rekord

Ein schweizer Offizier, der seine
Flitterwochen in der Luft zu verbringen
beabsichtigte, bestieg sofort nach der
Trauung mit seiner Frau einen Luft-
ballon. Dieser stürzte jedoch nach
kurzer Zeit in den Genfer See. Das
junge Paar konnte gerettet werden.

Es ist ja leider keine Seltenheit, daß
junge Ehepaare bald nach der Hochzeit
aus allen Wolken bzw. Himmeln fallen,
aber so rasch pflegt es für gewöhnlich
doch nicht zu gehen. Auch muß es
höchst peinlich sein, sich schon am Hoch-
zeitstage wie ein begossener Pudel zu
fühlen. ,h«.

Äewährie Geschäfispraxis

Die auf Mitte Januar 28 anbe-
raumte Konferenz der deutschen Minister-
präsidenten, auf der die künftigen Spar-
maßnahmen beraten werden sollten, ist,
wie man hört, bereits wieder vertagt
worden. Vom geschäftlichen Stand-
punkt aus Wohl richtig. Denn bei
dieser Besprechung handelt es sich be-
kanntlich um schwierige Finanzsragen,
und nach einem aus der Inflation
zurückgebliebenen Grundsatz geht es nun
einmal nicht anders: bei einem ver-
zwickten Geldgeschäft muß irgend etwas
verschoben werden. nxferich.
 
Annotationen