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Schultzc: Also- der Spritschieber Kopp
is in der Berufungsinstanz
zu drei Jahre Zuchthaus ver-
knackt worden, er is aber zu die
Verhandlung nich erschienen.

Müller: Nee, det hätte ja jeheißen, den
Kopp in 'n Löwenrachen stecken.

Schultze: Is det nu in der Ordnung,
det een Jericht ohne Kopp
verhandelt? Die Verhandlung
begann schon: Koppheißter.

Müller: Darüber wird sich keen Richter

Koppschmerzen machen. Und
wenn Kopp ins Ausland is,
is Deutschland Kopplos. Wir
haben keenen Jeschmack an
Koppstücken.

Schultze: Ick wünschte ihn doch her,
denn dann würde der Kopp
„ff 'n rechten Fleck sitzen, und
det Jericht würde verfügen,
det ihm der Kopp brummte.

Sind das Männer?!

Sind das Männer?! Ruhmerpichte
Phrasenhelden, eit'le Wichte
Ohne heil'ge Pflichten?!

Sind das Männer?! Ich verzichte:
Früher machten sie — Geschichte,
Heute nur-Geschichten!! kiki.

Unser Börsenberichterstatter, der dies-
mal für seinen erkrankten politischen
Kollegen einzutreten hatte, erstattet uns
in seiner Sprache folgenden Bericht:

Die Lage muß im allgemeinen als
undurchsichtig und uneinheitlich bezeichnet
werden, die Tendenz als flau, die
Stimmung als vorwiegend gedrückt und
unlustig. Nur im Genfer Konsortium
herrscht teilweise freundliche — oder
doch katzenfreundliche — Stimmung,
doch ist auch hier die Kulisse schwer
durchsichtig und die Beteiligung der
zweiten Hand nicht recht kontrollierbar.
„Genf" wird viel gefragt, hat aber
wenig abzugeben. „Locarno"liegt schwach,
und „Thoiry" wird überhaupt nicht
mehr notiert. Sehr fest liegt dagegen
„Rheinlandbesahung", obwohl vordem
etwas abgebröckelt. — „Abrüstung"
wird wenig zuversichtlich beurteilt, man
vermutet als wahren Hintergrund eine
großzügige Schwänze. „Briand-Werle"
(fromage de Briand) z. Zt. weniger
geschätzt, weil ihr Leiter unter Geschäfts-
aussicht, „Pazifismus-Aktien" mitunter
noch gezeichnet, aber meist nur sog.
Konzert-Zeichnungen, denn sie Wersen
keine Dividende ab. Stark rückläufig
ist auch „Kleine Entente" und ebenso

Henrik Ibsen

zum 100. Geburtstage am 20. März
Nordlandsrecke, der du strittest
Unbeirrt für letzte Wahrheit,

Der du keinen Flecken littest

Auf dem Schild der eigenen Klarheit,

Der die Lüge du des Lebens
Recht aus ihm hcrausgelesen:

Form ringt mit dem Tod vergebens,
Alles Sein ist ohne Wesen.

Du hast vorgeahnt der Zeiten
Nöte, ihre Finsternisse,

Wie sie heut sich um uns breiten —
Und kein Strahl, der sie zerrisse!

Doch dein Leben und dein Dichten
Könnten wohl das Licht uns bringen,
Unerbittlich selbst sich richten
Heißt empor zur Wahrheit dringen.

Geburtsanzeige

Allen Verwandten und Interessenten
hiermit zur Kenntnis, daß unsere gute
Schwester und Mutter, Mrs. Amerika,
am 25. Februar 1928 nach 105monatiger
Schwangerschaft von einem Knaben
namens „Bill Property" glücklich ent-
bunden wurde. Leider ist das Kind
trotz der langen Entwicklungszeit noch
immer äußerst zart, doch ist zu hoffen,
daß es sich nach und nach kräftigen wird.

Im Namen der Verwandtschaft
Uncle Sam
C. O. O. Lidge

Oie politische ^age

„Weißer Adler" (Warschau), der im
Börsenjargon bereits „Pleitegeier" heißt.
Aber selbst „Sowjet-Trust" wird mehr
und mehr geschäftslos, fast nur noch
Leerverkäufe i der „Nep" erweckt eben
kein rechtes Vertrauen, und „Sibirien-
Expreß" wirkt verstimmend. — Gut er-
holt sich hingegen „deutsch-amerikanische
Treuhandwerte", hier scheint sich ein
sog. boom entwickeln zu wollen. Vor-
übergehend auch Stimmung für „Af-
ghanistan" (Schmieröl).

Im Innern wird die Lage durch den
bevorstehenden Reichstags-Ultimo be-
herrscht. Guter Rat ist noch teurer
als kurzfristiges Geld, Krisenluft weht
in den Wandelgängen. „Rechtskoalition"
ohne Umsatz, daher die Spekulation zu
Deckungskäufeu geneigt, obgleich die Zu-
kunftsperspektiven vielfach ungünstig be-
urteilt werden. „Marx-Konzern" freund-
lich, aber still und geschästslos, „Wirth-
Konzcrn" belebt, verbessert jedoch nicht
die allgemeine,stark absplitterndeTendenz.
„Nationalismus" und „Mittelparteien"
noch behauptet und widerstandsfähig,
doch zu ihrem Schaden ganz uneinheit-
lich, „Linkskartell" in aufsteigender Kon-
junktur. Für „Splitterparteien" scheint,
da sie mit ihren Kundenaufträgen leb-

Michellum

„Das Micheltum ist die Summe
unserer Unfähigkeiten, das grundsätzliche
Mißvergnügen an überlegenen Wirklich,
keite», die Dienst und Achtung fordern,
Kritik zur Unrechten Zeit, Ruhebedürfnis
zur Unrechten Zeit, Jagd nach Idealen
statt rascher Taten, rasche Taten statt
vorsichtigen Abwägens, das „Volk" als
Haufe von Nörglern, die Volksvertretung
als Biertisch höherer Ordnung. Alles
das ist englisches Wesen, ober in deut-
scher Karikatur. Und vor allem das
Stückchen privater Freiheit und ver-
briefter Unabhängigkeit, das man genau
dann aus der Tasche zieht, wenn John
Bull es mit sichern, Instinkt beiseite
legen würde.

(Spengler: Preußentuni und Sozialismus.)

Lieber will ich . . .

Lieber will ich einen Sack
Wild geword'ner Flöhe hüten,

Oder mir zum Schabernack
Angefaulte Eier brüten;

Lieber einen Tugendbund
Aufgeklärter Mädels drillen,

Oder Raymonds Lügenmund
Und Benitos Schnauze stillen;

Lieber mich wie Herkules
Und als Sisyphus verdingen,

Oder Barmats Weltprozeß
In Hexametern besingen;

Lieber Künft'ges prophezeien . . .
Alles will mir leichter scheinen,

Als in Deutschland — zwei Partei'»
Für die nächsten Wahlen — einen!!

hafte Propaganda machen, der Markt
noch immer aufnahmefähig zu sein,
doch stehen sie nicht hoch im Kurse und
geben nur schwache Anregungen, sind
auch arm an vollwertigen Effekten. —
Ganz matt liegen „Kulturfaktoren",
auch „Einheitsbestrebungen" werden zu-
rückhaltend beurteilt, mitunter gar als

Einen, weiteren Tendenzdruck haben
zur Zeit die bevorstehenden Neuwahlen
ansgelöst. Für „Wahlreden" mehr An-
gebot als Nachfrage, „Wahlparolen"
(m. b. H.) allerdings allseitig gesucht,
aber in der Qualität nicht befriedigend;
in „Wahlbündnissen" überwiegt einst-
weilen noch abwartende Stimmung der
Außenseiter. — Alles in allem ein ver-
schwommenes, lustloses Bild, aus dessen
grauem Hintergründe noch manche große
Flaute und ernsthafte Krise auftauchen
kann. Man munkelt bereits, daß ein
großes Baisse-Konsortium insgeheim die
Gesamtlage beherrscht und sich bald bei
seinem Oeoouvsrt, in einem allgemeinen
Riesendallcs auswirken wird. Der
Hauptfehler ist schließlich, daß wir in
Deutschland nur noch Börsen ohne
Geld haben. Da Mache erst einer Po-
litik damit! — relno.
 
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