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In Frankreich stellt Poincarö fast in
jeder Kammersihung mit Erfolg den
Vertrauensantrag; er wird mit Ver-
trauensvoten förmlich bis zur Unkennt-
lichkeit zugedeckt. In Deutschland da-
gegen vergeht kaum eine Reichstags-
sitzung, ohne daß gegen einen der Mi-
nister ein Mißtrauensvotum beantragt
würde; sie könnten getrost nach bekannter
Weise singen: „Wir sitzen mißtraulich bei-
sammen und haben einander so lieb." —
Hiernach möchte man beinahe annehmen,
daß dieGallier doch bessere Menschen sind.

Der Attentäter bei Kempinski, Max
Ranau, hatte am Tage vorher seine Er-
werbslosenunterstützung erhalten. Hier-
von hatte er sich alsbald einen Revolver
gekauft und den Rest in Alkohol ange-
legt, so daß er sich einerseits eine neue
Erwerbsmöglichkeit, andererseits für den
Fall des Mißlingens mildernde Um-
stände sicherte — kann man eine Er-
werbslosenunterstützung wohl zweck-
mäßiger verwenden? Tatsächlich ist er
nun sogar völlig freigesprochen, weil
er nach dem Gutachten der Sachver-

Allerhand Nachdenkliches

ständigen in einem „pathologischen
Rauschzustand" — früher nannte man
das einfacher eine „stintige Besoffenheit",
sagt unser Biermörder — gehandelt
haben soll. Recht so! Nun braucht er
sich nicht erst zu „bewähren", uni dem
Kittchen zu entgehen. Ein solcher Mann
ist bewährt genug.

Der König von Afghanistan ist auch
bei unserm Reichstagspräsidenten Löbe
zu Gaste gewesen. Er erklärte nachher,
er hätte es nirgends so gemütlich ge-
funden, wie im „Gasthaus zum roten
Löbe", und geht seitdem damit um, sich
Herrn Löbe nach Kabul mitzunehmen.
— Nu, wenn schon! Der kann auch
Fürstendiener sein.

Unser jüngster Panzerkreuzer ist jetzt
bereits 24 Jahre alt — bei Schiffen
darf man das Alter ja wohl sagen —, er
kann im nächsten Jahre sein 25jähriges
Dienstjubiläum feiern. Da wäre es
dann bald an der Zeit, wenn uns der
diesjährige Klapperstorch zum Frühling
einen neuen Stammhalter, sozusagen

als „Nesthäkchen", für die flotte Kinder-
stube mitbrächte. Aber leider hatte es
mit diesem Häkchen einen großen Haken:
Kinder kosten Geld, sagt der weise
Reichsrat und wollte uns das Neu-
zugebärende darum noch im siebenten
Monat abtreiben. Da aber eine solche
Abtreibung, wie bekannt, mitunter recht
gefährliche Folgen haben kann, sah man
in letzter Stunde von diesem gefähr-
lichen Eingriff ab.

Daß der gegenwärtige Friede nur
eine Fortsetzung des Krieges mit an-
deren Mitteln ist, wissen wir nachgerade.
Das neueste dieser Mittel ist zur Zeit
der Hetzfilm, der die alte Verbündete
der Entente, die Lüge, kräftig zu Hilfe
nimmt. Selbst der kühle Sinn eines
Chamberlain empört sich dagegen. Aber
wie stellt sich eigentlich der sogenannte
Völlerbund zu dieser planmäßigen Auf-
hetzung der „verbundenen" Völler gegen-
einander? Will er eine solche heim-
tückische Kriegspropaganda nicht ab-
rüsten? — Ein Narr wartet auf Ant-

Ja, Bauer, das ist was anderes!

Äoxkämpfe sind ungefährlich und volksveredelnd, infolgedessen
 
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