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Schade

In Paris läuft gegenwärtig ein
Belcidigungsprozeß, in welchem der An-
geklagte seine Verteidigungsrede in flie-
ßenden einwandfreien Versen hielt,
während der Anwalt des Klägers beim
nächsten Termine ihm in klassischen
Alexandrinern antwortete. Die Pariser
Bevölkerung erwartet mit Bestimmtheit,
daß auch der Richter sein Urteil in
Versen aussprechen werde.

Schade, daß unsere deutschen Richter
und Anwälte so wenig Sinn für Poesie
besitzen- Welch ein unsterbliches Werk,
das an Inhalt und Umfang Homers
Odyssee oder Dantes Göttliche Komödie,
wenn nicht gar das Mahabharata sicher-
lich weit übertrofsen hätte, wäre sonst
z. B- entstanden, wenn der Barmat-
prozeß ebenfalls in Versen oder Hexa-
metern verhandelt worden wäre. ->».

Oer Zweck heiligt die Mittel

Das Reichsgericht hat kürzlich ent-
schieden, daß die preußische Regierung,
trotz der Teilnahme des früheren Mi-
nisters v. Jagow am Kapputsche, ver-
pflichtet ist, diesem die Pension weiter-
zubezahlen. Daraufhin hat die preußische
Regierung einDisziplinarverfahren gegen
v. Jagow eingeleitet, in der Hoffnung,
auf diesem Wege einen Grund für die
Streichung der Pension zu finden.

Ja, ja, man merkt, daß wir nicht
mehr unter dem verfluchten alten Re-
gime leben, wo sich sogar ein Müller
dem Könige von Preußen gegenüber
auf dos Kammergericht berufen koiinte.
Allerdings muß man in Preußen be-
sonders sparsam sein, damit die Ge-
nossen Scheidemann, Leinert u. a. ihre
wohlverdienten Ruhegehälter weiter be-
ziehen können. ,ha.

Glossen

Gene Tunney wird auf Einladung
der Iale-Universität in Nordamerika
dort Vorlesungen über Shakespeare
halten. Tunney hat schlagend uach-
gewiesen, daß Hamlet unmöglich mit
Laertes auf Degen losgcgangen sein
kann, sondern daß es — Shakespeare
war Engländer — sich um einen regel-
rechten Boxmatsch gehandelt hat. Und
zwar wurden vier Runden ausgetragen.

In der ersten erhielt Laertes einen
Upercut, den der Ringrichter Osrik
bestätigt:

„Getroffen! Offenbar getroffen!"

In der zweiten steckt Laertes, der
ein besserer Nehmer als Geber ist, wie-
der einige Gerade und Schwinger ein:
„Ein Stoß! Getroffen!

Ich bekenn es selbst. . ."

Hamlet, der sich eigentlich in schlech-
ter Kondition befindet, — die Königin
sagt ausdrücklich:

„Er ist fett und kurzen Atems.

Da! Nimm ein Tuch
und trockne dir die Stirn!"
wird durch seine Fightererfolge leicht-
sinnig und beginnt zu renommieren:
„Laertes, kommt! Den dritten Gang!...
Ihr spielt!

Fallt aus mit eurer ganzen Kraft,
ich bitte!

Ich fürcht', Ihr nehmt mich sonst für
einen Weichling . . ."

Und nun wird es lebhafterim Clinch.
Die Partner wechseln mehrere Male
die Stellung. Aber Laertes deckt sich
jetzt besser und der Ringrichter kon-
statiert in dieser Runde:

„Auf beiden Seiten nichts."

Die vierte wird aber offenbar auf
k. o. forciert. . Laertes macht eine

zur Zeit

Schwingerfinte und dabei öffnet ihm
Hamlet das Auge, denn Laertes sagt:
„Ha, gefangen in der eignen Schlinge!
(Muß wohl,Schwinge'heißen. A.d.S.)
Mich schlägt mit Recht mein eigener
Verrat . .

Aber auchHamlethat einen schweren
Geraden auf der Nase, denn, wie Hora-
tio bestätigt:

„Sie bluten beiderseits. Wie steht's,
mein Prinz?"

Und nun scheint unfair gekämpft
worden zu sein, Hamlet ruft plötzlich:
„Ein Bubenstück! Verräterei!"
und verabreicht nun selbst dem wahr-
scheinlich ungedeckten Laertes einen
harten Schlag. Denn dieser geht
nieder und bleibt bis neun zwischen
den Seilen liegen:

„Da liegich, umnichtwieder aufzustehn.
Ich kann nicht mehr . .

Aber auch Hamlet hat seinen k. o.
weg, — (vielleicht einen Schädelbruch
durch den Nasenschlag oder einen töt-
lichen Kinnhaken) — kurz, auch er
geht über Zeit nieder und kann sich
nicht mehr erheben, eh der Richter
ausgezählt hat.

„Horatio, ich bin des Todes"
sagt er, — dann allerdings, mit den
letzten Atemzügen, meldet er noch
Protest gegen den unfairen Kampf
an und bittet seinen Trainer, die Sache
an den Ausschuß zu bringen mit den
Worten:

„Du lebst. Vertritt nun mich
und meine Sache treu bei denen,
die schlecht unterrichtet sind . . ."
worauf er mit dem bekannten Spruch
„Der Rest ist Schweigen"
aus dem Ring getragen wird. a. d. n
 
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