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Äeriin, den 6. Mai 1928

Vieles Älatt erscheint tägtich mit Ausnahme der Wochentage
Verlag des Kladderadatsch, A. Hofmann S Eo. G. m. b. H., Äerlin 8W 4S, Wilhelmstr. 9

An meinem

Heut stehe ich, mit Sinnen rückwärts lugend.

Änd frage mich: Ist es denn wirklich wahr,

Hast du betrachtet Laster nun und Tugend
And Lust und Leid schon volle achtzig Jahr?

Was hilft's? Hinein denn in die reifere Jugend!
Kopf hoch und allezeit das Auge klar!

Der Wechsel nur ist ewig hier auf Erden,

And einmal muh es wieder besser werden.

Wie? Soll ich Trübsal blasen an dem Tage,

Der zur Erheiterung mich der Welt geschenkt?

Soll ich erneuern die bewegte Klage,

Mit der man wohl versunknen Glücks gedenkt?

Mein, gönnet mir. daß ich zu hoffen wage,

Daß, was zerbrochen, werde eingerenkt —

Weh' dem, der solch Vertraun sich liehe rauben!

Wer Großes will, muh an das Große glauben!

Soll ich die alten Freunde nun beschwören,

Die meines Lebens bunten Weg gekreuzt?

Soll ich der Längstgeschiedenen Muhe stören,

Die mich zu Widerspruch und Spott gereizt?

Laß ich sie das Verklungene wieder hören?

Mit Lob und Tadel Hab' ich nie gegeizt.

Ich schau in dieser Tage ödes Treiben
And sage niir: Das laß ich lieber bleiben!

Achtzigsten

Denn, alte Zeit, nach der ich oft mich sehne.

Selbst deine Mörgler waren glanzumflirrt,

Wie klein, wie kläglich klein dagegen jene,

Die heute meines Spottes Pfeil umschwirrt I
Ich sage nur, zerdrückend eine Träne:

Windthorst und Dichter — Scheidemann und Wirth!
And jedermann begreift wohl jedenfalles
Der neuesten Zeiten ungeheuren Dalles.

Wo war auch Kleinheit in den stolzen Tagen,

Die überschattet deine Lichtgestalt.

Du Herrlicher, der uns emporgetragen,/

And dessen Muhm durch alle Zeiten hallt!

Dein Werk wird alle Stürme überragen,

Du, der du ruhst im heiligen Sachsenwald..

Du warst mir Freund! Was kann mir Schöneres-werden,
And lebt' ich tausend Jahre lang aus Erden!

Doch grüß ich, Freunde, euch, die treu geblieben
Durch vierzig, fünfzig Jahr mir oder mehr.

Gruß, Bernhard, dir, dem ich manch Lied geschrieben,
O Fürst und Freund, der oft erfreut mich sehr!

Sei mir's vergönnt, euch alle, die mich lieben,

Oft zu erfreun noch, wenn das Herz euch schwer:

Mögt ihr mich, denen ich auch Treue wahre,

Moch lesen viele, schöne, lange Jahre.

And Du, des ich in Lieb und Treue denke,

Der siegreich stand in wilder Schlachten Glut.
Vor dem in Ehrfurcht ich die Feder senke,

Den Degen, der in meinen Händen ruht:
Altersgenoh mir! Heersürst! Großer! Lenke
Moch lang Dein Volk! — And mir, mir bleibe gut!
Gott lah es Dich auf hundert Jahre bringen
And mich dann Dir noch Deutschlands Größe singen!
 
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