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Müller: Jetzt' fängt bald die Zeit der
Jastcreien an.

Schnitze: Weeßte, wo et lauter unje-
ladene Jästc jibt und dafor
die Wirte jeladen sind?
Müller: Na — wo wäre denn bet?
Schultze: Ins besetzte Jebiet.

Müller: Stimmt! >•

Müller: Also, ick habe jar nich jcwußt,
det die Lustschiffahrt schon so
uralt is.

Schultze: Nanu? Wie kommsle denn
uff den verrückten Jedanken?

Müller: Na, det weeß doch jetzt jedes
Kind, daß die Frau Adams
schon über den Atlantik je-
jondelt is.

Schultze: Nu halt aber deine Klappe,
Müller!

Schultze: Sag mal, Müller, du willst
den Schaden der bei deinen
Nachbarn entzwei jeworfenen
Fensterscheiben taxieren lassen
und bezahlen, obwohl du die
Fenster jar nich injeschmissen
hast?

Müller: Schultze, ick bin Politiker —;

man will doch mit seinen
Nachbarn in Frieden aus-
kommen —

Schultze: Ne, Müller, du bist dusselig
und schlapp — '

Müller: Sei man vorsichtig: ick halte
mir an die Richtlinien der
Reichsrejierung.

Schultze: Na, denn halte dir man nich
Uff - ! I ers.

Gewohnte Überraschung

Alte Sitte, alten Brauch
Soll man wacker pflegen,

Denn der Ehrfurcht Würdehauch
Bringt meist großen Segen.

Auch die Republik erkennt,

Daß die Traditionen

Sich in Staat und Parlament

Wohlbeachtet lohnen.

Darum, wenn so ganz von fern
Glöckchen durch die Luft klingt,

Wenn ein Lichtlein, wenn ein Stern
Ersten Weihnachtsduft bringt:

Dann so rüstet sie aufs neu,

Dann beschert uns diese,

Altem guten Brauch getreu,

'ne Regierungskrise. p.

Oer Held des Tages

Meine Hochverehrten! Abermals hat
das Luftschiff „Graf Zeppelin" den Ozean
überquert. Auf deutschem Boden be-
grüßen wir die tapfere Besatzung und
die wagemutigen Passagiere. Bor allem
aber ihn, den Helden des Tages, der
als die wichtigste, bedeutendste und inter-
essanteste Persönlichkeit des West - Ost-
Zeppelinfluges während der Reisetage
die Welt und ihre Gazetten erschütterte,
Herrn . . . (Zwischenruf: vr. Eckener.
Hoch Eckener!!)

. . . Herrn vr. Eckener gewiß auch;
in erster Hinsicht aber dachte ich jetzt
an Herrn bzw. Mister Clarence Terhune,
den blinden Passagier! Ihm sind die
Herzen aller Menschen zugeflogen, die
noch Sinn für wahre Großtaten haben.
Es ist, fürwahr, leicht, Riesenlustschiffe
zu bauen, und menschenmöglich ist es,
in dem Riesen des Äthers den Ozean
zu überfliegen: nicht einzuschätzen in
seiner Bedeutung als Tat aber ist es,
allen Sperren und Kontrollen zum Trotz
sich als blinden Passagier in ein Ver-
kehrsmittel zu schmuggeln, das für seine
Benutzung eine Gebühr von 12000 Mark
fordert. Mr. Terhune, der erste Nassauer
des Luftverkehrs, der — sozusagen —
„blinde Columbus", der auszog, Deutsch-
land zu entdecken, der berühmte Sich-
Selbst - Einschmuggler, er ist — heut
und mindestens eine Woche lang — un-
sterblich. Beeilt euch, Mädchen, um sein
Lächeln, seinen Händedruck, sein Auto-
gramm! Ihr aber, JungenS der Welt,
eifert ihm nach! Werft eure Bücher
auf den Kehrichthaufen, laßt sogar die
Sportplätze veröden und lauft aus
Schulen wie Kontoren, aus Büros und
Fabriken davon. Was könnt ihr dort
bestenfalls erreichen? Wissen und Bil-
dung, Arbeitslohn und die Zufrieden-
heit, die wohlbetätigtes Pflichtgefühl
verleihen. Nein! Werdet Schwarzfahrer
in Luxuszügen, verkriecht euch in Schlupf-
winkeln auf Ozeanriesen, schleicht euch
ungeladen in die Ballsäle der eben er-
wachten Saison, drängt euch — ohne
euch um eine Pressekarte zu bemühen —
zu öffentlichen Empfängen, bei denen
ihr nichts zu suchen habt. — Vielleicht
werdet ihr fast so berühmt werden wie
Clarence Terhune, von dem keiner zu
sagen wagt, daß er nichts ist als —
ein vagabundierender Lausbub! r|.ri.

Oie symbolische Schnecke

Wie?! Wär's möglich?! Ich entdecke
Eine kecke,

Kleine Schnecke.

Am Bezirksamt?! Ich erschrecke!
Dennoch — ich erleb's!

Immerhin: für die Gemeine
Ist so eine
Kecke, kleine

Schnecke, wie's auch immer scheine,
Besser als ein — Krebs!!

Das Zdeal der Republik

Halb Deutschland lebt jetzt äußerst froh
Sein Leben ohne Risiko,

Mann, Weib und Kind und Kegel kichert:
„Durch Reichsgesetz sind wir versichert.
Fehlt's am Verdienste, sind wir krank,
So hilft der Staat uns, Gott sei Dank;
Und aus des Glückes höchster Stelle
Thront leuchtend die Beamtenstelle,
Dann ist die Existenzgefahr
Historischer Begriff, der war.

Drum sei es Ziel, macht die gesamten
Millionen Deutschen zu Beamten." —
Zu den: Effekt braucht's nicht mehr lang,
Die Sache ist recht gut im Gang,

Es sind derlei Gesetzesserien
Schon fertig in den Ministerien.
Natürlich ist's, daß mancher Mann
Sich hiermit nicht befreunden kann.
Erschien da kürzlich solch Patron
Vor einer Wohlfahrtskommission,
Schlug mit dem Stock auf Tisch und Akten
Und schrie: „Ihr züchtet Petrefakten,
Den Bürger ohne Schwung und Schneid,
Für uns ist's noch nicht Schlafenszeit.
Ihr ruiniert das Vaterland.

Mit Männern fühl' ich mich verwandt,
Die eurer Arbeit gar nicht grün
Wie Wissmann, Krupp, Graf Zeppelin,
Die fühlten sich erst richtig wohlig
Bei Infektion mit Risikolik,

Denn dann nur schwingt der Lebenslauf
Sich über glatten Durchschnitt ans." —
Da sprach die Kommission: „Mein Lieber,
Die Zeiten sind gottlob vorüber,

Der Brausekopf mit Tatendurst,

Der ist uns piepe, schnurz und Wurst.
Der Durchschnittsmensch, das Durch-
schnittsglück

Sind Fundament der Republik.

Das Monatsgeld ist A »nd O,

Mit Monatsgeld kein Risiko.

Wenn ihr den Zustand auch nicht wollt,
Wir wollen ihn. Hoch schwarz-rot-gold!"

Streik!

Überall bin ich zu Hause,
überall bin ich bekannt,

Mache ich im Norden Pause,

Ist der Süd mein Vaterland.

Streikt man mal nicht an der Elbe,
Dann ini Flußgebiet des Rheins,

Die Belegschaft, rot wie gelbe.

In dem Punkte ist sie eins.

Sinnbild ist für mich die Schraube,

Die sich nie zu Ende dreht,

Lebenslust der feste Glaube,

Daß es stets so weiter geht.

Und der Schlichter Rudolf Wissel
Quetscht und preßt und droht und druckt,
Hier ein bissel, da ein bissei.

Bis der Karren weiter ruckt.

Augenscheinlich, o wie fade.

Winkt mir nie ein letzter Tag,

Ahasver stand bei mir Pate,

Als ich in den Windeln lag.

Klar. Mensch, daß vor ewigem Leben
Solcher Art du mächtig bangst,
Zwiefach, denn mir wird's daneben
Auch um Deutschland himmelangst.
 
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