Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Oer Piepmatz

Oer Vogel, der da sang — Dem ist der Schnabel schlecht gewachsen!

Der Präsident der Landesversiche-
rungsanstalt des Freistaates Sachsen,
Genosse Tempel, war im vorigen Jahre
wegen Verschleuderung öffentlicher
Gelder zur Dienstentlassung verurteilt.
Das höchste Disziplinargericht Sachsens
hat kürzlich dies Urteil aufgehoben. (Je
höher, desto reiner und klarer die Luft!)
Ein Verweis und eine Geldstrafe in
Höhe des vierfachen Monatsgehaltes er-
scheinen genug. Für den Sünder!
Andern erscheint's anders.

Die Pfeile fliegen hin und her. „Hier
Tempelreinigung!" „Hie Tempelschän-
dung!" Bald ist Tempel, der Sünder
gemeint, bald der heilige Tempel, da
Frau Justitia thront. Bald noch was
anderes. Ein wüstes Durcheinander!

Nachdenklich wandte sich Frau Ger-
mania an den Herrn Völkerbund. „Du
hast den Krieg feierlich geächtet", sagte
sie, „ihn der ganzen Welt verboten."

„Aber gewiß!" beteuerte er stolz. „Und
wer dagegen zu handeln wagt, der soll
mich kennen lernen."

Sic wurde noch nachdenklicher. „Da
versteh' ich nur nicht, daß du die ewigen
Kampfhandlungen in Afrika und Asien
duldest."

„Kampfhandlungen?" wiederholte er.
„Ach, du meinst das bißchen Blutbad in
Tripolis und Marokko, die kleinen

Tempelbaulen von heute

Was ist denn geschehen? Der Präsi-
dent hat, wohl durch seinen Namen ver-
führt, das Verwaltungsgebäude in einen
Tempel Salomos mit aller seiner „Pracht
und Herrlichkeit" umwandeln wollen und
statt der bewilligten 720 000 M.
2,2 Millionen höchsteigenmächtig mehr
verbaut. Etliche meinen mild begüti-
gend: „Als ehemaliger Schreinergcsell
sieht der Mann eben gern Späne
fliegen." Weniger poetische Naturen
sprechen von verluderten Versicherungs-
beiträgen, Arbeiter- und Angestellten-
groschen, die für andere Zwecke als für
Tempclbauten gezahlt sind.

Der Umbau der Dienstwohnung hat
dagegen nur 90 000 M. gekostet. Trotz-
dem Geschrei! „Luxuriöse Einrichtung!
Frigidaire-Kühlanlage für 3000 M.!

Oer Sinn des Kellogg-Paktes
Bombenabwerfereicn in Syrien, das Ge-
metzel in Arabien? Dies alles sind doch
keine Kriege, sind nur Polizcimaß-
nahmen. Der Krieg, meine Liebe, der
wirkliche Krieg ist, wie du mit Recht
betonst, für die ganze Welt geächtet."

Aus dem Fernen Osten schallte der
Lärm von Kanonenschüssen und Ma-
schincngcwehrfcuer, das Krachen ge-
sprcngter Brücken herüber. In den
Tumult mischte sich Schmerzgeschrei un-
zähliger Verwundeter.

„Das ist doch aber Krieg! Krieg trotz
Achtung und Kclloggpakt!" rief Ger-

Schuhschrank 500 M." Ausgerechnet
über den Schuhschrank stolpert man.

Ein Jahresgehalt von 20 000 M. ver-
langt, wenn auch nicht auf hohem, so
doch auf etwas höherem Fuße zu leben.
Da muß der Schuhschrank sich in be-
scheidenem Maße der Fußbekleidung an-
passen. Eine alte Pcrsilkiste ist doch
schließlich kein würdiger Aufbewahrungs-
raum für Lackstiefel. Das nicht einsehen
zu wollen, ist ja geradezu blöde.

Bescheiden wir uns also! Wie sagt
doch Wilhelm Busch, mild und gütig:
„Verehrter Freund, so sei denn nicht
vermesien,

Sei zart und schweig auch du.
Bedenk: Man liebt den Käse wohl, in-
dessen

Man deckt ihn zu." tu.

mania. „Krieg, der für die ganze Welt
verboten ist!"

Der Völkerbund lächelte bezaubernd.
„Ich kann's nicht leugnen, so sicht Krieg
in der Tat aus. Mit Recht weisest du
immer von neuem darauf hin, daß er
der ganzen Welt verboten sei. Du kennst
meine heiße Liebe zu dir, Germania!
Du bist für mich die ganze Welt. Und
dir, o du meine Welt, Hab' ich die Waffen
weggenommen, dir den Krieg verboten.
Um die andern kümmere ich mich grund-
sätzlich nicht."

Timon der Jünger«.
 
Annotationen