Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
über 4000 Mark in einen Lederkoffer packte."
Welch eine langweilige, für die Dramatik
eines KientoppS ganz und gar ungeeignete
Räuberbande! Mit Recht darf man sich dar-
über wundern, daß nicht einer von den Kerlen
während deS Einbruchs — eingeschlasen ist.
Berliner „schwere Jungens" sind das be-
stimmt nicht gewesen.

Ilfeld (Südharz). CH. v. H.: Die „Jlfelder
Zeitung und Niedersächjischc Volkszeitung"
vom 23. Dezember 1932 bringt die Fortsetzung
des Romans „Der Mann im Nichts"; sie be-
ginnt mit folgenden Worten: „Der berühmte
Anwalt stand auf: ,Hoher Gerichtshof! Meine
Damen und Herren Geschworenen!' Es war
die beste Rede, die er je gehalten hatte. Aus
dem Zuschauraum kam Schluchzen, und die
Geschworene in der Mitte der zwölf wischte
sich verstohlen eine Träne ans dem Auge."
Aber Bester, daran ist doch nichts ausznsetze»;
denn was vermag ein tüchtiger, mit allen
Mitteln der Mimik arbeitender Rhetor nicht
schon in diese wenigen Worte hineinzulegen!
Behauptet doch sogar unser Biermörder, daß
ein ihm die Rechnung für eine Hose Präsen-
tierender Schneidermeister, den er mit
„Sehr hochgeehrter Herr!" augcsprochen hätte,
ihn wegen gröblicher Beleidigung verklagen
wollte.

Jsny i. Allgäu. L. D.: Im „Stadt- und
Landboten" (für Obcrschwaben, Allgäu,
Bodensee, Hohcnzoller») beginnt ein Lokal-
bericht unter „Göppingen" mit folgenden
Worten: „Ein unguter Zeitgenosse. In

Weißenstein wurde in der Nacht zum Sams-
tag ein Mann in verletztem Zustand mitten
aus der Straße liegend tot aufgefunden. Er
wollte von einem vorbeigekommenen Per-
sonenkraftwagen angefahren worden sein. Als
sich diese Angaben als unwahr herausstellten
und festgestellt wurde, daß der nächtliche Fuß-
gänger stark betrunken war, wollte dieser
gegen den Polizeiwachlmeistcr und die diesem
Hilfe leistenden Nachbarn tätlich werden."
„Dieser Bericht", meinte Biermörder, „er-
scheint mir ganz besonders bemerkenswert,
weil ich, trotz meiner langen .Praxis', bei
sogenannten ,Bierleichen' niemals bösartige
Regungen wahrgenommen zu haben glaube;
meistens handelt es sich bei ihnen, besonders
wenn sie ,gestrichen voll' sind, nur um gut-
artige Reflexbewegungen. Allerdings hat auch
mir einmal ein Kommilitone, den ich ver-
mittels eines Kognaks ,zum Leben erwecken'
wollte, meine ,edle Griechennasc' ein wenig
breitgedrückt."

Leuna b. Merseburg. Or. W.: In Nr. 285
des „Merseburger Tageblatts" wird über das
Konzert von Gustav Brecher und Milja
Nikisch in Leuna berichtet; unter anderm
lesen wir: „... Das Ohr war in jeder Be-
ziehung einverstanden. Es folgte dem Eigen-
leben jeder Phrase unter Nikisch bis zur
Keimzelle, der dem ersten Satze mit den
kadcnzartigen Passagenkaskaden die selbstherr-
liche Logik des Romantikus gab, der die Ro-

manze mit einem zauberhaften buntjchillcrii-
den Pianissimo bedeutender machte, als sie
eigentlich ist, hingeträumt als wunderbarer
Traum, und der der Rhythmik des Rondos
ebenfalls eine Bedeutung verlieh, die nur

Si“

ird oft nicht schön gesunden,
t sic mit Geräusch verbunden."
tönt dann die — Kritik
vie himmlische Musik;
ei» Leser, der voll Bos,
sie an verständnislos.

Licgnitz. Sch.: In Nr. 4 des „Licgnitzer
Tageblatts" lese» wir: „Laudeshut, 3. Jan.
(Das war doch vorauszusehen.) Einem Land-
wirt in Dittersbach grüssauisch gefiel der
Standort seines Kachelofens nicht, so daß er
versuchte, den Ofen mit einem Hebebaum an
eine andere Stelle zu rücken. Als dies nicht
gelang, holte er einen Zugochse» in die Stube,
nmspannte den Ofen mit einer Kette, der
Ochse aber zog jo scharf an, daß der Ofen
krachend zusammenftürztc." Dieser augen-
scheinlich verrückte Kerl erinnert uns stark an
gewisse allzu radikal und gewaltsam ver-
anlagte „Beränderungspolitiker" in Deutsch-
land, die den alten Ofen, in dem wir unser
Brot backen, auch am liebsten aufs Dach setzen
möchten. Die für derartige Versuche nötigen
Ochsen finden sich ja bei uns erfahrungsgemäß
immer in ausreichender Anzahl znsainmcn.

Norden (OstsrieSland). A. t. V.: Im „Ost-
friefischen Kurier" (Norden) vom 7. Septem-
ber 1932 wird unter „Berum" über einen von
einem Knecht an der Lichtleitung verübten
Unfug berichtet; unter anderm lesen wir:
„Der seltsame junge Mann hatte nämlich die
Angewohnheit, wenn er von dem Besuch seiner
Freundin zurückkam, längere Zeit mit aller
Kraft an dem Anker eines Leitungsmastes zu
rütteln, wodurch er die ganze Ortsleitung in
Bewegung setzte." Hier liegt aber doch ein
Mildcrungsgrund vor. Sicher wollte der
Knecht nur die während des Besuches seiner
Braut zwangsweise — verhaltenen Gefühle
ans diesem gewaltsamen, aber bei einem Men-
schen seine!, >abnjieu Schlages begreiklichen
Wege In. >,werden versuchen Dieser Kerl er-
innert uns an den bekannten Berliner
Schusterjungen, der, zur größten Verwunde-
rung „Papa Wrangcls", »nansgesetzt und mit
voller Kraft au einem Eckstein Unter den
Linden rüttelte und dabei die Worte brüllte:
„Raus muß er!" bis der Gencralfeldmarschall
schließlich, nachdem er belehrt worden war,
daß diese Worte gar nicht dem Stein galten,
höchst unangenehm berührt und fluchtartig
das Weite suchte.

Osnabrück. M.: Im „Osnabrückcr Tage-
blatt" vom 9. Januar 1933 lesen wir:
„Löningen, 9. Jan. Etwa 40 große Fenster-
scheiben wurden in der leerstehenden Wohnung
bei der Löninger Wassermühle in letzter Nacht
zertrümmert. Der Besitzer hat 50 RM. Be-
lohnung ausgesetzt." Welch eine verfehlte
Taktik! Der Besitzer dieser Wohnung müßte

energisch „Psychoanalyse" studieren, denn sehr
bald dürften ihm auch die letzten Fenster-
scheiben zertöppert werden.

Parchim (Rkcklbg.). A. B.: In der „Par-
chimer Zeitung" vom 7. Jauuar 1933 lesen
wir: „Eldena. Unfall. Am Donnerstag mor-
gen gegen 7 wurden einige verletzt, einer
davon schwer, so daß ärztliche Auto, das mit
Ferkeln beladen war, beim Aussteigen ins
Rutschen »nd fuhr gegen eine» Baum. Bon
den Mitfahrer» wurde» einige verletzt, einer
davon schwer, so ärztliche Hilsc in Anspruch
genommen werden mußte." Der in dem mit
Ferkeln beladenen Auto, das diese heillose
Verwirrung angerichtet hat, befindliche Arzt
wird wohl kein richtiger Arzt, sondern ein
Kastricrcr, ein sogenannter „Schweineschnci-
der", gewesen sein; die Herren von dieser
„Fakultät" werden nämlich in gewissen
ländliche» Kreisen, die die einzelnen
Wissenschaften nicht genau auscinanderzuhallen
wissen, häufig „Doktor" genannt. Die
gleiche akademische Würde pflegen auch die
Hühneraugcnopcrateurc zu erhalten.

Rastatt. E. v R.: Im „Rastatter Tage-
blatt" vom 9. Jannar 1933 befinde, sich der
Bericht über eine Tanzvcransialtung von
Fräulein Tina Brugger; darin heißt eS: „Ihr
orientalischer Tanz war exakt und verinner-
licht bis zur kleinsten Bewegung und brachte
das gewisse „Etwas" glänzend zum Ansdruck,
das der Zuschauer sich mit dem Wort ,orien-
talisch' verbindet." Sie irren, Verehrtester;
an de» Körperteil, der Ihnen offenbar „vor-
schwcbt", hat der Kritiker bestimmt nicht ge-
dacht, wenn er auch natürlich bei einem
orientalischen Tanze keine ganz unbeträchtliche
Rolle zu spielen Pflegt.

Zcist (Holland), vr. F. v. H.: Im „Mün-
sterischen Anzeiger" (Münster i. SB.) vom
11. Januar 1933 befindet sich ein wissenschast-
lichcr Zlussatz mit der Überschrift „Was ist der
Mensch?" Er beginnt mit folgenden Worten:
„Es gibt wesentlich nicht etwa unendlich viele
Antworten ans die Frage: WaS ist der

Mensch?, sondern nur ein Paar, die alle schon
gegeben worden sind, heute aber vielleicht
simultan in einem Massen- und Mischchor
von origineller Kakaphonie gegeben werden."
Was haben Sie denn daran anszusctzen; man
soll nicht so viel „bcckmessern" und nörgeln.
„Kakaphonie" stellt eine durchaus logische
Wortbildung dar: „Kairos" (griechisch) heißt:
schlecht; „Kaka" bedeutet etwas, das noch
schlechter ist; warum sollte man also nicht
„Kakaphonie" sagen können?

Mi



s sä:.'. '.~ .....
 
Annotationen