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Letzte drahtlose Meldungen unserer über die Weltpresse gebeugten Sonderberichterstatter

Pavole

Wcltscind Nr. 1. Die Wirkung der
Parole des Reichsparteitages gegen den
Bolschewismus ist in Moskau nicht ohne
Wirkung geblieben. Die in den „Strom-
kreis" der sowjetischen Kraftwirtschaft
verbannten Machthaber, deren „Siche-
rungen" zu schmoren beginnen und durch-
zubrennen drohen, haben sich daraufhin
sofort aus dem Flugwcge über Hamburg
aus Nordamerika 255 000 Zitronen- und
Orangcnbäumchcn kommen lassen. Man
will sich neue „Pflanzen" heranziehen, um
„Früchtchen" zu einten, die man dann
wieder „ausprcssen" kann. Aus dem
russischen Volk ist nämlich nichts mehr her-
auszupresfen. Überaus bezeichnend ist da-
bei die Wahl von Zitronen und Orangen.
Die „saftige" Behandlung, die ihnen sicher
ist, dürste kein süßes Gebräu zeitigen. Der
Obstverkäufcr Stalin ist als Gcizknochen
bekannt, wenn es sich darum handelt,
seinen verdurstenden Seelen etwas
„Zucker" in das Bitterwasser zu schütten.
Wer dazu ein saures Gesicht macht, kann
Blut haben, das 'für den russischen
Mephisto ein besonderer Saft ist und frei-
gebig verschänkt wird. Statt Limonade
einen Teufelstrank — das ist wirklich
bitter. Blutorange macht besoffen, aber
aus den Rausch folgt das Erwachen, auf
das Erwachen der Kater — und dann
Prost Mahlzeit!

Politik

Eeneralaustrag. Auf dem Reichspartei-
tag in Nürnberg empfing der Reichspresse-
chef der NSDAP., Or. Otto Dietrich, die
Weltpresse. Er sagte u. a., der Eeneral-
austrag, der der Partei erteilt ist, heiße:
Das Wohl des Volkes. Der National-
sozialismus habe an die Stelle der Phrase
die Tat gesetzt. Er appellierte deshalb an
die Presse, sich als „Auge und Ohr der
Welt" nicht zum Anwalt des Ver-
gangenen, Überlebten zu machen, sondern
zum Sprachrohr des befruchtenden Neuen.
Bravo! Da ist jeder „Mann der Tat" an
Ihrer Seite. Mit Herz und Hand schreibt
er für's Vaterland.

Genie und Kritik. Unser Dctmolder
Korrespondent Erabbe meldet über das
Verhältnis des Genies zu den Kritikern
folgendes: „Die Kritiker ziehen mühselig
die Schranken und machen sic just so weit
wie ihr Gehirn, also sehr enge: das Genie
tritt herein, findet sie jämmerlich schmal,
zerbricht sie und wirst sie den Kritikastern
an den Kopf, daß sie laut heulend aus-
schreien: wenn dann der gemeine Haufe
dies Gezeter hört, so sagt er in der Einfalt
seines Herzens: sie kritisieren!"

Spovt

Dunkle Sache. Jesfe Owens, der ameri-
kanische Negerstudent, lief bei den Ber-
liner Olympischen Spielen hinter den
Goldmedaillen her und erwischte ihrer

drei. Nun rennt er, nachdem er auf der
Heimreise verschiedentlich angceckt ist,
durch Amerika in sein Unglück: er will
Politiker werden. Wenn wir uns den
jungen Mann vorstellen, wird uns so
schwarz vor Augen, wie es ihm noch wer-
den soll. Jcsse will sich zunächst" im
Präsidentschastswahlkampf für den re-
publikanischen Kandidaten London cin-
sctzen und erst später „ernsthaft der Politik
widmen". Das ist ja noch ein Trost!
„Später" hat er dann vielleicht schon die
Nase voll und gemerkt, daß bei solchem
„Hochsprung" hinter der Hürde, wenn man
sie überhaupt zu nehmen vermag, keine
Matratze oder weicher Sand liegt, sondern
steiniger Boden, auf dem unsanft zerschellt,
wer hinunterpurzelt. Aber renne nur,
Jcsse, mache den Laufjungen für Mister
Landon, der im Luxuszug durch die
Gegend braust und die Bahnhöfe als Ver-
sammlungslokale benutzt: drei Minuten
Aufenthalt, drei Minuten Rede, schrumm
ab. In Bestzeit gcspcecht und gespurtet,
da kann es nicht fehlen. Während der
Kopf über die Schienen rollt, sollst du die
Beine in die Hand nehmen und das
Rennen machen. Drum, Schuster, bleib'
bei deinem Leisten, schlag das Tempo
„Karriere" an, sonst ist es mit deiner
politischen zu Ende, noch ehe sie an-
gefangen hat.

Srnanzwesen

Zahlbrett. In der Rcichsbank traf dieser
Tage ein Stück Dielcnsußboden ein, auf
dem ein Zwanzigmarkschein klebte. Der
Besitzer, der um Rückgabe seines Zahl-
brettes, auf dem man auf großem Fuße
leben kann, dringend ersuchte, bat um Er-
stattung des Betrages, da der Schein nicht
vom Holz zu lösen sei. Er sei durch einen
Luftzug auf den srischgcjtrichcncn Fuß-
boden seiner Wohnung geweht worden
und dort auf dem Lack festgeklebt. Es
fragt sich, ob nicht unser Mann der Lak-
kierte ist, an dem eine Menge Kosten
kleben bleiben für die Note, die er an
Herrn Schacht richtete. Allein der „Trans-
port" bringt ihn ins Debet.

wtvtschaft

Streik der Bajaderen. Die Unruhe der
Welt hat nach Mittelindien Lbcrgegrissen.
Die Gewerkschaft der Bajaderen, von den
geschäftstüchtigen Tempeltänzerinnen ge-
gründet zur Vcrbesierung ihrer sozialen
Lage und Wahrung ihrer Berussinteressen,
hat der englischen Regierung ein Ulti-
matum überreicht. Die „Obsraucn" pro-
testieren gegen die Ausbeutung der Baja-
deren und beantragen die Einführung des
Achtstundentages. Die Mädchen haben
eigentlich Recht. Die Genüsse und Freuden
des Daseins, beruflich gespendet, verlieren
nach acht Stunden ihren Reiz, der Tempcl-
tanz erstarrt zur Routine und schließlich
bleibt Mahadö, der Herr der Erde und ihr
Stammkunde, ganz aus. In seinem Inter-

esse hoffen wir, daß der Streik vermieden
wird, wünschen abcx bei unserem nächsten
Besuch in Mittclindicn einen Tarifvertrag
vorzufinden, der gleichzeitig die leidige
und immer wiedcrkehrende Trinkgeldfrage
der Bajaderen regelt.

Amtliche Nokanntmachuus

Die deutsche Sprache betreffend. Wieder-
holt haben Behörden und andere Fanatiker
der Sprache Dienststellen und Privar-
personen angefleht, richtiges Deutsch zu
schreiben. Was aber soll man von den
Lesern verlangen, wenn eine Zeitungs-
korrespondenz in der Presse folgende Er-
läuterung eines Rcichsgcrichtsentscheides
über die „Verlängerungsfrist für den
Prozeßbevollmächtigten" also verbreitet:

„Wird die Ausfertigung der Vcrlänge-
rungsverfllgung in das beim Gericht für
den Prozcßbcvollmächtigten, der die Ver-
längerung nachgesucht hat, zwecks Ab-
holung des zuzustellenden Schriftstückes
eingerichtete Fach gelegt und dem Prozeß-
bevollmächtigten von dem dem Anfragcn-
den bekannten Beamten der Geschäftsstelle
ihm fernmündlich mitgcteilt, die Frist sei
verlängert, die schriftliche Bestätigung
gehe zu, so ist damit die Zustellung er-
folgt, auch wenn der Prozeßbeooll-
mächtigte erst später, nach Ablauf der
alten Frist, die Empfangsbestätigung aus-
stcllt und die Geschäftsstelle erst später
einen Vermerk über die fernmündliche
Mitteilung macht."

Du mußt es dreimal lesen — und auch
dann wirst du nur schwer begreifen, daß
so etwas möglich ist. Sicherheitshalber
empfehlen wir, keinesfalls um eine
weitere Verlängerung einzukommen.

IVettevbevlcht

Nachdem über Mitteleuropa ein von
Osten kommendes Tiefdruckgebiet seine
Schatten wirst, muß damit gerechnet wer-
den, daß es tatsächlich in der Eiszeit
wärmer war als heutzutage. Kein Wun-
der übrigens, wenn man bedenkt, daß
eisige russische Temperaturen in das fran-
zösische und spanische Klima eingebrochen
sind. Jedoch darf man für die nächste Zeit
eine Besserung der Wetterlage insofern er-
warten, als das unverminderte Hoch der
deutschen Strömung den durcheinander-
geratenen atmosphärischen Spannungen
kräftigen Widerstand leistet und sehr wohl
in der Lage ist, das Paradoxon wahr zu
machen: mit südlicher Wärme srostklaren
Himmel zu schassen.

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