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Christ! Steh still und bct a biß!:
hier liegt der Brauer Jacob Nissl.
Zu schwer fast mutzt er bützcn hier.

Er starb an selbstgebrautem Bier.

Hier liegt Eottlieb Lamm.

Er starb durch einen Sturz vom Damm.

Eigentlich hieß er Leim,

das patzt aber nicht in den Reim.

Ich als treuer Hirtenknab
stieg die Berge auf und ab;
gesucht ha' ich die Schafe hier
und fand mein frühes Grab dafür.

Beglückt, wer in der Welt
so seine Rolle spielt,
daß, wenn der Vorhang fällt,
er keine Reue fühlt.

(Aus de» von Ludwig von Hörmann gesaniiiiclten Marterln und Grabschriften, die als Auswahl bei Gcbr. Richter i» Erfurt erschienen sind.)

Weihnacht

Früh hat der Winter seinen Pelz gelegt
auf Wald und Felder und verschlafne Hütten.
Kein Hauch, der über weitem Land sich regt.
Die Dämmrung sinkt. Von ferne klingt ein Schlitten.
Der Frost steht in der Luft wie blankes Glas.
Stumm liegt der Teich gefesselt unterm Eise.
Ein Krähenpaar, das auf dem Baume sah,
sucht hoffnungsvoll im Schnee ein Krümchen Speise.
Noch liegt, als ob den Atem sie verhält,
rings die Natur im winterlichen Schlafe.

And doch geht bald ein Klingen durch die Welt
und weckt das Feld und weckt im Stall die Schafe.
And weckt die Menschenherzen alt und jung
und fliegt durch Wälder und verträumte Orte
und singt viel selige Erinnerung
und singt viel selige, uralte Worte.

Da senden alle Fenster hellen Schein,
da werden Kinderaugen glücklich strahlen,
da wird ein Glanz am Sternenhimmel sein
und Silberlichter auf die Bäume malen.

Die Dämmrung sank. Der ersten Glocke Klang
kommt fernher schwingend durch das Abendschweigen.
Das ist der Weihnacht himmlischer Gesang
mit Aeolsharfen, Orgelspiel und Geigen.

Sie breitet ihren Strahlenzauber aus

und hat in Glückes Traumland uns genommen.

Es kündet Lichterglanz aus jedem Haus:

mit Freud' und Frieden ist die Weihnacht kommen.

Pocht sie an alle Türen dieser Welt?

Wird sie in allen Herzen widerklingen?

In denen auch, die Hah umfangen hält,
und die am Abgrund mit dem Tode ringen?
Wird dieser Klang zum brausenden Ehoral
vom Glauben an der Menschheit hohe Ziele?
Schürt alle mit am lodernden Fanal,
dah Helle die im Dunkeln überfiele!

Steigt aus der Tiefe froh empor zum Licht!

Laßt euch zur Menschenliebe heut geleiten
und laßt den Willen und den Glauben nicht:
sie strahlen sieghaft über alle Zeiten.
 
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