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Sodawater im

Lord Sodawater ward im Geiste in
den Osten versetzt, wo ihm der große
Meister Kung von ungefähr begegnete.
Der Lord war sozusagen in geheimer
Mission in jenem Eeisterreiche, wo er
die britischen Interessen zu vertreten
meinte. Da es nun eine in dieser Hin-
sicht trübe Zeit war und man im Fernen
Osten nicht mit der nötigen Ehrerbie-
tung dem Engländer als einem von
allen Göttern ausgezeichneten Wesen
begegnete, sondern ihn in der Wahr-
nehmung seiner höchst leiblichen Jntcr-
effen zu hindern wagte, war Lord Soda-
water nicht gut auf die Meister des
Ostens zu sprechen.

„Was sind das für Zustände?", be-
klagte er sich bei Meister Kung.

Der Meister sprach: „Bon denen, die
ein Päckchen Dörrfleisch mitbrachten,
habe ich noch nie einen von meiner
Belehrung ausgeschlossen."

„Was soll das heißen? Habe ich
etwas mit Dörrfleischimport zu tun?"
fragte der Lord.

„Nein", versetzte Meister Kung.
„aber ich wollte nur sagen, daß ich bei
meinem Unterricht keinen Unterschied
zwischen Arm und Reich mache."

„Selbstverständlich ist man reich,
wenn man Engländer ist . . .", ent-
gegnete der Lord stolz.

„Wenn in einem Lande Ordnung

Fernen Osten oder Oie Weisheit

herrscht, so ist Armut und Niedrigkeit
eine Schande: wenn in einem Lande
Unordnung herrscht, dann ist Reichtum
und Ansehen eine Schande." Das
waren Meister Kungs Worte.

„Was sind das für Redensarten?",
fragte der Lord. „Wir wollen nichts
als die Respektierung unserer Geschäfte
in Asien."

Der Meister sprach: „Wer nicht das
Amt dazu hat, der kümmere sich nicht
um die Regierung."

„Ich verbitte mir diese Dreinrede!",
rief der erzürnte Lord.

Der Meister sprach: „Der Edle ist
ruhig und gelassen, der Gemeine ist
immer in Sorgen und Aufregung . . ."

„Ihr scheint die Macht der britischen
Flotte und unserer Truppen zu unter-
schätzen!", antwortete der Lord drohend.

Der Meister dagegen sprach: „Einem
Heer von drei Armeen kann man seinen
Anführer nehmen: dem geringsten
Mann aus dem Volke kann man nicht
seinen Willen nehmen."

„So ermutigt man die Feinde der
guten Sache!", brummte Lord Soda-

Der Meister sprach: „Der Edle ist
bewandert in der Pflicht, der Gemeine
im Gewinn."

Der Lord murmelte: „Ungemeine
Gewinne entgehen uns..."

des Konfuzius

Und der Meister sprach auch vor sich
hin: „Der Edle liebt es. langsam im
Wort und rasch im Tun zu sein..

„Man sollte sich mit diesen Farbigen
gar nicht unterhalten", versetzte der
edle Lord im Selbstgespräch.

Der Meister sprach: „Es mag auch
Menschen geben, die, ohne das Wißen
zu besitzen, sich betätigen. Ich bin nicht
von der Art..."

„Ein Brite weiß sowieso alles und
noch dazu bester! sagte Sodawater.

„Ich habe noch keinen gesehen",
klagte Meister Kung, „der seine
eigenen Fehler sehen und innerlich
sich selbst verklagen könnte."

„Wie könntet ihr das auch ...?"
war des Lords stolze Antwort.

„Wem seine Kraft nicht ausreicht,
der bleibt auf halbem Wege liegen,
aber du beschränkst dich ja von vorn-
herein selber!"

„Was soll das?" knurrte der Lord.

„Freunde sollen sich gewistenhast er-
mahnen und geschickt zum Guten führen.
Wenn es nicht geht, so halte man inne.
Man muß sich nicht selbst der Be-
schämung aussehen . . ."

„Jetzt werden Sie persönlich!", rief
der Lord und entzog sich der Weisheits-
rede Meister Kungs.

Wir wollen abwarten, wie ihm das
bekommt. 6. H.
 
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