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Kladderadatsch — 92.1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.2319#0499
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Geschichtliche parallelen

„3d? erwachte eines Morgens und war berühmt!'

„3ch erwachte eines Morgens und fand mich lächerlich!'

Childe Harolds Wiederkehr

Lord Sodawater (begegnet in seinem Stammschloß
dem Geist Lord Byrons, erkennt ihn aber nicht): Hallo!
Wie kommt ein Geist in dieses Haus? Sind Sie von meiner
Familie?

Lord Byron: Ich hoffe es nicht.

Lord Sodawater: Darf ich dann um eine Erklä-
rung bitten, wieso Sie sich hier aufhalten?

Lord Byron:

Wißt ihr, was uns dies kahle Dasein gibt?

Gebrechliche Vernunft, ein stumpf Gesicht,

Wahrheit ein Kleinod, das die Tiefe liebt.

Wert abgeschätzt nach falschem Marktgcwicht,
die Meinung Allmacht, die in Nacht uns dicht
cinhüllt, bis Recht und Unrecht Zufall werden . . .

L.ordSodawater:Jch zweifle, ob Sie ein englischer
Geist sind, wenn Sie solche Ketzereien von sich geben . . .
Lord Byron:

. . . Und so ins Elend stolpern sie und erben
von Kind zu Kindern stolz und wohlgemut
ihr faul, zertreten Dasein, bis sie sterben . . .

Lord Sodawater: Sollte ich Sie recht verstanden
haben, so muß ich Ihre Unterstellungen als beleidigend in
diesem Hause zurückweisen! Wir führen kein faules und
zertretenes Dasein, wir Engländer von 1939! Dergleichen
könnte vielleicht für Italiener zutreffcn!

LordByron:O! Schrieb ich nicht an meinen Freund
Hobhouse: „Was Italien durch den letzten Völkertausch-
handel gewonnen habe, das zu untersuchen, wäre für einen
Engländer überflüssig, bis ermittelt sein wird, daß Eng-
land selbst etwas mehr erworben-hat."

LordSodawater: Sie sind wohl ein deutscher Geist?
Da kann man ja nichts Besseres von Ihnen erwarten.

Lord Byron:

. . . Echter Weisheit ist

ihr selbstgeschaffenes Reich genug und deins,

Mutter Natur! wie überreich du bist
am Ufer deines königlichen Rheins!

Lord Sodawater: Da haben wir's: ein Rhein-
länder! Ein Deutscher!

Lord Byron:

Du aber, jauchzender, glücksel'ger Fluß,
du Strom des Segens für dein schönes Land!

Wie unvergänglich wäre dein Genuß,

wenn nur der Mensch verschonte deinen Strand!

Lord Sodawater: Natürlich — das gefällt diesen
Deutschen nicht, daß Englands Grenze nach dem Ausspruche
eines unserer unsterblichen Staatsmänner am Rhein liegt!
Lord Byron:

Doch nagende Erinnrung, schwarzen Traum

Spült auch der Rhein nicht fort mit seinem Wogenschaum.

Lord Sodawater: Aha, jetzt meint er die Be-
satzungsjahre . . . Schwarzen Traum! Das sollen die
Negersoldaten des glorreichen Frankreich bedeuten!

Lord Byron:

Frankreich soff Blut, um Greuel auszuspein,
und tödlich sollt' ihr wüstes Saturnal
der Freiheit aller Land' und Zeiten sein . . .

Lord Sodawater: Ich verbitte mir diese Beleidi-
gung der Großen Revolution, deren 150. Geburtstag wir
Engländer jetzt grade mitgefeiert haben!

Lord Byron:

Gerechter Lohn! — Frankreich knirscht ins Gebiß!

Ja, ward die Welt denn freier?

Lord Sodawater: Freier? — Das fragst du?!
Lord Byron (verschwindend): Scham läßt mich
schwinden, sag's deinem England! Byron blieb heimatlos!

Lord Sodawater: Byron . . .?! War das nicht
dieser skandalöse Abenteurer? c.h.
 
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