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Gespenster am Kami»

Im Weißen Haus verdunkelt man die Fenster,
wo kürzlich noch ein Meer von Lichtern schien.

Es spuken kichernd bleiche Schreckgespenster
um Mister Roosevelts friedlichen Kamin.

Hoch in den LUsten tönt ein Summen und ein Schwirren
und eine Stimme donnert iiber USA.,
daß Wände bersten und die Scheiben klirren -
Man rief mich. Nun wohlan, der Mars ist da.

Die Unterwelt sieht fette Beute winken,
im Triiben fischt es sich nochmal so gut.

Der Dollar und die ersten Schisse sinken,
und manchem sinkt auch schon der Übermut.

Die Börsianer wechseln die Quartiere
voll Vorsicht schon nach Südamerika.

Hoch stehn im Kurs Verdunkelungspapiere.

Die Börse reagiert - Der Mars ist da.

Frau Roosevelt sagt zu dem Göttergatten -
Du bist so blaß, mein teuerster Gemahl.

Ec stöhnt erschreckt vor seinem eignen Schatten;

O Weib, mir scheint, der Krieg wird jetzt total.

Sie tröstet ihn mit vielen schönen Reden -
Sei unbesorgt, wir bleiben doch verschont.

Wenn's Schlimmste kommt, dann flüchten wir gen Schweden,
das liegt fernab vom Mars, weit hinterm Mond.

USA.-Paradoxa

In diesen Tagen lachte die halbe Welt
über die in der Kriegsnot abgegebenen
sozialistischen. Versprechungen gewis-
ser Plutokratenhäuptlinge, weil einmal
— für alle hörbar — festgestellt wurde,
daß dieser plutokratische Sozialismus
genau so paradox ist wie die Empfeh-
lung eines unfehlbaren Haarwuchsmit-
tels durch einen Friseur mit kahlem
Schädel.

Damit ist die Reihe der Paradoxa, die
die Allgemeingültigkeit von Sprichwör-
tern besitzen, um ein weiteres berei-
chert. Zu Ende aber ist sie damit noch
nicht, denn es gibt vieles, was para-
dox ist.

Ist es nicht paradox, daß ein Präsident,
der keine drei Schritte allein gehen
kann und selbst beim Stehen noch
zweier Krücken bedarf, mit Riesen-
sätzen dem Krieg nachläuft, Fund um
die Erde rennt, und zwar so schnell,
daß der Kriegsgott, den er mit den Hän-
den vor sich her schiebt, ihm selbst
wieder in den Rücken fällt?

Nicht paradox ist es, wenn die erfolg-
reichsten Versuche Roosevelts zu einer
Kriegsbrandstiftung vom Kamin aus-
gingen, an dem er redete; wie es auch
nicht paradox ist, daß er beim unge-
schickten Hantieren am Kamin zu-
nächst sein eigenes Haus in Flammen

Paradox ist, wenn ein Marineminister,
der seinem Präsidenten und seinem
Volk meldete, er warte nur auf den Be-
fehl, Japan mit seiner Flotte auszura-
dieren, bei der Besichtigung des ersten
Radierstriches auf Pearl Harbour nach
Zeitungsberichten einen Nervenschock
bekommt und selber Knox-out liegt.
Nicht paradox ist, daß Washington am
ersten Tage des Krieges mit Japan ver-
dunkelte aus Furcht vor japanischen
Fliegern, deren Weg dorthin rechts oder
links herum um die Erde etwa gleich
lang gewesen wäre. Denn • schließlich
wußten wir schon vorher, daß das
Weiße Haus der dunkle Punkt auf der
gestirnten und gestreiften Weste Onkel
Sams ist.

Paradox ist, wenn vermöge eines Pacht-
und Leihgesetzes USA.-Waffen allen
Ländern der Welt offeriert werden mit
Ausnahme der USA. selbst.

Nicht paradox ist es, daß ein Land, das
sich an allen Ufern des Atlantik von
der Arktis bis zur Antarktis mit Stütz-
punkten überfraß — — — achtern
ebensolche verliert.

Paradox dagegen ist entschieden die
allen Naturgesetzen widersprechende
Rolle, die-W. C. bei diesem Phä-

nomen der Unverdaulichkeit spielt.
Nicht paradox ist, daß Roosevelt damit
die USA. noch nicht auf den Hund, aber
doch schon auf W. C. gebracht hat, auf
W. C., den Hund!

Paradox wäre, wenn Winston Churchill
diesen Vergleich ästhetisch fände.
Nicht paradox finden wir, daß der Sen-
der Boston neulich mit Genugtuung
feststellte: Hitler trat hungrig in die-
sen Krieg, wir sind satt.

Paradox dagegen ist es, daß die berufe-
nen US-amerikanischen Hüter von der
Lehre der Kriegsschuld Deutschlands,
Italiens und Japans diesen Sprecher des
Senders Boston noch nicht auf dem
•Scheiterhaufen verbrannten. Denn die-
ser eine Rülpser eines vollgefressenen
Plutokraten, der auf den Schreck von
Pearl Harbour, Manila, Hongkong, Sin-

gapur und Guam offensichtlich in
einem solennen Frühstück sein seeli-
sches Gleichgewicht wieder herstellte,
dieser Rülpser wiegt schwerer, als zehn
feierliche Rooseveltreden über den Se-
gen der friedlichen Weltherrschaft des
Kapitals, die man gegen die Revolution
der nationalen Arbeit verteidigen und
wiederherstellen muß.

Es war nicht paradox, daß Roosevelt,
der bisher so sprach, als wäre er das
Weltgewissen höchstpersönlich, nach
der japanischen Kriegserklärung auf-
sieht und diese vermeintlich schon be-
setzte Instanz über sich erblickt.
Paradox dagegen ist es, daß er sich um
Hilfe an dieses Gewissen wendet, das
er unterwerfen wollte.

Am paradoxesten aber wäre es, wenn
die Leser des „Kladderadatsch“ diese
Liste nicht selber fortsetzen könnten.
Sie wären es nicht wert, ihn bisher ge-
lesen ZU haben. Hanlon

Kladderadatsch
 
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