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QUIDAM AM STAMMTISCH

HEINRICH VON TREITSCHKE

Ein Herz, glühend von großer
Leidenschaft,ci»Hirn,kalt und
klar, die Machtverhältnisse be-
sonnen erwägend - bas ist die
Stimmung der Seele, die dem
Patrioten geziemt i» einer Na-
tion, die um ihr Dasein ringt.

STILL, SEI STILL

O du Erdenwelt

ziehst gelassen du dahin die Bahn;
hebst dein Angesicht
aus der Nacht ins Licht,
wenn der Dunkelheit genug getan.

Daß wir Menschen doch
unsres Lebens ]och
trügen so den Ewigkeiten zu;

statt durch Kreuz und Quer

Seel und Leib zu bringen um die Ruh.

Still, sei still, mein Herz!

immer wieder nehmen deinen Flug,
braucht’s ein Schwingen-Paar.

Selbst den stolzen Aar

eines Flügels Kraft noch niemals trug.

Lieb dein Lebensleid,

schneller dich als Wohlergehn enthebt.
Lieb dein Lebensglück,

leichter es als Qual mit dir entschwebt.

Quidam: Wollt ihr nich mal jelejentlich
wieder det Radio abdrehen? Det „Zeitge-
schehen“ spüren wir ja sowieso am eignen
Leib. Schließlich sind wir ja ein Jesangver-

Meicr: Leider! Denn daß gerade Sie mit
Ihrem abendfüllenden Vollbart sich als Te-
nor getarnt haben, will mir nicht in den

Quidam: Was hat denn mein Bart mit der

Meier: Der Sauerkohl hemmt die Resonanz.
Das ist gerade so, als ob man in eine Roß-
haarmatratze reinsingt. Seien Sie menschen-
freundlich und lassen Sie aus Ihrer Bart-
wolle Wintersocken für Negerkinder strik-

Schulze: Ich verstehe ja auch nicht, daß Sie
sich den Bart stehen lassen!

Quidam: Det is doch janz einfach: Früher,
wenn man in den Spiegel guckte und
merkte: „So’n Bart!“, dann jing man ent-
weder zum Friseur-

Meier: — oder man schnitt sich selber!
Quidam: Heute hinjejen muß man erst zum
Bürgermeister jehen und sich 'ne Seifen-
karte holen, ehe man auf die Tube drücken
kann — auf die Rasierkremetube. Und ick
habe doch nun mal 'ne zarte Haut!
Schulze: Aber ein dickes Fell, sonst würden
Sie schon gemerkt- haben, daß das Karten-
system prima ist.

Quidam: Jewiß doch! Ick hab mir jetzt so-
gar 'ne Briefwaage jekooft, damit ick meine
Fleischration wiegen kann!

Meier: Essen Sie doch Kalbshirn! Da brau-
chen Sie sich bloß ein Loch in den Kopf zu
bohren, und schon sind Sie Selbstversorger
und gänzlich markenfrei!

Quidam: Das ham Sie woll schon auspro-
biert? Frau Pusicke, jeben Se mir noch een
Schoppen!

Schulze: Geben Sie ihm einen recht säuern!
Der zieht ihm die Löcher in den Strümpfen
zu und hilft, Punkto auf der Kleiderkarte
sparen.

Quidam: Hören Se bloß uff mit Kleider-
karte, sonst platzt mir der Papierkragen!
Meier: Wenn Sie mal versuchen würden, zu
denken, dann würde Ihnen auffallen, daß
die Kleiderkarte zwei Seiten hat: eine be-
druckte, die dem Einzelnen, und eine mora-
lische, die der Gesamtheit zugute kommt.
Quidam: Det soll ja alles sein! Moral is
überhaupt wat Scheencs! Aber een Schweine-
schnitzel — so mit Lamberkengs übern Tel-
lerrand — is ooch wat Scheenes! Na, Frau
Pusicke, wie is es denn mit eener Pochtion
für’n Kranken?

Wirtin: Heute ist fleischloser Tag!
Quidam: Sehen Se, meine Herren, det muß
sich nu een schwerarbeitender Geschäfts-
mann sagen lassen!

Meier: Na, na! So schlimm ist es doch nun
auch nicht! Sie werden schon nicht sterben,
wenn Sie mal ’n bißchen mehr Gemüse
essen! Oder brauchen Sie alle Tage ein hal-
bes Schwein?

Quidam: Hören Se schon endlich uff, mich
zu flachsen!

Schulze: Warum denn? Durch die Punkt-
karte ist ja dafür gesorgt, daß der Flachs
nicht alle wird! Bei uns wird hoffentlich nur
eins recht bald alle.

Quidam: Und det wäre, wenn man fragen

Schulze: Die Dummen, Herr Quidam! Die
Dummen sollen alle werden, die an allem
was herumzumeckem haben!

Wirtin: Na, lassen Sie man, Herr Schulze!
Quidam wird auch noch vernünftig werden!
Bei manchem dauert es eben ein bißchen
länger!

Quidam: Besten Dank, det Se mir hilfreich
in die Seite jetreten sind, Frau Pusicke!
Und weil Se so 'ne mitfühlende Seele zu sein
scheinen — wie is et denn mal mit ’n paar
Zentimeter Wurscht hintenrum?

Wirtin: Nich in die Lamäng! Hintenrum is

Quidam: Na, denn kann ick ja ooch ab-
haucn!

Meier: Nichts für ungut, HerrQuidam! Wir
meinen es alle bloß gut mit Ihnen! Besser,
wir ziehen Sie mal markenfrei durch den
Kakao, als daß Sie sich in dumme Gedanken-
gänge verlaufen!

Quidam: Quidam verlooft sich jrundsätzlich
nich! Und er weeß ooch, wat er zu tun und
zu lassen hat, verstehn Se! Meine Vorfahren
waren schon feine Leute, wie Ihre Ahnen
noch als Affen uff'n Boom saßen und Baum-
rinde fraßen! Wat aber meine werte Person
is, die kann sich zu diese Diät nich ent-
schließen! ’n Abend!

Wirtin: Morgen nicht so spät, Herr Qui-

Meier: Eine Weisheit will ich Ihnen noch
mit auf den Weg geben: Wer eine Extra-
wurst gebraten haben will, der kriegt sein

Schulze: Und damit wäre ja denn auch alles

Quidam: Nu sag bloß noch eener „Spick-
aal“, denn kriegt er eene vor’n Ballon!
Wirtin: Na also! Ganz so entkräftet schei-
nen Sie ja noch nicht zu sein!

Reingefallen

Churchill machte einmal einen Verdauungs-
ritt über Land und erblickte auf einem
Acker einen pflügenden Bauern. Er rief
ihn heran: „Man sagt euch Landleuten
viel Lebensweisheit nach. Stellt mir eine
verzwickte Frage, die ich nicht beantwor-
ten kann; werdet Ihr das fertigbringen?“
— Der Bauer kniff die Augen ein wenig zu,
musterte ihn kritisch und antwortete
schlagfertig: „Ich hoffe, Sir! Was ist das
Mittelding zwischen einem Esel und einem
Pferd?“ — „Um das zu erraten, braucht
man nicht viel Bauernschlauheit aufzubrin-
gen: Natürlich ein Maultier!“ — „Nee“,
sagte der Bauer, „in Ihrem Falle ein

ZU RISKANT

Die Juden in den Krieg zu senden,
das war' vergeblich. Bitte sehr:
sie reden dauernd mit den Händen;
wo lassen sie da das Gewehri
Sie schießen nicht gezielt auf Feinde,
wie jeder draus erkennen muß.

Nur bei Gefahr geht der Gemeinde
— ins Hosenbein — ein sichrer Schuß.

Sie brauchen gar nicht erst zu kämpfen
in Wüste, Wald und Dorf und Stadt.

Man braucht nicht ihren Mut zu dämpfen;
sie sind von vornherein schon — platt.

daß mancher Cohn — ins Heer gestoppt —
die Ausrüstung — dem Plan entgegen —
a tempo meistbietend verkloppt!

Kladderadatsch
 
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