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Wer ist CHURCHILL?

Der geheime Sonderkorrespondent des
„Kladderadatsch“ in London, der sich
über- alle Fährnisse der letzten Jahre
an seinem Arbeitsplatz zu halten ver-
mochte, hat uns nach längerem Schwei-
gen eine Information-von größter Trag-
weite zukommen lassen. Sie lautet
wörtlich:

„Anfang Januar. gelang es mir, eine
Dauerstellung zu erhalten als Bewacher
der Ruine eines Geschäftshauses am
Madison Sciuare, deren Trümmerhaufen
noch vor Schatzsuchern bewahrt wer-
den muß. Die Freundin des Sohnes
meines Kollegen vom Nachbarhaus ist
die Tochter der Waschfrau einer vor-
nehmen Familie, in deren Wohnung
sich nach meinen Berichten merkwür-
dige Vorgänge abspielten. Auf dem Um-
weg über zwei Stück Kernseife erfuhr
ich, daß in die fragliche Wohnung ein
Ehepaar mittleren Alters, sehr soig-
niert, eingezogen war, von dem der
Mann stotterte. Die Vermutung, die
nahelag, wurde bestätigt. Das englische
Königspaar hatte den Buckingham-
Palast verlassen und ein privates Ap-
partement bezogen.

Mit dem Einsatz einiger Stücke Fein-
seife glückte es mir, Zutritt zu dem in-
teressant gewordenen Haus zu erhalten.
Ein vom Boden durch den Kamin her-
abgelassenes Mikrophon tat das übrige.
Das Ergebnis ist frappant.

Ich belauschte zunächst Mitte Januar
ein Gespräch Ihrer Majestäten mit einer
pastoral klingenden Stimme eines offen-
sichtlich älteren Herrn, der sich über
die Gründe äußerte, aus denen er aus
einer vermutlich sehr hohen Stellung
zurückgetreten war. Er schilderte, daß
ganz England von fünften Kolonnen
überschwemmt sei. Er behauptete, Sach-
verständiger hierfür zu sein, da er
selbst einmal monatelang, ohne es zu
wissen, aktiver Angehöriger der fünften
bolschewistischen Kolonne in England
war. Als ihm ein Kirchenlicht aufging
und als er Schluß machen wollte mit
dem Mißbrauch seiner offensichtlich ge-
heiligten Person, habe er zu seinem Ent-
setzen feststellen müssen, daß sein in-
timster Nebenbuhler trotz seines hoch-
kirchlichen Doppelkinns, ebenfalls der
fünften bolschewistischen Kolonne be-
reits zum Opfer gefallen und zu seinem
Nachfolger auserkoren war.

Die pastorale Stimme schilderte weiter,
daß die fünfte Kolonne der Bolsche-
wisten nicht nur in die anglikanische
Hochkirche zu dringen vermochte, daß
ihr nicht nur Gewerkschafter zur Ver-
fügung stünden, sondern auch mehr-
fache Millionäre wie ein Mann namens
Cripps, deren Reichtum sie gegen jeden
Verdacht schützen sollte.

Die immer erregter werdende Stimme
führte weiter aus, daß nicht nur die
Bolschewisten eine 6. Kolonne in Eng-
land unterhielten, sondern auch der Prä-
sident der Vereinigten Staaten. Dieser
habe zahlreichen Unterhaus-Abgeord-
neten empfohlen, für die Fortsetzung
des Krieges bis zum äußersten zu stim-
men, wofür sie dann im entscheidenden
Augenblick mit einem starken ameri-
kanischen Geleitzug sicher in Gottes
eigenes Land und zu ihren dort ange-
legten Bankkonten gebracht werden
würden. •

Nur nebenbei erwähnte die offensicht-
lich ehrwürdige Stimme, daß es auch

qqw<><>ooq<>oowwooooooooooo<>ooooooooo<>ooooooooooo<>oooqoo<>

„Roose and Churchi“

Trompeten schmettern täträtä,
die Pauken wirbeln bumdcra,
am Zaun die Gäste schrein - Zuchhec,
die beiden großen Clowns sind da.

Sie reiten aus der Politik
wie Kinder auf dem Steekenpserd
und zeigen ihren neuen Trick-
Alles geht verkehrt. Alles geht verkehrt.

Mit ernsten Mienen reiten sie die Bahnen,
es bockt der Gaul, der Reiter merkt es kaum.
Sie sind so komisch, ohne es zu ahnen,
aus jedem Salto wird ein Purzelbaum.

Sic produzieren sich im Rampcnlichtc,
und jeder suhlt sich wie der liebe Gott,
die beiden größten Clowns der Weltgeschichte,
wie Sancho Pansa mit dem Don Quijote.

Ein Clown kommt selten nur allein.

Der größte Humbug wird vollbracht,
wenn dieser ausgesührt von zwei»,
weil ma» ihn dann recht gründlich macht.
Zerbricht ein Clown dann sein Genick,
das läßt den andern ungestört.

Er führt zu Ende seine» Trick-
Alles geht verkehrt. Alles geht verkehrt.


eine fünfte Kolonne der Dominien in
England gebe, die es sieb zum Ziel ge-
setzt habe, vor dem Untergang der grü-
nen Insel alle Wertgegenstände abzu-
transportieren, die einst aus aller Welt
im Mutterland zusammengetragen wur-

Nur mit Tränen kämpfend, gestand die
Stimme zum Schluß, daß die schlimm-
ste 5. Kolonne, die in England am Werke
sei, als deutschen Ursprungs bezeich-
net werden müsse. An ihrer Spitze stehe,
so erklärte die Stimme, kein anderer
als Winston Churchill.

Diese Mitteilung wurde von den Pro-
testen einer erregten, aber klaren weib-
lichen und einer nicht minder erreg-
ten, aber-etwas stockenden männlichen
Stimme unterbrochen. Aber die pasto-
rale Stimme übertönte den Protest und
brachte Beweise. Sie- schilderte, daß
Winston Churchill zwar unter großem
Risiko, aber doch immer erfolgreich den
Deutschen einen Trumpf nach dem an-
deren in die Hand spielte. Winston Chur-
chill habe unter der Behauptung, das
britische Weltreich retten zu wollen,
den nur auf Großdeutschland sich er-
streckenden Anspruch des nationalso-
zialistischen Reiches ausgeweitet auf
den europäischen Kontinent. Er habe
den Deutschen den italienischen und
nun den japanischen Bundesgenossen
zugetrieben. Er habe unter der Vorgabe,
das deutsche Danzig vor den Deutschen
retten zu müssen, dem Reich die Polen
und die Norweger, die Franzosen, Ser-
ben und Griechen ausgeliefert und ne-
benbei den Japanern Ostasien zum ge-
fälligen Gebrauch zur Verfügung ge-
stellt. Die Stimme habe Beweise dafür,
daß Winston Churchill für die Zeit nach
dem Kriege die freie Wahl besitze, sich
für Whisky, Nordhäuser Korn, Enzian

oder Raki — lies: Reisschnaps — zu
entscheiden.

Diese erste von mir belauschte Unter-
redung versickerte in tödlichem Schwei-
gen. In den folgenden Tagen hörte ich
zahlreiche weitere Unterredungen ab,
aus denen die Existenz weiterer fünf-
ter Kolonnen in England hervorging.
Es waren solche der Chinesen, der Es-
kimos, der Buren, der Emigranten, der
abgesetzten Könige und der Burmesen.
Der Ministerpräsident der letzteren
wurde daraufhin verhaftet.

Anfang Februar wurde Winston Chur-
chill zur verantwortlichen Vernehmung
durch das Königliche Paar vorgeladen.
Die Unterhaltung wurde so erregt, daß
ich das Mikrophon entbehren konnte
und mich auf meine eigenen Ohren ver-
ließ. Winston Churchill stritt auf das
entschiedenste ab, von den Deutschen
oder von den Japanern bestochen wor-
den zu sein. Er schwor, bei seinem Ruf
nach Fortsetzung des englischen Krie-
ges kindlich gläubig und ehrlich und
keineswegs berechnend und hintergrün-
dig zu sein. Er versicherte, er werde
an die Richtigkeit seiner Parolen glau-
ben, auch wenn der letzte Engländer
dies nicht mehr tue. Im Anschluß an
diese Vernehmung ging er zum Gegen-
angriff über, behauptete, Beweise da-
für zu haben, daß nicht er, sondern der
König Mitglied der fünften Kolonne sei
und daß er sich mit der Absicht trage,
das Haus Windsor wieder in Haus Han-
nover umzutaufen. Hier schloß die Aus-
einandersetzung mit der beiderseitigen
Versicherung, man wolle den anderen
verhaften lassen.

Achtet auf Telegramme, wer wen ver-
haftet hat.

Es lebe die sechste der fünften Ko-
lonnen!“ Hanton

Kladderadatsch
 
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