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i spricht sich rum

Es spricht sich rum, und wird schon morgen zur Historie,
daß England srUher eine ganze Welt geblässt.

Es spricht sich rum. daß all der Glanz und seine Glorie
war statt der edle» Menschlichkeit nur ein Geschäft.

Es spricht sich rum, daß alle Lords aus Gottes Erden,
wenn sic den Krieg gewonnen, Sozialisten ivcrdcn.

Inzwischen schwankt bedenklich das Imperium.

Es spricht sich langsam, immerhin, es spricht sich rum.

Es spricht sich rum auch in Amerika beizeiten,
daß Dauerniederlagen leine Siege sind.

Es spricht sich rum, daß mit den allergrößten Pleiten
nicht mal der Mister Roosevelt den Krieg gewinnt.

Es spricht sich rum, auch ohne die Vecsenkungsliste.
die Sonne bringt es eines Tages an die Kiistc.

Wenn auch der Rundfunk schweigt, cs ahnt das Publikum.

Es spricht sich langsam, immerhin, es spricht sich rum.

Es spricht sich rum, bis zu den fernsten Moskowitern
ahnt man die Frühlingsossensive, die geschehn.

Es spricht sich rum. Es schweigt der Funk. Die Bonzen zittern.
Solch einen Maicnsturm hat nie die Welt gesehn.

Zu Paaren wurden sic von unscrm Heer getrieben,
nun pflanzen sie den Kohl und auch die Zurkerrliben.

Zctzt merkt der Bolschewik, und wenn er noch so dumm-
Es spricht sich langsam, immerhin, es spricht sich rum.

Wenn einer keine Reise tut

Ein jeder Mensch hat so seine Zu- und
Abneigungen. „Man findt’s ganz natür-
lich, und kein Hahn kräht danach", wie
Johann Nestroy sagt. Franklin Delano
Roosevelt mag zum Beispiel uns Nazis
nicht. Wir sind ihm ausgesprochen un-
sympathisch. Früher waren wir das
auch schon, aber unausgesprochen. Man
kann das verstehen: unsere Semigran-
ten.'die — ihrer krummen Nase nach —
hinaus in die Ferne gewandert und dabei
magnetisch von Amerika, dem Land der
krummen Geschäfte, angezogen worden
waren, hatten ihm die Trauerkunde ge-
bracht, daß man Deutschland nicht
mehr begaunern könne wie einst im Mai
der Inflation, als Roosevelt unser Land
buchstäblich zum Fressen gern hatte.
Der Herr Präsident sah sich also zu sei-
nem Bedauern genötigt, mit den Gang-
stern zu Hause in Wettbewerb zu treten.
Seitdem ist er uns böse.

Anscheinend mag er aber auch England
nicht. Der Mann im Weißen Haus mag
keinen Briten leiden, nur ihr Empire,
das schluckt er gern. Denn, wenn seine
an Churchill gerichteten Beteuerungen
wahr wären, würde er nicht nur flöten
„Dein ist mein ganzes Herz!“, sondern
er würde auch durch die Tat beweisen:
„Wo du nicht bist, kann ich nicht sein!"
und schleunigst die England-Reise an-
treten, zu der ihm schon hüben und drü-
ben viele Leute dringend geraten haben.
Aber Franklin Delano hat sich im Laufe
seiner verschiedenen Wahlagitations-
reisen schon so an den Meineid gewöhnt,
daß er ihn bereits für ein Rechtsmittel
hält. Also schwört er weiter den Insu-
lanern ewige Liebe und Treue, läßt aber
im übrigen die Engländer sein — nicht
gerade da, wo der Pfeffer wächst, denn
aus der Gegend sind sie längst vertrie-
ben —, aber immerhin da, wo sie in der
Reichweite deutscher Bomber wohnen.
Das kann nur einen hemmungslosen
Naivling überraschen. Roosevelt hat für
sein Verhalten sogar die Logik auf sei-
ner Seite, denn da der Begriff „ewig“
einen Zeitraum umfaßt, der weder An-
fang noch Ende hat, kann er getrost
ewige Treue schwören. — Ob aus die-
sem oder aus dem weit schlichteren
Grunde, daß er Angst um sein wert-
volles Leben hat — fest steht jeden-
falls, daß er es abgelehnt hat, einen
trip nach merry old England zu unter-
nehmen, das über diesen Entschluß viel-
leicht ausnahmsweise wirklich merry
ist. Denn im Hause des Sterbenden sind
Erbschleicher nicht allzu gern gesehen.
Kurzum: als Halifax dem Präsidenten
im Hinblick auf den Reiseplan zu-
raunte: „Put money in thy purse!", be-
kam es der also Ermahnte mit der Angst.
Er sagte sich, lernen könne er in Lon-
don ohnehin nichts, da er das von Pope
so genannte „right divine of Kings to
govern wrong“ schon längst auf repu-
blikanische Verhältnisse übertragen
habe, und so verkündete er denn urbi
et orbi, er reise nicht nach „Groß“-Bri-
tannien, da er dieses Land nur betreten
wolle, wenn er als Sieger einziehen
könne in ein vom Nazismus befreites
Europa. Aber, um-weiter „geflügelte
Worte“ aus dem Lande des Geflügel-
Löwen zu zitieren, „thereby hangs a
tale“: „daran hängt ein Märlein!“
Roosevelt weiß ganz genau: „Sow’d
cockle reap’d no corn", „wer Unkraut
sät, drischt kein Getreide", und wer
leichtfertig, zynisch und grundlos Haß

und Leid gesät hat, wie es der Kriegs-
brandstifter Roosevelt tat, der wird nie-
mals den Sieg ernten. Und wenn schon
von „dreschen“ die Rede ist, kann ja
immerhin auch am Rande vermerkt wer-
den, daß Churchill und Roosevelt das
Verbum „dreschen" im bisherigen Ver-
lauf dieses Krieges nur in der Leide-
form kennengelernt haben. Roosevelts
Weigerung, nach England zu reisen,
kann somit als eine endgültige ange-
sehen werden. Deshalb werden die Bri-
ten bei der Nachricht von diesem Ent-
schluß ihres Bundesgenossen zweifellos
gedacht haben: „Wenn einer keine Reise
tut, dann kann er viel erzählen; dieser
Weißhäusler redet von Krieg und Sieg
wie der Blinde von der Farbe, und wenn
er schon durchaus „einziehen“ will,
dann soll er durch Einziehungen end-
lich einmal für eine schlagkräftige Ar-
mee in Ostasien sorgen.“ Statt dem
entstützpunkteten Alliierten persön-
lich eine Stütze zu sein und ihm —
außerhalb der durch deutsche U-Boote
erschwerten Lieferungen im Rahmen
des Pacht- und Leihgesetzes — wenig-
stens ein Paar moralische Krücken zur
Verfügung zu stellen, begnügt sich
Franklin damit, ihm durch die USA-
Presse gute Lehren zu erteilen. So
schreibt beispielsweise die Zeitung
„New Orleans Times“ : „Wir müssen eine
zweite Front errichten, um die Nazis
davon zu überzeugen, daß das russische
Abenteuer ein glatter Mißerfolg für sie
ist.“ Auch hier wiederum können die
Briten nicht mit Unrecht sagen: „Wenn
einer keine Reise tut, kann er uns viel
erzählen! Wenn man in New Orleans
sitzt, hat man über das Thema .Zweite
Front* gut reden. Aber schon in Do-
ver — nur wenige Kilometer von Dün-
kirchen entfernt — sieht die Sache doch
wesentlich anders aus!“ — Wir Nazis

jedoch, die wir gerade wieder die Sieges-
fanfaren und Sondermeldungen von der
Ostfront gehört haben, sagen voller Zu-
versicht: „Gott erhalte uns solche .Miß-
erfolge*!“ —

Wie sich im übrigen die neunmalkluge
„New Orleans Times" gedacht hat, die
Deutschen davon zu „überzeugen“, daß
Siege Mißerfolge sind, dürfte in aller-
erster Linie die Agitations-„Fachleute"
des Herrn W. C. interessieren. Die.geben
sich doch nun schon seit Jahr und Tag
die denkbar größte Mühe, ihrem Volk
und der Welt klarzumachen, daß Nie-
derlagen Siege sind. Überzeugen können
haben sie bis jetzt außerhalb Englands
überhaupt noch niemanden — nicht ein-
mal die „New Orleans Times", und im
eigenen Lande, wo man bisher gern den
Schein für bare Münze genommen hat,
wird man auch immer ungläubiger. Da
ist die deutsche Methode doch zweifel-
los wirksamer, den Feind und die Welt
durch die völlig eindeutige, unwiderleg-
bare Sprache der Waffen und der von
ihnen geschaffenen vollendeten Tat-
sachen davon zu überzeugen, daß wir
gesiegt haben.

Und wenn schon von „Abenteuern“ die
Rede ist, dann kann man dabei doch
wohl nur an die denken, in die sich Eng-
land mit seinen Bundesgenossen, Hilfs-
völkern und Trabanten gestürzt hat, als
es sich schützend vor die polnischen
Mordbrenner stellte.

Von diesem Abenteuer gilt für die bei-
den Spießgesellen Churchill und Roose-
velt im großen, was — im kleinen — den
Washingtoner Obergangster von seiner
Reise nach England zurückgehalten hat:
„We know what we are, but know not
what we may be", „Wir wissen wohl,
was wir sind, aber nicht, was wir wer-,
den können!" roif*.

Kladderadatsch
 
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