DEMOKRATISCHES ALLERLEI
Die Möchtegerne
Die Häuptlinge der Schieber- und Erpr.es-
serdcniokratien pflegten noch vor kurzem
die Achsenmächte die „Habenichtse" zu
nennen. Darin lag so etwas wie die dumm-
stolze Frechheit eines zeitweilig erfolg-
reichen Wegelagerers, der vor seinen Kom-
plizen mit dem geraubten Gut prahlt und
ganz vergißt, daß seinesgleichen bisher
noch immer der strafenden Gerechtigkeit
anheimgefallen ist.
Auch in politicis nimmt die Gerechtigkeit
ihren Lauf, und schon heute stimmt die Be-
zeichnung „Habenichtse“ für die Achsen-
mächte nicht mehr: sie haben Hongkong,
Singapur, Burma undNiederländisch-Indien;
sie haben Europa, sie haben Tobruk und
Marsa Matruk; sie haben- die Krim und
weite Gebiete des übrigen Sowjetlandes;
sie haben die Aleuten, sie haben die U-Boot-
Herrschaft in allen Ozeanen. Sie haben
täglich und stündlich neue Erfolge auf allen
Kriegsschauplätzen und die Gewißheit des
Endsieges. Die ehemals raffke-reichen
Demokratien jedoch haben nur noch an einer
Sache Überfluß: am Mangel. Sie haben
Mangel an militärischen und politischen
Führern, sie haben Mangel an Siegen, Man-
gel an Zinn, Mangel an Gummi, Mangel
an Schiffsraum und vor allem Mangel an
kämpferischer Moral. Ihr einziger Reichtum
besteht in Phrasen, und auch da machen
sich sch'on Schwunderscheinungen bemerk-
bar: die gleiche Walze wird allzu oft auf-
gelegt und bald abgeleiert sein. Kein Wun-
der, daß die leitenden Kriegsverbrecher in
London und Washington krampfhaft bemüht
sind, den Mangel an greifbaren Erfolgen
in der rauhen Welt der Realitäten durch
eine auf höchsten Touren laufende Massen-
produktion von Illusionen wenigstens eini-
germaßen auszugleichen. Aber gerade da-
durch enthüllen sie ihre Armut nur um so
deutlicher, und jeder denkende Mensch in
der ganzen Welt hat erkannt, daß aus den
Allesraffern und politischen Allesfressern
wenn auch nicht geradezu Habenichtse, so
doch Möchtegerne geworden sind.
In diesem Zusammenhang verdient eine us.-
amcrikanische Meldung Erwähnung, die
sicherlich geeignet ist, überall auf unsere#
Erde das Schmunzeln von Kennern und
Laien zu erregen: Auf dem Grund eines
ausgetrockneten Sees in der Nähe der größ-
ten amerikanischen Bombenschützen-Schule
ist ein „Schein-Tokio“ aufgebaut worden.
Am amerikanischen Unabhängigkeitstag
wird dieses Tokio in einer Massen-Übung
der amerikanischen Luftwaffe in Grund
und Boden bombardiert werden! Da haben
wir den Möchtegern, wie er leibt und lebt!
Und zwar von Illusionen lebt! Vor wenigen
Monaten noch verkündeten die Washing-
toner Großmäuler, sie würden in ein paar
Wochen ganz Japan von der Landkarte
radieren, in ein paar Tagen Tokio dem Erd-
boden gleichmachen, und überhaupt: so tolle
Kerle wie die Yankee-Soldaten habe die
Welt noch nicht gesehen. Und heute? —
Nun, die. amerikanische Meldung spricht
deutlich genug.
Und selbst bei diesem „Massen-Bombardc-
ment“ ist Vorsicht die Mutter der Tapfer-
keit. Sein Schauplatz ist ein ausgetrock-
neter See, denn mit den Meeren, die noch
Wasser aufzuweisen haben, mußte die Yan-
kee-Streitmacht allzu üble Erfahrungen
machen. Außerdem rechtfertigt das Gelände
die Behauptung, die us.-amerikanische Luft-
waffenführung sei endlich einmal einer
Sache auf den Grund gegangen. Vielleicht
ist die Bomber-Übung aber überhaupt nur
eine Tarnung des eigentlichen Manöver-
zweckes. Vielleicht soll weniger die uto-
pische „Schein-Hauptstadt“ des japanischen
Gegners vernichtet als vielmehr eine Vor-
übung für den^.Versuch gemacht werden,
den Pazifischen Ozean auszutrocknen. Viel-
leicht auch hat der ausgetrocknete See im
Sinne Roosevelts Symbol-Charakter und
soll die treuen Untertanen des Weißhäifs-
lers daran erinnern, daß die ostasiatischen
Rohstoffquellen der Vereinigten Staaten
versiegt sind und man bald auf dem Trocke-
nen sitzen wird ? Möglich aber auch — und
bei der amtlich zugegebenen Verbreitung
des Analphabetentums in den Staaten sogar
aussichtsreich —, daß man - bei Franklin
Dclano damit rechnet, daß das Publikum
die Notiz von der Errichtung eines Schein-
DER GROSSE LOGIKER
Io Wahlen für den Obersten Sowjet sind um ein Jahr
„Weshalb noch wählen, frag ich mich schon
längst",
ging Stalin wieder mal mit sich zu Rat,
„wo du ja doch den Laden weiterlenkst,
als wenn sich draußen nichts an Neuem tat?
An ,Volksvertretern* hat es keine. Not,
worauf ich auch noch zur Begründung poch;
die Wähler sind gefangen oder tot,
— doch die gewählten Juden leben noch."
Tokio bald vergessen haben wird und einen
Manöverbericht über seine Vernichtung für
eine Meldung vom Kriegsschauplatz hält.
Dann hätte Roosevelt am Unabhängigkeits-
tage immerhin die Unabhängigkeit davon
erzielt, Siege über den wirklichen Feind zu
erringen. Man markiert ihn ganz einfach
und schlägt ihn ganz nach Vereinbarung.
Bei schlechtem Erfolg jenseits der Grenzen
findet der amerikanische Krieg sozusagen
am Modell statt. Erfinder dieser ingenieu-
sen Methode ist bekanntlich Mac Arthur,
der bei seiner Flucht den Namen seines
Hauptquartier-Ortes mit nach Australien
nahm und wilde Kriegsberichte weit vom
Schuß von da datierte. Aber, abgesehen
von dem kindlichen Spiel mit Ortsnamen,
ist das Verfahren ja noch älter. Bei den
Primitiven hat sich die Sitte erhalten, der
Nachbildung eines Feindes in Farbe oder
Plastik Nadeln durch den Körper zu bohren
und sich einzubilden, damit verwunde man
ihn tatsächlich.
Ob Roosevelt an solchen Zauber glaubt?
Möglich wäre es bei seiner Primitivität
schon. Und außerdem: er möchte gern!
Die Sahne des Alters
Die Fürstin Wittgenstein pflegte an alle, bei denen
der greise Franz Liszt zu Gast weilte, lange Briefe
zu schreiben, in denen sie genau aufzählte, was
der Meister essen und trinken dürfe, und vor
allem, was ihm verboten sei. Kognak war auch
verboten. Nur ein Gläschen Wein war erlaubt. Das
schadet einem alten Herrn nichts. Aber Liszt trank
sehr gerne ein Gläschen guten alten Kognak. Als
nun einmal die Frau des Hauses, in dem der
Komponist zu Gast weilte, besorgt an die Mah-
nungen der Fürstin denkend, den Meister bat, er
möge lieber auf den Kognak verzichten und ein
Glas Wein trinken — „Wein ist die Milch des
Alters" fügte sie lächelnd hinzu, da erwiderte
Liszt freundlich: „Dann ist Kognak die Sahne!"
Kladderadatsch
Die Möchtegerne
Die Häuptlinge der Schieber- und Erpr.es-
serdcniokratien pflegten noch vor kurzem
die Achsenmächte die „Habenichtse" zu
nennen. Darin lag so etwas wie die dumm-
stolze Frechheit eines zeitweilig erfolg-
reichen Wegelagerers, der vor seinen Kom-
plizen mit dem geraubten Gut prahlt und
ganz vergißt, daß seinesgleichen bisher
noch immer der strafenden Gerechtigkeit
anheimgefallen ist.
Auch in politicis nimmt die Gerechtigkeit
ihren Lauf, und schon heute stimmt die Be-
zeichnung „Habenichtse“ für die Achsen-
mächte nicht mehr: sie haben Hongkong,
Singapur, Burma undNiederländisch-Indien;
sie haben Europa, sie haben Tobruk und
Marsa Matruk; sie haben- die Krim und
weite Gebiete des übrigen Sowjetlandes;
sie haben die Aleuten, sie haben die U-Boot-
Herrschaft in allen Ozeanen. Sie haben
täglich und stündlich neue Erfolge auf allen
Kriegsschauplätzen und die Gewißheit des
Endsieges. Die ehemals raffke-reichen
Demokratien jedoch haben nur noch an einer
Sache Überfluß: am Mangel. Sie haben
Mangel an militärischen und politischen
Führern, sie haben Mangel an Siegen, Man-
gel an Zinn, Mangel an Gummi, Mangel
an Schiffsraum und vor allem Mangel an
kämpferischer Moral. Ihr einziger Reichtum
besteht in Phrasen, und auch da machen
sich sch'on Schwunderscheinungen bemerk-
bar: die gleiche Walze wird allzu oft auf-
gelegt und bald abgeleiert sein. Kein Wun-
der, daß die leitenden Kriegsverbrecher in
London und Washington krampfhaft bemüht
sind, den Mangel an greifbaren Erfolgen
in der rauhen Welt der Realitäten durch
eine auf höchsten Touren laufende Massen-
produktion von Illusionen wenigstens eini-
germaßen auszugleichen. Aber gerade da-
durch enthüllen sie ihre Armut nur um so
deutlicher, und jeder denkende Mensch in
der ganzen Welt hat erkannt, daß aus den
Allesraffern und politischen Allesfressern
wenn auch nicht geradezu Habenichtse, so
doch Möchtegerne geworden sind.
In diesem Zusammenhang verdient eine us.-
amcrikanische Meldung Erwähnung, die
sicherlich geeignet ist, überall auf unsere#
Erde das Schmunzeln von Kennern und
Laien zu erregen: Auf dem Grund eines
ausgetrockneten Sees in der Nähe der größ-
ten amerikanischen Bombenschützen-Schule
ist ein „Schein-Tokio“ aufgebaut worden.
Am amerikanischen Unabhängigkeitstag
wird dieses Tokio in einer Massen-Übung
der amerikanischen Luftwaffe in Grund
und Boden bombardiert werden! Da haben
wir den Möchtegern, wie er leibt und lebt!
Und zwar von Illusionen lebt! Vor wenigen
Monaten noch verkündeten die Washing-
toner Großmäuler, sie würden in ein paar
Wochen ganz Japan von der Landkarte
radieren, in ein paar Tagen Tokio dem Erd-
boden gleichmachen, und überhaupt: so tolle
Kerle wie die Yankee-Soldaten habe die
Welt noch nicht gesehen. Und heute? —
Nun, die. amerikanische Meldung spricht
deutlich genug.
Und selbst bei diesem „Massen-Bombardc-
ment“ ist Vorsicht die Mutter der Tapfer-
keit. Sein Schauplatz ist ein ausgetrock-
neter See, denn mit den Meeren, die noch
Wasser aufzuweisen haben, mußte die Yan-
kee-Streitmacht allzu üble Erfahrungen
machen. Außerdem rechtfertigt das Gelände
die Behauptung, die us.-amerikanische Luft-
waffenführung sei endlich einmal einer
Sache auf den Grund gegangen. Vielleicht
ist die Bomber-Übung aber überhaupt nur
eine Tarnung des eigentlichen Manöver-
zweckes. Vielleicht soll weniger die uto-
pische „Schein-Hauptstadt“ des japanischen
Gegners vernichtet als vielmehr eine Vor-
übung für den^.Versuch gemacht werden,
den Pazifischen Ozean auszutrocknen. Viel-
leicht auch hat der ausgetrocknete See im
Sinne Roosevelts Symbol-Charakter und
soll die treuen Untertanen des Weißhäifs-
lers daran erinnern, daß die ostasiatischen
Rohstoffquellen der Vereinigten Staaten
versiegt sind und man bald auf dem Trocke-
nen sitzen wird ? Möglich aber auch — und
bei der amtlich zugegebenen Verbreitung
des Analphabetentums in den Staaten sogar
aussichtsreich —, daß man - bei Franklin
Dclano damit rechnet, daß das Publikum
die Notiz von der Errichtung eines Schein-
DER GROSSE LOGIKER
Io Wahlen für den Obersten Sowjet sind um ein Jahr
„Weshalb noch wählen, frag ich mich schon
längst",
ging Stalin wieder mal mit sich zu Rat,
„wo du ja doch den Laden weiterlenkst,
als wenn sich draußen nichts an Neuem tat?
An ,Volksvertretern* hat es keine. Not,
worauf ich auch noch zur Begründung poch;
die Wähler sind gefangen oder tot,
— doch die gewählten Juden leben noch."
Tokio bald vergessen haben wird und einen
Manöverbericht über seine Vernichtung für
eine Meldung vom Kriegsschauplatz hält.
Dann hätte Roosevelt am Unabhängigkeits-
tage immerhin die Unabhängigkeit davon
erzielt, Siege über den wirklichen Feind zu
erringen. Man markiert ihn ganz einfach
und schlägt ihn ganz nach Vereinbarung.
Bei schlechtem Erfolg jenseits der Grenzen
findet der amerikanische Krieg sozusagen
am Modell statt. Erfinder dieser ingenieu-
sen Methode ist bekanntlich Mac Arthur,
der bei seiner Flucht den Namen seines
Hauptquartier-Ortes mit nach Australien
nahm und wilde Kriegsberichte weit vom
Schuß von da datierte. Aber, abgesehen
von dem kindlichen Spiel mit Ortsnamen,
ist das Verfahren ja noch älter. Bei den
Primitiven hat sich die Sitte erhalten, der
Nachbildung eines Feindes in Farbe oder
Plastik Nadeln durch den Körper zu bohren
und sich einzubilden, damit verwunde man
ihn tatsächlich.
Ob Roosevelt an solchen Zauber glaubt?
Möglich wäre es bei seiner Primitivität
schon. Und außerdem: er möchte gern!
Die Sahne des Alters
Die Fürstin Wittgenstein pflegte an alle, bei denen
der greise Franz Liszt zu Gast weilte, lange Briefe
zu schreiben, in denen sie genau aufzählte, was
der Meister essen und trinken dürfe, und vor
allem, was ihm verboten sei. Kognak war auch
verboten. Nur ein Gläschen Wein war erlaubt. Das
schadet einem alten Herrn nichts. Aber Liszt trank
sehr gerne ein Gläschen guten alten Kognak. Als
nun einmal die Frau des Hauses, in dem der
Komponist zu Gast weilte, besorgt an die Mah-
nungen der Fürstin denkend, den Meister bat, er
möge lieber auf den Kognak verzichten und ein
Glas Wein trinken — „Wein ist die Milch des
Alters" fügte sie lächelnd hinzu, da erwiderte
Liszt freundlich: „Dann ist Kognak die Sahne!"
Kladderadatsch