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Das hohle Geschwatze
ist »iltit mehr am Platze,
wenn dustere Wolken sich ballen.
Mach' Schluß mit den schönen,
den triefenden Tönen
und lasse die Maske jetzt fallen!

Mit Klatsch an Kaminen

ist nichts zu verdienen,

das reizt nur zum Lachen und Weinen.

Mach' Schluß mit dem Plaudern,

du darfst nicht mehr zaudern,

du mußt als Diktator erscheinen!

Enthiill' deine Pliine

und zeige die Zähne

als Zar aller Amerikaner.

Laß' alles Beteuern,
erhöhe die Steuern,
erpresse den letzten Indianer!

Edler Wettstreit

Der „Kladderadatsch“ ist heute wieder
einmal in der angenehmen Lage, seinen
Lesern eine sensationelle Nachricht aus
erster Hand bieten zu können. Unser in
allen Lagen bewährter, in allen Sätteln
gerechter Dr. U. L. K., Geheimbericht-
erstatter in Washington, drahtet uns auf
Umwegen, über die wir uns aus nahe-
liegenden Gründen nicht näher auslas-
sen können, folgendes:.

Washington, im September.
Weißes Haus ärgert sich schwarz, weil
Winston Churchill durch Halifax Pro-
test eingelegt hat gegen offiziöse Äuße-
rung von Malcolm Wheeler Nicolson,
der alle britischen militärischen Führer
als Wirrköpfe bezeichnet, die der zärt-
lichen Unschuldigkeit des Glaubens-
satzes unterliegen, man könne jede
Schlacht verlieren und doch den Krieg
gewinnen. Hirntrust tagt in Permanenz
und beschließt folgende Antwort:
„Nach allgemeiner Ansicht ist Präsi-
dent Roosevelt der einzige politische
und militärische Führer der Vereinig-
ten Nationen. Angriff Nicolsons kann
also nur ihm gelten. Britischer Protest
muß als Amtsanmaßung und als Zwei-
fel an der Führerrolle des Präsiden-
ten energisch zurückgewiesen werden.“

Washington, im September.
Weißes Haus erwägt Disziplinarmaß-
nahmen gegen Churchill wegen folgen-
den Telegramms: „Wenn schon Präsi-
dent Roosevelt oberster Kriegsherr der
Verbündeten Nationen, wird ersucht,
ihm andere Mitarbeiter zu geben. Hier
sind us.-amerikanische Urteile bekannt-
geworden, die jede Eignung amerikani-
scher Amtsstellen zur Kriegführung
bestreiten.“ Hirntrust verlangt, um Zeit
zu gewinnen, nähere Angaben.

Washington, im Oktober.
Antwort aus London noch nicht ein-
getroffen. Hirntrust funkt an britischen
Ministerpräsidenten: „Ersuchen um

strenge Bestrafung der britischen Offi-
ziere, die in Gibraltar USA.-Soldaten
wegen Kritik an britischer Kriegfüh-
rung gemaßregelt haben. Weisen darauf
hin, daß hier Äußerungen britischer
Flüchtlinge aus Malta vorliegen, die
britische Kriegführung im gleichen
Sinne als idiotisch bezeichnen.“

Washington, im Oktober.
„Urteile über amerikanische Amtsstel-
len siehe Zeitschriften .Life' und
.Time': ,Der amerikanische Kongreß ist
eine Lachkammer, in der man sich nach
Herzenslust amüsieren kann!'" — Auf
diese Churchill - Antwort auf Funk-
spruch, nähere Angaben über abfällige
Kritik an USA.-Amtsstellen betreffend,
rückdrahtet Hirntrust: .Zeitschriften-
stimmen unmaßgeblich. Wenn keine
stichhaltigen Angaben gemacht werden
können,'muß beleidigende Absicht Tele-
grammwechsels angenommen werden.'

Washington, im Oktober.
Londons Antwort auf Protest wegen
Gibraltar lautet: „Verhaftung ameri-
kanischer Soldaten nach Streit mit un-
seren Truppen erfolgte, um britischen
Armeeangehörigen Gelegenheit zu neh-
men, Präsidenten Roosevelt meineidigen
Gangster zu nennen. Wenn .Life' und
.Time' nicht maßgebend, wird auf Ar-
tikel von Dorothy Thompson verwiesen :
.Der amerikanische Kongreß besteht
aus einer Menge Abgeordneter, deren
geistige Fähigkeiten weit unter dem
Durchschnitt liegen.' Sind ernstlich

hierüber beunruhigt, da Dorothy Thomp-
son offizielle Propagandistin des Wei-
ßen Hauses ist.“

Washington, am gleichen Tage.
Hirntrust erwog, G.P.U. um Rechts-
hilfe gegen widerspenstigen Churchill
zu bitten. Cripps sollte als Mittelsmann
fungieren. Um Aufsehen zu vermeiden,
wurde diese Maßnahme aufgeschoben
und folgender Funkspruch nach London
gesendet: „Meinung Dorothy Thomp-
sons wird vom Präsidenten geteilt. Zi-
tierter Artikel Beginn eines Agitations-
feldzuges zwecks völliger Ausschaltung
des Kongresses. Parole: Alle Macht
dem Präsidenten und seinem Kriegs-
kabinett."

Washington,

Spätabend des gleichen Tages.
Churchill antwortet auf Funkspruch
Hirntrusts: „Agitation gegen Parla-

ment bitte auch auf Unterhaus ausdeh-
nen, da Abgeordnete Restaurations-
Schweinebraten wohlerwogenen Enten
vorziehen. Leider britische Öffentlich-
keit beunruhigt durch Äußerung ame-
rikanischen Ministers: .Minister Knox
hat das Herz auf dem rechten Fleck;
aber ich glaube nicht, daß sein Kopf
imstande ist, dem Herzen zu helfen.' “
Washington, eine Stunde später.
Hirntrust verlangt sofortige Absetzung
britischen Informationsministers und
Reorganisation der Agitationszentrale.

Washington, in der Nacht darauf.
Soeben traf eine Mitteilung Churchills
ein, wonach er bereit sei, den Forde-
rungen des Hirntrusts zu entsprechen,
sofern dieser ein Mittel angeben könne,
wie das Abhören von „germany calling“
und das Nachdenken über diese Mit-
teilungen zu verhindern sei. Die Öffent-
lichkeit habe aus dem wechselseitigen
Einander-der-Idiotie-Bezichtigen Ein-
druck gewonnen, als sei die Führung
in beiden Ländern nichts wert.
Präsident Roosevelt hielt es nunmehr
für angebracht, ein Handschreiben an
Churchill zu richten, das folgenden
Wortlaut hat: „Lieber Winnie, Ihr Bri-
ten seid immer gute Rechner gewesen.
Es wundert mich, daß ihr so schlechte
Mathematiker seid. Sonst würdet ihr
wissen, daß Minus mit Minus multipli-
ziert Plus ergibt. Ins Politische über-
tragen heißt das: Wenn nur einer von
uns ein Idiot wäre, ergäbe das ein krie-
gerisches Minus, da wir jedoch beide
negativ begabt sind, muß sich für uns
auf alle Fälle ein politisches Plus er-
geben. Die Lage ist somit ermutigend.

Dein F. D. R."
Soweit unser Dr. U.L.K.-Geheimbericht-
erstatter. Churchills Antwort konnte
aus Zeitmangel nicht mehr äbgewartet
werden, jedoch hören wir aus London,
daß der Premierminister nach Emp-
fang des Roosevelt-Briefes seine private
Whisky-Ration erhöht hat.

Kladderadatsch
 
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