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Der Rat

In Ratschlägen ist England immer groß.
Sie sind nicht gut, aber zahlreich. Viele
Völker sind an ihnen erkrankt, und es
.gibt eine Reihe von Staaten, die dank
britischer Ratschläge keine Staaten mehr

Je ratloser England ist, um so reich-
licher die Zahl der Ratschläge, die es
anderen zur Verfügung stellt. Das ist
die wahre Selbstlosigkeit!

Mister Churchill hat in seiner letzten
Sonntagsrede nach diesem Rezept ge-
handelt. Er riet den europäischen Völ-
kern, auf den „Rat von Europa" zu war-
ten, der nach seiner Ansicht auf den
englischen Sieg folge. In diesem Rat von
Europa werde jedes der Völker dieses
Kontinents Sitz und Stimme haben. Die-
ser Rat von Europa werde eine neue und
glückliche Zeit für den alten Erdteil
einleiten.

Die Völker Europas hörten die Botschaft
von diesem Rat, aber sie wittern Unrat.
Die Europäer von heute sind durchaus
davon überzeugt, daß bei einer Verwirk-
lichung der britischen Pläne am Ende
für die alte Welt ein Rätesystem heraus-
schaut. Aber die Räte dürften keine bri-
tischen Räte sein, sondern bolschewi-
stische. Und wenn das Rad der Ge-
schichte so rollt, wie England das will,
dann geht Europa im bolschewistischen
Rätesystem unter.

Winston Churchill also war sicher nicht
gut beraten, als er auf der Suche nach
einem neuen zugkräftigen Schlagwort
an die Stelle der vierzehn Punkte und
der Atlantik-Charta den Rat von Europa
setzte. Denn mit den Räten hat Europa
seine Erfahrung, Manches Volk hat sich
nur mit äußerster Kraftanstrengung aus
dem Gefängnis des Rätesystems befreit,
das ihm als Paradies angepriesen wurde
und dem so viele Völker des europäi-
schen Ostens tatsächlich zum Opfer fie-
len. Als dex Große Rat der Vier in Ver-
sailles tagte, brachte das Ergebnis sei-
ner Arbeit keine Verbesserung für den
Ruf des Namens, den er sich beilegte.
Und als aus dem Schoße des Rates der
Vier gar noch ein Völkerbund hervor-
ging, an dessen Spitze ein Völkerbunds-
rat trat, da war es wohl endgültig aus
mit der Zugkraft des Gremiums, das sich
Rat nannte. Denn der Genfer Rat war
der Extrakt der Schwierigkeiten, die die
Liga den Nationen in den Weg legte.
Wahrhaftig! Ein Teufel muß Churchill
geritten haben, wenn er dem europäi-
schen Kontinent den „Rat von Europa"
in dem Augenblick empfahl, da Mister
Eden in Washington über die Ausliefe-
rung Europas an Moskau verhandelte.
Machte er sich über uns lustig? Wollte
er die Bewohner des Kontinents an das
Rätesystem gewöhnen?. Oder dämmert
eftie erste Erkenntnis davon, daß Eng-

Plutokratcnsong

Wir haben viele Pläne,
doch mangeln uns die Kähne.

Indes wir reden, schlägt das U
mit Macht auf alle» Meeren zu.

Sind wir darob „geladen",
winkt uns noch Spott zum Schaden.
Und dabei tagt nun schon
die ste Kommission.

Ob Mittel- oder Eismeer -
nicht Rat noch Hilfe weiß mehr
der Ehes der Admiralität,
wenn er es auch nicht eingesteht.
Wunschträume - auch globale -
sind machtlos gegen „Aale",
and dabei tagt nun schon
die pte Kommission.

Tja - klappte unsre Abwehr,

das Meer kein Secmannsgrab wär'.

Zedoch W. 6. hat vorderhand

nur mit dem Mund den Spuk gebannt,

indes die Schisse sinken

zur Rechten und zur Linken.

Und dabei tagt nun schon
die xte Kommission.

Wir halten große Reden,

doch die erheitern jeden,

der weiß, wie's auf den Meeren steht,

der weiß, wie wild der Sturmwind weht.

Nie werb ich den Verdacht los:

Wir sind im Grunde machtlos!

Und dabei tagt doch schon
die fle Kommission!

land einem bolschewisierten Europa
nicht mehr in einer splendid Isolation
gegenüberstehen kann ?

Sicher das letztere! Denn ein Mann wie
Churchill muß wissen, daß seine Reden,
wenn überhaupt, dann nur noch in Eng-
land gehört werden. Und so müssen die,
die er an den Gedanken des Rätesystems
gewöhnen wollte, wohl in England zu
suchen sein.

Und wenn man es bei Lichte betrachtet,
dann hat' Winston Churchill dort sogar
Erfolge, mit seinem Bemühen. Schon
reden Offiziere Seiner britischen Maje-
stät unter dem Zeichen von Hammer und
Sichel bei bolschewistischen Demonstra-
tionen. Das Gebet der anglikanischen
Kirche für die Sowjets trägt Früchte.
Die Gewerkschaften, die früher so anti-
kommunistisch waren, haben längst ge-
lernt, nach der Moskauer Pfeife zu tan-

zen. Und an den Kaminen, an denen die
Auserwählten der britischen Nation die
Meinung des Mannes auf der Straße bil-
den, findet man den Moskauer Tyrannen

Wenn Winston Churchill sein so präpa-
riertes Volk nun an den Gedanken des
Rates von Europa gewöhnt, dann ist es
nur noch ein kleiner Schritt zum Rat
der Volkskommissare..

Die Völker Europas wittern Unrat, aber
englische Nasen riechen nichts. Sie wer-
den solange nichts riechen, bis der
Brand vor ihrer Türe steht.

Wir auf dem Kontinent aber haben nur
noch an einem Rat Interesse, und das
ist der europäische Kriegsrat.

Der Kriegsrat gegen Moskau und seine
Londoner Filiale. Winston Churchill hat
das Verdienst, der Katze die Schelle
umgehängt zu haben. Hamm

Kladderadatsch
 
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