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Freiheit, die sic meinen

Sumner Wellcs hat eine Rede vom Stapel gelassen,
worin er sagte, man solle einander nicht hassen,
wenn Rooscocll siegte - er verbiß ein Gekicher -
dann lebten die Böller friedlich und sicher,
dann lebten sic aber vor allem auch frei,
sofern nur die Freiheit ihr Wunschziel sei.

Und dasselbe gelte - man wisse es schon -
siir den Sieg des Berbündeten Albion.

So sagte der Mann. Nur - vor wenigen Wochen
da hat man Europa den Sowjets versprochen.

Nur - in Indien spendet die Polizei
statt Lebensmittel tödliches Blei.

Nur - an einem Sonntag voll Frühling und Sonne
da killt' man Pariser Kinder mit Wonne.

Nur - in Antwerpen, da wurden jetzt
von „Freiheits-Bomben" zweitausend zersetzt.

Nur - haben die Briten seit je unverdrossen
schiffbrüchige Seeleute gerne erfchosscn.

Nur - bombardieren sic manchmal die Schweiz
und Stätten, „geschützt" durch das Rote Kreuz.

Nur sind ihnen Kirche» und Siechcnasyle
bevorzugte „militärische Ziele". -
Mag sein, daß Herr Wellcs uns grinsend belehrt,
alle die hätten halt keine Freiheit begehrt,
zumindest die Freiheit nicht, wie er sie so meine.

Za, unsere Freiheit ist niemals die seine.

Wir wollen - und daran halten wir fest! -
die Freiheit von judokralischer Pest.

Um die geht der Kampf! Für sic treten wir ein -
und lassen Herrn Wellcs nach Lust prophczcin!

Aberakadabera!

Wenn man die Sache im richtigen Licht
betrachtet, so sind eigentlich die Me-
thoden, mit deren Hilfe der angebliche
Schiffbau-Zauberer in den USA. auf
Kosten der Staatskasse sozusagen sei-
nen Kayser-„Schnitt“ machen will, nicht
eben neu. Sie bestehen im wesentlichen
darin, den Mund recht voll zu nehmen,
weil man wohl fürchtet, sonst selbst
nicht für voll genommen zu werden.
Das scheint des Landes immer schon so
der Brauch gewesen zu sein, wie ja
denn überhaupt der Yankee stets durch
einen gewaltigen Überschuß an man-
gelnder Bescheidenheit und Wahrheits-
liebe aufgefallen ist. Dafür zeugt unter
anderem auch das Respekt einflößende
Alter der bekannten Geschichte von
dem Kölner Droschkenkutscher, der
einen Amerikaner spazierenfährt und
sich so lange bei jeder Sehenswürdig-
keit des Yankees gelangweilt tuendes „In
Amerika ist das viel größer!", „In Ame-
rika baut man so etwas viel schneller!“
anhört, bis ihm der Geduldsfaden reißt.
Und als Mister Pepperkorn angesichts
des Kölner Doms fragt: „Was sein
das?“, antwortet Tünnes mit biederer
Miene: „Dat kann ich Ihnen nich sagen!
Dat müssen se jrad über Nacht jebaut
haben! Jestern stand es noch nich da!"
Herr Henry Kayser, von dem die USA.-
Presse ungefähr so redet, als brauche
er nur einmal „Aberakadabera“ zu mur-
meln, und schon sei ein neues „Liber-
ty“-Schiff fertig, schneidet genau so
auf wie jener Droschkenkutscher. Nur,
daß er es nicht tut, um fremde Re-
nommisterei zu übertrumpfen, sondern
um mit den schwindelnden Angaben
über die schwindelnde Höhe seiner Er-
folge ä Rebbach zu machen. Was er sich
an Statistiken leistet, erinnert an die
Rubulistik einer Berechnungsart, mit
der man etwa folgenden Beweis führen
kann: „Zehn Arbeiter bauen ein Schiff
in dreihundert Tagen, also brauchen
hundert Arbeiter nur dreißig Tage da-
zu. Tausend Arbeiter benötigen nur
noch drei Tage für den Bau, während
zehntausend Arbeiter es in keinem Tage
schaffen, also früher fertig werden, als
sie begonnen haben."

Im Falle Kayser stimmt diese Rechnung
insofern, als seine Arbeiter ein Schiff
tatsächlich an keinem Tage bauen. Sie
bauen es nämlich überhaupt nicht, son-
dern sie montieren nur die von anderen
Werken fertig gelieferten Einzelteile.
Der us-amerikanische Schiffbausach-
verständige Hussa weist das in einem
längeren Artikel genau nach. Er meint
ganz richtig, mit schwindelhaften Re-
klamenotizen könne man die Atlantik-
Schlacht nicht gewinnen, sondern im
Gegenteil trage alles, was zum Ruhme
des Zauberers Kayser in den Zeitungen
verkündet werde, lediglich dazu bei,
das Volk in trügerische Sicherheit zu
wiegen.

Hussa erzählt dann, Kaysers „Rekorde“
seien übrigens schon längst gebrochen,
denn eine Belegschaft einer wirklichen,
reellen Schiffswerft habe einen Frach-
ter sogar schon während der Früh-
stückspause gebaut — zwar sei das nur
ein Modell gewesen, aber Montage sei
schließlich Montage, und anders arbeite
der Reklame-Kayer auch nicht. Seine
„Zehn-Tage-Schiffe“ seien bestenfalls
„Hundert-Tage-Schiffe“, denn minde-
stens solange dauere die Herstellung

der Einzelteile, die auf Kaysers Werft
dann ungewöhnlich langsam zusammen-
gesetzt würden, da der Reklameheld
keine gelernten -Facharbeiter beschäf-

Herrn Henry Kaysers „Aberakadabera"
scheint demnach die Beschwörungs-
formel für allerlei faulen Zauber zu
sein. Nun wäre alles dies noch lange
kein ausreichender Grund, uns im
„Kladderadatsch" so ausführlich mit
Herrn Kayser zu befassen, wenn wir
den wackeren Maulhelden nicht auf
Abwegen entdeckt hätten: bei einem
Plagiat. Er hat den alten Witz des Köl-
ner Droschkenkutschers übernommen
und ihm nur einen ganz geringen „Ef-
fet“ gegeben.

Darüber weiß die bekannte amerika-
nische Zeitschrift „Readers Digest" fol-
gendes zu berichten: „Auf Kaysers
Werft sollte ein neues Schiff vom Sta-
pel laufen, und ein bildschönes, junges
Mädchen sollte die Taufe vornehmen.
Herr Kayser führte dieses bildschöne
Mädchen im feierlichen Geleit durch
seinen ganzen Betrieb und schließlich
die Treppe zu der Kanzel empor, von
der aus der Taufakt vor sich gehen
sollte. Da hing denn auch bereits an
einer farbigen Schnur die übliche Fla-

sche Champagner, die am Bug des neuen
Schiffes zerschellen sollte. Schon hatte
Kayser dem Mädchen die Flasche in die
Hand gedrückt, da fand es zum ersten
Male Gelegenheit, seine Augen spazie-
ren zu führen-und entdeckte, daß

da nur so etwas wie ein Schiffskiel auf
den Heiligen lag, keineswegs aber der
Rumpf eines fertigen Ozeanriesen. Das
Mädchen stutzte bei dieser Entdeckung
einen Augenblick, aber Kayser rief ihm
zu: „Schnell, schnell, fangen Sie an die
Flasche zu schwingen! Bis sie ausge-
schwungen hat, ist das Schiff fertig!"
Man sieht: unser Droschkenkutscher
auf us-amerikanisch! Wenn der Mann
so weiter macht, wird er demnächst nur
noch den Kaufpreis für seine Schiffe
kassieren, sie aber gar nicht mehr
bauen, sondern erklären, sie seien schon
wieder versenkt worden!

Aberakadabera — Geschwindigkeit ist
keine Hexerei, sondern nur ganz ge-
wöhnlicher Schwindel!

Vielleicht werden sogar noch die Yan-
kees hinter diesen Schwindel nun zu
der Erkenntnis kommen, daß die Ein-
zigen, die Amerikas Schiffneubauten
„fertig machen“, unsere U-Boote sind.
Nur, daß dieses „Fertig machen“ etwas
anders zu verstehen ist. -voifi-

Kladdcradatsch
 
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