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Ein Fetze» Papier

Um zu beraten Hohes und Hehres
trotzten zwei „Helden" den Tücken des Meeres.
Herr Churchill labte mit Whisky die Kehle,
dann sang er mit Franklin Delano Choräle.

Cs kamen Reporter, die den Beschwipsten
und den augcnvcrdrehendcn Roosevclt knipsten,
und dann gingen die beiden mit wichtiger Miene
wieder hinunter in ihre Kabine.

Dort wurde leeres Bcgrisss-Stroh gchäcksclt
und über die Phrasen, die man gedrechselt
manch zynisches, wissendes Lächeln gewechselt.
Die Zudenpresse nach einigen Tagen
bat sich vor Begeisterung säst überschlagen,
und ihr Radio gellt' cs in alle Ohren:

„Es ward die Atlantik-Charta geboren!" -
Doch während die Hymne zum Himmel stieg,
saß Stalin im Kreml und grinste und schwieg
und sagte nicht nein, und sagte nicht ja,
bis eines Tages die Panne geschah.

Aufstanden Zwölftauscnd im Wald von Katyn
und zeugten als Leichen noch wider ihn.

Einst waren sie Churchills Bundesgenossen,
und er - nun, er war jetzt mit ihnen „erschossen".
Und die Inder traten in ihre Reih,
dir Opfer der britischen Mordpolizei,
und alle die, so bei Nebel und Nacht
der Scccet Service schon umgebracht,
und alle, zum Wohle des Dollars gemeuchelt. -
Zwei „Helden" hatten vergeblich geheuchelt.

Es erwies sich als blutige Ironie
die Magna Charta der Demokratie.

Und einer stand aus und verlangte Belehrung:
„Wie steht es denn mit der Atlantik-Erklärung?"
Herr Churchill hat sich gedreht und gewunden
und doch keine passende Lüge gesunden,
so mußte er aus das fatale Bescagen
notgedrungen die Wahrheit sagen -
„Mit dieser Charta treib ich's wie ich's mag -
Sie war niemals bindend. Sie ist kein Vertrag!"
Wir Hörens. Und sachlich bemerken wir:

„Na, bitte. Wir wußten's: ein Fetzen Papier!"

Bomben auf Rom

Schon immer gab es zwei Arten von Be-
suchern der ewigen Stadt.

Die einen suchten nur die Sterne im
Baedecker, stellten fest, wieviel oder
wiewenig von einem alten Kunstwerk
npch vorhanden war, fühlten sich zu
einem„very nice!“ verpflichtet und gin-
gen -dann zum Lunch. Mit nach Hause
aber nahmen sie dann das Recht, im
Gespräch mit Gleichgesinnten zu beto-
nen, daß sie diesen oder jenen Mark-
stein in der Geschichte des Menschen-
geschlechts gesehen hätten.

Die anderen unter den Besuchern der
ewigen Stadt sahen hinter der zufälli-
gen Erscheinungsform eines vielleicht
nur noch als Ruine sichtbaren Monu-
mentes die Bilder der Jahrhunderte
oder Jahrtausende aufsteigen. Auch an
den Spuren der Vergangenheit noch er-
lebten sie das Ringen der dämonischen
Gewalten, den Kampf ganzer Generatio-
nen, den glanzvollen Aufstieg zu den
höchsten Höhen der Einzel- und der Ge-
meinschaftsleistung.

Diese Besucher Roms nahmen von ihrer
Reise nicht einen protzigen Gesprächs-
stoff mit nach Hause, sondern meistens
einen Stfein. Ein Stück des hellen oder
dunklen, des glatt polierten oder des
von der Zeit angerauhten, des stumpfen
oder des geheimnisvoll geäderten Mar-
mors, der überall in Rom liegt. Wenn sie
diesen Stein betrachteten, dann stiegen
aus dem toten Material noch Jahre nach
dem Besuch die lebendigen Bilder auf.
In der Erinnerung wurden noch einmal
die Gefühle [lebendig, die einst der Be-
such an den (Stätten ausgelöst hatte, die
allen Menschen heilig sein sollen:

Von der Erinnerung noch reichte in das
tägliche Leben hinein ein Impuls zum
Guten, eine Mahnung zum Schönen,
eine Aufforderung zum Tätigsein und
zum Streben. So war und ist Rom, der
Wallfahrtsort der Menschen dieser Erde,
nicht nur ein Museum der Erinnerung
an Vergangenes, sondern es ist mit all
seinen Denkmalen ein Wegweiser in die
Zukunft.

Nun haben amerikanische Flieger die
ewige Stadt bombardiert. Die Explo-
sionen ihrer Bomben wirbelten Steine
durcheinander, die vielleicht schon als
Baumaterial benutzt wurden, als die Ur-
ahnen des Negerpiloten noch für viele
Generationen Hütten aus Palmblättern
bauten und noch nicht ahnten, daß in
Europa ein Licht angezündet worden
war, an dem sich Jahrtausende wärmen
sollten. Das. Licht des menschlichen
Geistes, der Gesittung und der Kultur.
Im Krachen der Bomben, made in USA.,
sanken Kirchengewölbe dahin, die schon
das ehrwürdige Alter von zehn Jahr-
hunderten erreicht hatten, als Kolum-
bus auf der Suche nach Indien einen
neuen Erdteil fand.

Und dann wundert sich noch jemand,
wenn wir sagen: Für die Menschheit ist
ein solches.Bauwerk mehr wert als die
ganze Zivilisation der USA. einschließ-
lich der Wolkenkratzer von New York
und des komischen Kastens, den jene
Narren so unbescheiden „Kapitol" ge-
nannt haben!?

So beinahe dachten wir uns den Weg,
den die beschreiten wollten, die mit
frommem Augenaufschlag auf der „Po-
tomac" „Vorwärts, Streiter Christi!“
sangen. Das ist der Weg über die Zer-
störung des Kölner. Doms, der unersetz-

lichen Bauwerke der norddeutschen Go-
tik, der Dome von Genua, Palermo und
Neapel bis hin zur Basilica San Lo-
renzo. Die Richtung des Weges ist klar:
Sie führt über Sankt Peter in Rom zur
Vernichtung der uns überkommenen
Kulturwerte schlechthin. Denn wer aus
dem in anderen Erdteilen Erarbeiteten
nichts anderes zu machen wußte als
Wolkenkratzer und eine Wallstreet, wer
am Ende einer geistigen Entwicklung
den Fahrstuhl, das Wasserklosett, die
schnellste Eisenbahn und die größte
Zahl von Arbeitslosen sieht, der muß
ja den Stern im Baedecker als eine
ewige Erinnerung an seine Unwissen-
heit hassen.

Vielleicht haben wir alle einen Fehler
gemacht, daß wir den Irrweg des Ko-
lumbus weitergingen. Daß wir den nach
Amerika gespülten Abschaum der euro-
päischen Menschheit teilhaben ließen
an der lebendigen Entwicklung des al-
ten Erdteils.

Wir haben nun einmal diesen Fehler
begangen, und wir müssen nun die Fol-
gen tragen. Kolumbus können wir nicht

mehr zurückholen, aber das Gelichter,
das den Spuren des närrischen Weisen
dann folgte, das können wir wieder hin-
auswerfen. Denn von dem Krachen der
Bomben über Rom werden nun wohl
auch die aufwachen, die in den' Win-
keln Europas noch schlafen. Was der
Ansturm der Bolschewisten gegen die
Kultur des Abendlandes nicht fertig-
brachte, das werden die von Negerpilo-
ten geworfenen Bomben auf Rom wohl
bewerkstelligen: Europa, die Wiege der
menschlichen Gesittung und Kultur,
stöhnt unter dem Ansturm der Enkel
mißratener Söhne aus den Steppen des
Ostens und den Prärien des Westens.
Aber wenn es den Feind als Feind er-
kennt, dann findet es vielleicht zu dem
zurück, was es so lange vergeblich er-
strebte: der inneren Einheit, die vor
Jahrtausenden in Rom verwirklicht war
und die jetzt im Herzen des alten Erd-
teils erwächst. Dann kann ein einiges
Europa der Menschheit vielleicht noch
Größeres schenken als in jener Zeit,
deren Denkmäler heute amerikanischen
Bomben zum Opfer fallen. Hanton

Kladderadatsch
 
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