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Kladderadatsch — 97.1944

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https://doi.org/10.11588/diglit.2324#0062
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Tories regieren

Unserem Londoner Mitarbeiter ist es
gelungen, ein Gespräch zwischen zwei
der ältesten Mitglieder der Konservati-
ven Partei im Unterhaus zu belauschen.
Seine Aufzeichnung bietet überraschen-
de Einblicke in die zähe Geistesarbeit
der Tories, die um die Rettung der Welt
vom drohenden Einbruch unangemesse-
ner Ideen renitenter Neuerer kreisen.
Hier folgt der wertvolle Bericht.

„Ich konnte im Restaurant des derzeiti-
gen Parlamentslokals das Gespräch
zweier würdiger'Greise mitanhören, die
über die letzten Ministerreden sprachen.
.Verstehe nicht1, meinte das erste Ho-
nourable Member of Parliament, ,wie
sich Amery überhaupt über die Zahl der
verreckten Natives in Indien verbreiten
konnte! Ist doch am Ende egal, ob nun
eine Million oder zwei von dem Gesindel
krepiert — Hauptsache, daß sie uns
keine Schwierigkeiten machen .. .* .Stim-
me Ihnen vollkommen bei!1 legte sich
das zweite Honourable Member ins Zeug,
,da hat neulich so ein Farbiger hier in
London auf einer Lehrerkonferenz der
Indischen Liga gezetert: Amery hätte
bei der Zählung der Toten der Hungers-
not einen Monat ausgelassen ... Zwei
Millionen kämen dann heraus! . .. Bitte
Sie — wo kommen wir dann da hin,
wenn die Kerle uns vorrechnen wollen,
welche Totenzahlen und Hungermonate
wir zu zählen haben!1 .Alles nur Ergeb-
nisse dieser Geistesverwirrung, die wir
erleben müssen. Wer hat sich zu meiner
Zeit in Indien über Verhungerte aufge-
regt? — Alles nur diesen Nazis zuzu-
schreiben! Schreibt doch .News Chro-
nicle1, das Unterhaus habe Amerys Fest-
stellung über die geringfügigen indi-
schen Sterblichkeitszahlen keinen Bei-
fall gezollt und schließt daraus, daß
diese Zahlen unsere Ehre und unsere
staatsmännische Kunst in Frage stell-
ten ... Bitte Sie, was für ein Unsinn!1
.Ebenso unsinnig, wenn unser Luftfahrt-
minister erklärt, wir freuten uns nicht
über die durch unsere Bomben in deut-
schen Städten getöteten Frauen und
Kinder. Selbstverständlich freuen wir
uns, und der Erzbischof von Canterbury
hat das neulich ja auch in erfrischender
Weise offen ausgesprochen. Da redet
man immer von Demoralisierung in die-
sem Lande, spricht von leichtsinnigen
Ehescheidungen unseres Adels — du
liebe Güte! Sollen uns doch bloß in Frie-
den lassen mit solchemQuatsch und sich
lieber ehrlich über die Erfolge unserer
Bomber freuen!1 .Schon recht, wenn
Sinclair sagt: Wir sind ein Teil von
Europa — das Meer hat uns niemals ge-
trennt und die Luft vereinigt uns ...
Aber er soll das nur richtig verstehen:
wenn wir diese Bande auf dem Konti-
nent nicht mehr mit der Blockade von
See aus -kirre machen können, dann
müssen wir es aus der Luft tun!1 .Sehr
richtig!1 bekräftigte der andere, ,wir
haben es nicht nötig, uns dabei an so

2>»wjet-Song

3br Völker, lasst euch doch bcfrci'n,
wir mache» das sehr sei».

Wir baden ja die GPU.
speziell dressiert dazu.

Die siebt gleich aus den ersten Blick
ob einer sic geniert,

und schient ibin schnell mal ine Genick -
schon ist er liquidiert.

Und sragt vielleicht der Brite,
warum sic das wohltu? -
's ist mal bei uns so Sitte -
Ghacun a son gout!

Bewährt bat sich auch das Rezept,
das; Mensche» man verschleppt.

Seen »ach Sibirien bringt man sic,
und Heimkehr gibt es nie.
lind wer da nicht zu Tod gequält,
wer nicht vor strost krepiert -
auch dessen Tage sind gezählt-
er wird Kalt liquidiert.

Da hilft nicht ßlch'n noch Bitte,
ibn fillt die G.P.U. -
's ist mal bei uns so Sitte -
Ghacun a son gout!

Woran ich meine Freude Hab',
das ist das Massengrab.

Darin ist sür Millionen Raum -
ja, Mensch das glaubst du kaum!
Sofern du kein Hebräer bist
und Träger der Kultur,
du schon dem Grabe näher bist,
verwischt sei deine Spur!

Kein Untermensch es litte,
bliebst noch am Leben b»!

's ist mal bei uns so Sitte -
Ghacun a son gout!

etwas wie Garantien oder Versprechun-
gen erinnern zu lassen. Sollen sich doch
die Polen mit den Sowjets einigen. Du
lieber Gott — was ist schon dabei, wenn
dabei ein paar Millionen über die
Klinge springen müssen! Die Bolsche-
wisten besorgen das ja ganz sauber und
sind als Büttel in dem aufsässigen
Europa ganz gut zu brauchen.1 .Ganz
meine Meinung!1 bestätigte der Vorred-
ner, ,an uns kommt ja sowas nicht ran!
Nee — da liegt ja das Salzwasser des
Kanals dazwischen. Insofern trennt uns
dann wiedei1 das Meer von dem ver-
dammten Kontinent.. .* ,Na, klar —
Meer trennt und vereinigt zugleich!1
rief der andere und knallte sein Whisky-
Glas auf den Tisch. .Waren immer erste
seefahrende Nation — wollen doch mal
sehen, wer uns das streitig macht. Etwa
die Yankees?1 ,Pßt!‘ machte der andere
und sah sich ängstlich um. .Wiesodenn?1
kam die Gegenfrage, .sind wir denn
nicht in unserem eigenen Parlament?1

.Gewiß, ehrenwerter Freund, gewiß, —
aber heutzutage weiß man ja nie, ob
nicht ein Amerikaner zuhört.. .* .Erlau-
ben Sie: hier im Unterhaus sind wir ja
wohl noch-!?" ,Ja, ja! Aber beden-

ken Sie doch, daß in unseren eigenen
Reihen genug amerikanisches Geld
fließt... Denken Sie an Ronald Tree,
unseren Parteifreund, der eine amerika-
nische Witwe mit gutem Geld heiratete.
Denken Sie an Hamilton William Kerr,
dessen Vater aus New York stammt;
und schließlich — na, die Mutter Chur-
chills --1 .Aber — mein Bester, die

Yankees sind doch unsere besten Ver-
bündeten!1 prostete der Muntere dem
Ängstlichen zu. Der aber antwortete
kleinlaut: .Gewiß — und unsere stärk-
sten Gläubiger sind sie auch ..." Darauf-
hin verschluckte sich der ehrenwerte
Greis, der ihm zugetrunken hatte, so
heftig, daß er hinausgeführt werden

So schließt der aufschlußreiche Bericht.

Kladderadatsch
 
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