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Kladderadatsch — 97.1944

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https://doi.org/10.11588/diglit.2324#0110
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Der kleine Irrtum

Sooft der Tommy grollte Churchills Kabinette,

weil dies oor aller Welt sich siele blamocen hätte

und jcdeemal, wen» wuchs zum Wutschrei die Kritik an,

dann sah W. 6. sein Volk mit „treuem" Hundcblick an

und sprach: „So wahr ich siche hier, ich, der noch nie gelogen!:

der deutschen Vuslmachl haben wir die Zähne ausgezogen!"

Und drückt' in Teheran Herr Stalin Churchills Glossen

und lat dann hinterher nur, was er selbst beschlossen

und kümmert' keinen Deut sich um die edlen Briten,

die auch Herr Roosevelt gern reguliert mit Tritten,

dann sprach W. C. zum Volk: „My dcar, so bleib uns doch gewogen,

der deutschen Lustmachl haben wir die Zähne ausgezoqen!"

Doch nun die Briten sahn (sic drehten sich verwirrt um):
der auögczogenc Zahn war ein Churchillschcr Irrtum.

Cs ist der deutsche Aar so jung wie je und kräftig,
er stößt noch zu, und zwar besonders hart und heftig.

Vorbei war Englands Wahn. Schon sah man London glühen!-
- Vom ausgezogcnen Zahn den Zahn lasst euch nur ziehen!

Aus der Welt
der Superlative

Vorausgesetzt, daß man beim Bericht über
Zustände in jener Neuen Welt von Jobbern
und Raffern, einer Welt, die nur „schwin-
delhafte Aufstiege“ und „Fälle“ — nämlich
Kriminalfälle — kennt, einer Welt, die aus
Ellen Keys einstmals vielberufenem „Jahr-
hundert des Kindes“ ein amerikanisches
Jahrhundert des Kinder-Raubes gemacht
hat —, vorausgesetzt also, daß man aus
jener Neuen Welt über Neigungen berich-
ten kann, so muß man sagen, daß die ganze,
zärtliche Neigung der Yankees dem Super-
lativ gehört. Ich habe lange geschwankt,
ob ich statt „Superlativ“ „Übersteigerung“
schreiben sollte, aber schließlich bin ich
beim Lateinischen geblieben, weil ja in der
Sphäre der US-Amerikaner — vor allem
der um Roosevelt — gerade in einer Zeit
der Auktionen gestohlener italienischer
Kunstgegenstände der Begriff „Steigern“
mit dem identisch ist, was die Kunden von
Pimperneil in New York und Salauer in
Washington mit der europäischen Kultur
verbindet, nämlich mit der „Tätigkeit“ auf
eben diesen Auktionen.

Diese gehören aber nur insofern zum
Thema „Superlativisches“, als dort mit der
größten Unverschämtheit von den frech-
sten Dieben wertvollste europäische Kunst-
gegenstände zu den höchsten Preisen an die
aufdringlichsten Schmarotzer verschachert
werden. Und mit diesem Satze (wobei das
Wort Satz als Synonym für Sprung zu
verstehen ist) sind wir mitten im Thema.
Es ist allgemein bekannt, daß dem Yankee
— und noch mehr dem Juden, der sich als
solcher ausgibt — die Neigung anhaftet,
stolz auf alles zu sein, was einem Rekord
auch nur ähnlich sieht. So rühmt man sich
in „Gottes eigenem Land“ der höchsten
Häuser und der längsten Brücken, der
unentwegtesten Dauertänzer, Non-stop-
Klavierspieler, der hemmungslosesten Weit-
spucker, idiotischsten „Baumsitzer“ und
ähnlicher Abnormitäten. Ernst Machek hat
einige davon in seinem Buch „Verrückte
Neue Welt“ verzeichnet: „Den Weltrekord
im Gummikauen hält Bertram Teurlo vom
McKendree-College, der 45 Stück Kau-
gummi auf einmal in den Mund nehmen
und kauen kann.“ „Johnny Connors aus
Roxbourgh im Staate Massachusetts hat
mit der Nase eine Erdnuß von Boston bis
Worcester gtfrollt und gilt nun als an-
erkannter König der Erdnußroller.“ „Ken,
ein nur unter diesem Namen bekanntes
Mitglied der Unterwelt von San Franzisko,
hält den Weltrekord im Fassadenklettern.“
„Einem Bürger von Ohio gelang es, auf
einem Flaschenhals 3585 Streichhölzer
aufzubauen und damit — vermutlich —
einen neuen Weltrekord aufzustellen.“
„J. Simmons aus Chicago hat einen Rekord
im Eissitzen aufgestellt: er saß 26 Stunden
lang auf einem Eisblock. Dann mußte er
mit 40 Grad Fieber ins Spital gebracht
werden.“ „Der Student John Patrick von
der Universität Chicago hat einen bisher
unerreichten Rekord aufgestellt, indem er
drei Schallplatten von 25 cm Durchmesser
mit den Zähnen zerbrach und verspeiste.“
„Miß Bessie Wine, New York, hält den
Weltrekord im Beine-Hochwerfen." Dies
zur Illustration der Hirnrissigkeit einer
Welt von Superlativ-Schwärmern. Es kann
natürlich nicht geleugnet werden, daß die
Yankees auch echte Höchstleistungen zu
verzeichnen haben: sie besitzen den mein-
eidigsten Präsidenten der Welt, der seiner-
seits wiederum mit der sowohl häßlichsten

als auch schwatzhaftesten Ehefrau gesegnet
ist. Sie zählen zu ihren Landsleuten die
meisten Berufsverbrecher der Welt, und
ihre Statistiken berichten von der er-
schreckendsten Jugendkriminalität, der
größten Häufigkeit von Mordtaten und
von der erschütterndsten Arbeitslosenzahl,
die sich denken läßt.

Aber mit diesen unbestreitbaren Rekorden
sind die Yankees noch nicht zufrieden. Sie
wollen anscheinend auch noch einen Re-
kord der Rekorde aufstellen, und so be-
scherten sie sich — und damit dem Inter-
esse der Welt — in Herrn Knox den
dümmsten Marineminister, in Herrn Hüll
den hilflosesten Sozialpolitiker, in Herrn
Roosevelt den ungeschicktesten Dokumen-
tenfälscher — und, als Produkt der An-
strengungen aller Regierungsmitglieder, die
albernsten Phrasen, die unsinnigsten Nach-
kriegspläne und die lächerlichsten Drohun-
gen gegen Deutschland. Aber in den Jahren,
in denen sich nun der Rooseveltianismus
kriegerisch austoben kann, sind die Yankees
nach und nach (dank ihres langsamsten
Denkens) dahinter gekommen, daß Deutsch-
land nicht US-Amerika ist, und daß man
mit Zahlen aus dem Übertreibhaus der
Zweckstatistik bei uns keinem Menschen
imponieren kann. Sie haben gemerkt, daß
es uns kalt läßt, wenn Herr Kayser in
Weltrekordzeit Schiffe baut, weil wir
wissen, daß sie noch schneller untergehen.
Sie haben zu ihrem Leidwesen erfahren,
daß ihr einziger Superlativ, von dem
Europa Notiz nimmt, die bisher lang-
samste „Offensive" der Kriegsgeschichte
bei Nettuno ist.

Da sind sie nun, um uns in Schrecken zu
versetzen, auf eine neue Art der indirekten

Superlativ-Reklame verfallen. Eine andere
Deutung jedenfalls läßt die folgende Lon-
doner Meldung wohl kaum zu: Im Lon-
doner Unterhaus beklagte man sich dar-
über, daß die von amerikanischen Militär-
kraftwagen verletzten Engländer noch
immer keine Entschädigung erhielten. Die
britische Schadenskommission erklärte sich
für unzuständig. „Es ist ein Skandal“,
sagte der Konservative Sir H. Williams,
„daß britische Staatsangehörige, die von
amerikanischen Militärkraftwagen in Eng-
land überfahren werden, von niemanden
Schadenersatz verlangen können. Ist es
nicht an der Zeit, daß die britische
Regierung ihre eigenen Staatsangehörigen
schützt?“ Kriegsminister Grigg, der hier-
auf antworten mußte, erklärte, er könne
dagegen vorläufig nichts unternehmen, da
die Angelegenheit noch immer mit dem
Washingtoner Staatsdepartement verhan-
delt werde. —

Wenn das überhaupt einen Sinn hat, dann
doch wohl den eines indirekten Hinweises
auf die Größe des in England stationierten
Truppenkontingents. Es ist soo groß, daß
allein schon die Zahl der von Yankee-
Heereskraft wagen Überfahrenen Legion ist.
Aber da ein einzelner Kraftwagen, wenn
nur sein Fahrer verantwortungslos und
idiotisch genug ist, eine recht beträchtliche
Menge Menschen umlegen kann, zieht diese
neueste amerikanische Heeres-Reklame

Wir sind vielmehr nach wie vor davon
überzeugt, daß auch in militärischen
Dingen einzig und allein die amerikanische
Groß-Schnauze alle Größenrekorde bricht.
Und diese Groß-Schnauze werden wir zu
gegebener Zeit zu stopfen wissen. — icv —

Kladderadatsch
 
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