Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
D»S letzte Aufgebot


Niemals bereit, unser» Lachnerv zu schonen,
präsentiert Herr Badoglio nun zehn Divisionen
Uankecs und Tommieö als Stütze und Zier,
vorläufig freilich nur aus dem Papier.

Im Geist lässt der „Marschall" sic schon ercrzicrc».
im Geist laiin er schon ihre Löhnung kassieren,
denn aus Geld war er immer, dank qroficm Bedarf,
fürchterlich scharf.

„Die zehn Divisionen", so sagt er bescheiden,

„die kann ich zivar weder bewaffne» noch kleiden,
auch mangelte im Grunde au Männer» uns liier,
denn ich selber, ich steh ja als Strohmann nur hier,

doch ich hoff', Onkel Churchill in London da oben,
der wird meinen bösen Willen schon loben,
und er ernennt mich nun lurz und cntschlossc»
endlich zu seinem Bundesgenossen."

Soweit Herr Badoglio. Möglich vielleicht,
das? er sei» Wunschzicl nun endlich erreicht.

Dann zieht wohl M Re, der gewaltige Held,
als Häuptling der Liliputaner ins jzcld,

und seine Truppen benutzen an Stelle
von Gewehren und Kanonen die .zrcimaurcrkcllc,
und am Schabbes, da stell» sic dann ganz allgemein
nach Moischcs Geboten die Kriegführung ei».

Setzt man sic als Marschkolonne in Trab,
sic treten einander die Ainosüffc ab,
und che die Kugeln geflogen käme»,
da würden sic volle Gold-Deckung nehmen.

Doch - Träume sind Schäume. Sic stürmen die Börse,
jedoch verzichten aus Krieg und Gewehr se,
so das? Herrn Badoglioe zehn Divisionen
bestimmt nur im Wölkenkuckucksheim wohne».

Schnaps

Es war kurz nach der Konferenz von Te-
heran, da lasen die Londoner und die Ncw-
Yorker nicht ohne Schmunzeln inmitten
pompöser Leitartikelphrasen und hymni-
scher Huldigungen für den Geist der gro-
ßen Sowjetdemokratie allerlei Kulissenplau-
dereien aus dem Tehcraner politischen Ein-
trachts-Theater. Und hier wie dort, in
Churchillien wie in Gottes eigenem Land,
wurde mit jener Schadenfreude, die an-
scheinend auch bei „Bundesgenossen“ die
reinste ist, erzählt, Herr Joseph Dschugasch-
wili, genannt Stalin, habe dem Towaritsch
Timoschenko eine Schnapsflasche an den
Schädel gehauen. Diese Nachricht wurde
unbesehen geglaubt und kolportiert, und
man kann nicht einmal leugnen, daß sie
hohen Wahrscheinlichkeitsgehalt besaß.
Timoschenko ist bekanntlich seit langem,
Stalin erst neuerdings Marschall der So-
wjet-Union, und da die beiden Herren
offenbar irgendwo einmal gehört hatten,
daß — im Gegensatz zum Muschik — die
hohe Generalität mit geistigen Waffen
zu kämpfen pflegt, verstanden sie das auf
ihre Weise und griffen, als es zu einer
Auseinandersetzung kam, zu der „geisti-
gen“ Waffe, die ihnen gerade zur Verfü-
gung stand, nämlich zur weingeistigen.
Die unentwegten Verfechter der These,
daß die Bolschewiki sich demokratisiert
haben, konnten die als Argument benutzte
Schnapsflasche für einen Beweis der Rich-
tigkeit ihrer Behauptung ansehen: die
beiden Sowjetoffiziere wollten ganz offen-
sichtlich den Begriff „Marschall“ wieder
demokratisieren, indem sie durch ihr Be-
nehmen den verschollenen Sinn des Wortes
wiederherstellten, das ja — wie man weiß
— im grauen Mittelalter einmal die
schlichte Bedeutung „Pferdeknecht“ ge-
habt hat. Somit wäre denn auch alles
in schönster Ordnung gewesen, und höch-
stens der Neid darüber, daß die Marschällc
der Sowjetunion so unzweckmäßigen Ge-
brauch von einem Genußmittel gemacht
hatten, auf das die durstigen Tommies und
Yankees in Zukunft werden verzichten
müssen, hätte die Freude der plutokra-
tischcn Zeitungsleser daran trüben können.
Aber leider gibt cs im Weißen Haus
noch immer jenen Franklin Delano
Roosevclt, der es nicht unterlassen konnte,
wie schon oft, so auch in diesem Falle, als
Elefant im Porzellanladen herumzutram-
peln. Er zerstörte die Schnapsflaschen-
legende, die so beredt für die fortschrei-
tende Demokratisierung Sowjetiens zeugte
und ein so eingängiges und markantes
Symbol für die judokratisch - bolsche-
wistische Holzhammerpolitik war. Er ver-
sicherte nämlich Herrn Cormack, einem
Mitglied des US.-amerikanischcn Kon-
gresses, das Spritbuddelhistörchen sei er-
funden, denn Timoschenko habe an der
Konferenz von Teheran überhaupt nicht
teilgenommen. Der New - Yorker und
Londoner Journaille wird dieses Dementi
nicht unwillkommen gewesen sein, denn
jeder einigermaßen vollsinnige Zcitungs-
leser jenseits des Kanals und des großen
Teiches wird aus seinen Erfahrungen mit
Roosevelts und seiner Trabanten Dementis
ganz gewiß den Analogieschluß gezogen
haben, daß diese Richtigstellung vielmehr
eine Bestätigung gewesen ist. Denn wenn
alle amtlichen plutokratischcn Ableug-
nungen deutscher und japanischer Mel-
dungen richtig gewesen und der Wahrheit
gedient hätten, dann säßen die Yankees
heute in Tokio, die Sowjets ständen am
Rhein und Eisenhower residierte in Rom.
Selbst die anhänglichsten Roosevelt-Wählcr

konnten also höchstens das Eine für wahr
halten, daß Timoschenko nicht in, sondern
vor Teheran die Schnapsflasche an den
Kopf gekriegt habe, und daß eben gerade
der Schlag mit der Buddel der Grund
dafür gewesen sei, daß der Marschall der
Konferenz fernbleiben mußte. Diese Aus-
legung freilich könnte dem, der sie öffent-
lich verkündet, im Lande des unbegrenz-
ten Schwachsinns als antibolschewistischc
Propaganda übel ausgelegt werden. Man
könnte ihm vorwerfen, daß er die Timo-
schenko-Härte im Nehmen beträchtlich
unterschätze.

Was mag wohl eigentlich Herrn Roose-
velt zu seinem Dementi veranlaßt haben?
Vermutlich doch die irrige Vorstellung,
daß die zitierte Notiz antibolschewistischen
Charakter habe und also geeignet sei,
seine Sowjetgeschäfte zu stören. Ein wie
schlechter Psychologe muß aber der Weiß-
häusler sein, wenn er die Wirkung der
Teheran-Anekdote derartig verkennt. In
einem Land, wo man Wettkämpfe im Weit-
spucken veranstaltet, kann man ebenso wie
auf jener Insel, wo die gemütliche Gesellig-
keit erst in dem Augenblick beginnt, an
dem die „Herren“ ihre Beine auf den
Tisch legen, durch schlechte Manieren
nur populär werden, weil damit der Mann
auf der Straße wie der Snob im Club-
sessel die eigene Lebensform bestätigt sieht.

— Und denn: was nützt wohl in diesem
Falle ein Dementi?! Die Pressejuden
brauchen, um alles wieder ins richtige
Gleis zu bringen, nur zu schreiben: Lieber
Leser! Du kennst gewiß die Anekdote von
jenem Wunder-Rabbi in Lemberg, der
plötzlich in den Kreis der Talmudjünger
tritt und schreit: „In der Soundsogasse zu
Krakau brennt es!“ — und dessen An-
hänger später einem Kritikaster, der nach-
weist, daß cs weder an jenem noch an
einem andern Tage an der bezeichnten
Stelle gebrannt habe, erwidern: „Gut, so
hat er falsch gesehen, der Rebbe! Aber
großartig ist doch sein weiter Blick!“ —
Genau so, lieber Leser, ist es bei der
Schnapsflaschen-Anekdote. Denn wenn
Timoschenko wirklich nicht in Teheran
war, dann beweist Stalins Schlag nur, einen
wie langen Arm der Herr des Kreml hat!

Das, wie gesagt, würde genügen. Denn

— und das ist die Moral von der Ge-
schichte — nichts, was zum Preis der
Sowjets gesagt oder geschrieben wird, ist
so blödsinnig, daß es nicht von jener
Demokratie geglaubt würde, die auf einem
Mehrheitsbeschluß der Dummen beruht,
der Klügere müsse nachgeben.

Wollen diese Schafsköpfe wirklich so
lange warten, bis sic selbst eine Flasche an
den Kopf oder eine Kugel ins Genick
kriegen? rolfa.

Kladderadatsch
 
Annotationen