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Kladderadatsch — 97.1944

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https://doi.org/10.11588/diglit.2324#0418
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Abwarte»

Seit jeher war'n sie schnell dabei,
wen»'s galt ein Mords-Triumphqeschrci.
doch immer jach verklang ihr Lied,
und die Fanfaren war'n verfrüht,
und alle Siegs-tzlstasen,
sie wurden abgcblasen.

Seit jeher fand sich da ein Zwerg,
der krähte: „Wir sind Uber'» Berg!"

Da war der Zubcl immer groß,
der Börsenjobber macht in Hausse -
und dann mit einem Male
saß man ganz tief im Tale.

Doch ließ man stets sich wieder ein
aus phrasenrcichcs Prophezei'».

Wir hörten zu und dachten stumm:

„Der Gegner wird durch Schaden dumm
und glaubt die tollsten Sache»! -
Zum Lachen!"

Drum: tobt sich bei den Feinden drauß'
die „Prophctitie" wieder aus,
steht theoretisch wieder da
in Sicgesgla»; und -gkoria -
Wir weichen leinen Schritt vom Ziel,
bis daß dann wieder wir am Spiel.

Dann stechen unsre Karten. -
Abwarten!!

..Halten 8ie das für
möglich ?“

Von Vincent Vickers t,

Es bleibt Tatsache, daß ich selbst zu-
gegen war, als der große Logikprofes-
sor hier direkt vom Mars ankam und
den führenden orthodoxen Wirtschaft-
ler der Welt traf.

„Gut, meine Jungens", sagte der Logik-
professor vom Mars, „ist hier alles

„Ach! Weit entfernt davon“, sagte un-
ser orthodoxer Wirtschaftler. „Diese
Welt ist in wirtschaftlicher Entwick-
lung! Kriege, Kriegsunruhen, tausende
von Arbeitslosen, schlecht ernährte und
schlecht gekleidete Menschen, Unter-
ernährung, große Armut und Unzufrie-
denheit überall!“

„Oh“, sagte der Marsprofessor, „ich
nehme an, daß es dann unmöglich ist,
hier genügend zu produzieren, die wach-
sende Bevölkerung zu ernähren und sie
mit dem zu unterstützen, was sie für
ein angenehmes Leben notwendig ge-
braucht?“

„Im Gegenteil“, sagte der orthodoxe
Wirtschaftler, „wir haben eine ausge-
zeichnete Maschinerie! Wir können viel
mehr produzieren, als die Leirte alle be-
nötigen, es ist wahr, wir zerstören so-
gar augenblicklich Lebensmittel.“

„Was Sie nicht sagen“, sagte der er-
staunte Professor, „dann muß wohl,
irgend etwas nicht stimmen in dem
Schiffs- und Verkehrswesen, daß die
Waren nicht zu dem Verbraucher ge-
bracht werden können."

„Wiederum falsch“, sagte der orthodoxe
Wirtschaftler, „wir haben das modern-
ste und best ausgerüstete und breiteste
Verkehrswesen, herrliche Schiffe. Nein,
das ist es nicht, was falsch ist.“

„Aber etwas anderes kann falsch sein?“
fragte der Marsprofessor und hob die
Augenbrauen.

„Gut, sehen Sie“, sagte der orthodoxe
Wirtschaftler, „diese armen Leute kön-
nen diese Waren nicht haben, da sie
nicht genug Geld haben.“

„Geld?" sagte der Professor vom Mars.
„Was ist denn das auf dieser Welt?“
„Zu merkwürdig, Sie wissen nichts
über Geld?" sagte der orthodoxe Wirt-
schaftler. „Es ist lange vor 1066 zum
ganz besonderen Nutzen der Menschheit
erfunden worden, um für den Austausch
alles leicht und einfach zu machen, für
die Waren eines Menschen im Aus-
tausch für die Ware wieder eines ande-
ren Menschen. Es ermöglicht uns, den
vorherigen hinderlichen Tauschhandel

zu beseitigen. Wir haben nicht nötig,
eine Kuh über die Bondstreet zu füh-
ren, um sie in Wohlgerüche und Juwe-
len umzutauschen; alles was wir zu tun
haben, besteht darin, die Kuh in .Geld'
umzutauschen und dann das Geld für
unsere anderen Bedürfnisse zu verwen-
den. Eine wunderbare Erfindung, die
das Leben und die Glückseligkeit der
gesamten Menschheit betrifft!"

„So, die Verwirrung liegt also hier!“
sagte der Professor. „Dann ist es also
ganz einleuchtend, was ihr zu tun habt.
Ihr müßtet euer Geldsystem ändern, so
daß es diese Millionen von unzufriede-
nen Menschen in den Stand setzt, die
Dinge zu kaufen, die sie benötigen, und
dann auch eure Arbeitslosen beschäfti-

„Oh, das müssen wir nicht tun“, rief
der orthodoxe Wirtschaftler aus mit
einem entsetzten Ausdruck auf seinem
Gesicht. „Wir müssen nicht unser altes

Geldsystem ändern! Nein, das wird nie-
mals geschehen!“

„Aber warum denn nicht?“ sagte der
Professor vom Mars. „Muß ich anneh-
men, daß diese Erfindung eine Art Reli-
gion geworden ist mit Regeln und Ein-
richtungen, die nicht geändert werden
können?"

„Nun gut", sagte der orthodoxe Wirt-
schaftler und sah ziemlich blöde auf
seine weißen Hände, „daran hatte ich
vorher noch gar nicht gedacht. Aber
Sie haben recht, es ist eine Religion für
uns. Wir nennen es .Gesunde Finanz'!“
Die großen dicken Lippen des Profes-
sors kräuselten sich langsam zu einem
Grinsen. Ohne ein Wort kletterte er zu-
rück in seinen Raketenapparat und star-
tete sofort nach Hause. Und als er eine
Höhe von etwa 80 000 Metern erreicht
hatte, sah er auf die Erde nieder, wak-
kelte mit seinen großen Ohren und
lachte, lachte und lachte. Thurink

Kladderadatsch
 
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