Das öffentliche Leben.
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Fremde in einem Hause liegen. Der Schuldige muß dann mit dem
Unschuldigen leiden. (8eil tr. II. 235 ff.)
Die Rechtsbestimmungen und Gesetze sind doppelter Art: theils
alttscherkesstsches Gewohnheitsrecht, theils der Koran, den die Richter
mit sich fuhren. Die öffentlichen Gerichtsversammlungen bilden die
Rechtsschulen, wo das Recht durch Ueberlieferung fortgepflanzt wird
und in denen die Jüngeren allgemach alle gesetzlichen Bestimmun-
gen durch den Gebrauch kennen lernen. Bell bemerkt, daß das
Volk das größte Vertrauen zu der Unpartheilichkeit und Rechts-
sicherheit seiner erwählten Aeltesten hat. (Kell tr. II. 247. f.)
Der friedliche Verkehr mit dem Auslande und den Nachbarvöl-
kern ist seit den fortgesetzten Angriffen der Russen außerordentlich
beschränkt worden. Früher fand zur See wie zu Lande ein Handel
mit Landesproducten Statt, man verkaufte Sclaven, Häute der Hirsche,
Ochsen, Tiger*) und Wachs, die sie namentlich gegen Salz austausch-
ten. Bevor die Russen ihnen so nahe gerückt waren, gingen die
Tscherkessen in ganzen Karavanen nach den am astrakanischen Wege
zwischen Kislar und Astrakan belegenen Seen, um Salz zu holen,
das sie dort ganz umsonst nahmen, auf Arben luden und diese mit
sechs Ochsen bespannt in die Heimath führten. Seitdem aber die russi-
schen Linien angelegt worden, hörten diese Karavanen auf und die
Tscherkessen wurden genöthigt, ihren Salzbedarf den Russen gegen
Vieh, Tuch und andere Landesproducte abzukaufen. (Klaproth I.
587.) Seitdem die Verhältnisse zwischen den Russen und Tscherkes-
sen zu offener Feindschaft gediehen sind, hat dieser Handel aufgehört.
Noch im zweiten Jahrzehend dieses Jahrhunderts hatten die Russen
einen Handelsposten in Tscherkessien selbst und zwar im Hause des
Jndar Oku, welcher der Konak oder Gastfreund derselben war und
sie so lange schützte, bis einer der Russen, Mundroff, ein Mädchen
entführte. (Koch I. 375. 426.)
Jetzt, wo die Russen die ganze Küste besetzt haben, hat der
Handel nach Außen fast ganz aufgehört und ist in den Händen der
Türken und Armenier; die Gegenstände desselben sind Salz uud Skla-
vinnen. Der fremde Kaufmann kann nur dann bei den Tscherkessen
seinem Geschäft mit Sicherheit obliegen, wenn er unter ihnen einen
Gastfreund hat. Dieser gewährt ihm Obdach für ihn, seine Diener
und Maaren und sorgt auch für seinen Unterhalt; dafür erhält
er von jedem Sclaven oder von jeder Waare, die den Werth
eines Sclaven hat, wie z. B. 400 Okas (gegen 1000 Leipz. Pfund)
Wachs oder Honig im Norden fünf, im Süden zehn Stück Maa-
ren, deren jedes 20 türkische Piaster Werth sein muß.
Ehedem bestand der Haupthandel in Sklavinnen; schon in
*) leau äs Uuca, im kecuell äs au I§orä VII. 110.
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Fremde in einem Hause liegen. Der Schuldige muß dann mit dem
Unschuldigen leiden. (8eil tr. II. 235 ff.)
Die Rechtsbestimmungen und Gesetze sind doppelter Art: theils
alttscherkesstsches Gewohnheitsrecht, theils der Koran, den die Richter
mit sich fuhren. Die öffentlichen Gerichtsversammlungen bilden die
Rechtsschulen, wo das Recht durch Ueberlieferung fortgepflanzt wird
und in denen die Jüngeren allgemach alle gesetzlichen Bestimmun-
gen durch den Gebrauch kennen lernen. Bell bemerkt, daß das
Volk das größte Vertrauen zu der Unpartheilichkeit und Rechts-
sicherheit seiner erwählten Aeltesten hat. (Kell tr. II. 247. f.)
Der friedliche Verkehr mit dem Auslande und den Nachbarvöl-
kern ist seit den fortgesetzten Angriffen der Russen außerordentlich
beschränkt worden. Früher fand zur See wie zu Lande ein Handel
mit Landesproducten Statt, man verkaufte Sclaven, Häute der Hirsche,
Ochsen, Tiger*) und Wachs, die sie namentlich gegen Salz austausch-
ten. Bevor die Russen ihnen so nahe gerückt waren, gingen die
Tscherkessen in ganzen Karavanen nach den am astrakanischen Wege
zwischen Kislar und Astrakan belegenen Seen, um Salz zu holen,
das sie dort ganz umsonst nahmen, auf Arben luden und diese mit
sechs Ochsen bespannt in die Heimath führten. Seitdem aber die russi-
schen Linien angelegt worden, hörten diese Karavanen auf und die
Tscherkessen wurden genöthigt, ihren Salzbedarf den Russen gegen
Vieh, Tuch und andere Landesproducte abzukaufen. (Klaproth I.
587.) Seitdem die Verhältnisse zwischen den Russen und Tscherkes-
sen zu offener Feindschaft gediehen sind, hat dieser Handel aufgehört.
Noch im zweiten Jahrzehend dieses Jahrhunderts hatten die Russen
einen Handelsposten in Tscherkessien selbst und zwar im Hause des
Jndar Oku, welcher der Konak oder Gastfreund derselben war und
sie so lange schützte, bis einer der Russen, Mundroff, ein Mädchen
entführte. (Koch I. 375. 426.)
Jetzt, wo die Russen die ganze Küste besetzt haben, hat der
Handel nach Außen fast ganz aufgehört und ist in den Händen der
Türken und Armenier; die Gegenstände desselben sind Salz uud Skla-
vinnen. Der fremde Kaufmann kann nur dann bei den Tscherkessen
seinem Geschäft mit Sicherheit obliegen, wenn er unter ihnen einen
Gastfreund hat. Dieser gewährt ihm Obdach für ihn, seine Diener
und Maaren und sorgt auch für seinen Unterhalt; dafür erhält
er von jedem Sclaven oder von jeder Waare, die den Werth
eines Sclaven hat, wie z. B. 400 Okas (gegen 1000 Leipz. Pfund)
Wachs oder Honig im Norden fünf, im Süden zehn Stück Maa-
ren, deren jedes 20 türkische Piaster Werth sein muß.
Ehedem bestand der Haupthandel in Sklavinnen; schon in
*) leau äs Uuca, im kecuell äs au I§orä VII. 110.