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Knackfuß, Hermann; Michelangelo [Ill.]
Michelangelo — Künstler-Monographien, Band 4: Bielefeld [u.a.]: Velhagen & Klasing, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.71515#0034
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26

Michelangelo.


Abb. 27. Kopfstudien. Zeichnung in der Uffiziengalerie zu Florenz.

(Nach einer Originalphotographie von Brann, Clöment L Cie. in Darnach
i. E. und Paris.)

den Blütezeiten des klas-
sischen Altertums auch nur
annähernd erreichbar gewe-
sen ist.
Papst Julius II, der
Nachfolger Pius' III, berief
Michelangelo nach Rom, da-
mit derselbe ihm schon bei
Lebzeiten ein Grabmal er-
baue. Nach nicht allzu lan-
ger Zeit einigten sich beide
über einen Plan von außer-
ordentlicher Pracht: das
Grabmal sollte als ein vier-
seitiges Gebäude in zwei
Geschossen, mit mehr als
vierzig überlebensgroßen
Marmorfiguren und zahl-
reichen ehernen Flachbild-
werken geschmückt, aufge-
führt werden. Michelangelo
begab sich alsbald nach Car-
rara, Wo er für 1000
Dukaten Marmorblöcke an-
kaufte und Verträge über
den Transport der gewal-
tigen Marmormassen ab-
schloß. Er ließ die einzelnen
Blöcke an Ort und Stelle
im groben zurechthauen, und
seine Ungeduld, die es nicht

schließt die Jugendzeit Michelangelos —
soweit man überhaupt von Jugend sprechen
kann bei einem Manne, aus dessen Leben
kein Zug von jugendlichem Frohsinn spricht,
und dessen früheste Arbeiten nichts von
jugendlicher Unsicherheit aufweisen. Bis
dahin sind die von ihm geschaffenen Ge-
stalten, Wenn auch nicht aus heiterer, so
doch aus ruhiger Empfindung Hervorge-
gangen. Aus demjenigen, was er nach dem
Jahre 1505 geschaffen hat, spricht fast
überall eine umdüsterte Stimmung, ein Ver-
senken in schwere, grübelnde Gedanken. Seine
Gestalten werden die Träger von tiefen,
namenlosen Gefühlen, wie sie sonst nur in
Tönen oder auch in Farbenstimmungen zur
künstlerischen Aussprache gelangen können,
für die er aber in Formen ein Ausdrucks-
mittel gefunden hat. Dabei kleiden sich
diese Äußerungen persönlichen Gefühls in
eine Großartigkeit der künstlerischen Gestal-
tung, wie er selbst sie vorher nie er-
reicht hat, und wie sie keinem anderen seit

abwarten konnte, bis alle Vorbereitungen
zu dem großen Unternehmen, in dem jetzt
seine ganze Seele aufging, vollendet waren,
trieb ihn, schon jetzt ein paar Figuren für
das Grabmal eigenhändig in Arbeit zu
nehmen. Acht Monate lang, bis gegen
Ende des Jahres 1505, hielten die Arbeiten
in den Marmorbrüchen ihn dort fest. Der
Anblick der Marmorberge soll den Gedanken
in seiner Phantasie erweckt Haben, einmal,
wenn er Zeit hätte, eine Riesengestalt aus
dem lebendigen Fels herauszuhauen, die von
weither auf dem Meere sichtbar sein sollte.
— Im Anfang des Jahres 1506 wurde
der größte Teil der Marmorblöcke in Rom
auf dem Petersplatze abgelaben; es sah aus,
als ob nicht ein Grabmal, sondern ein
Tempel erbaut werden sollte. Ein Haus
am Petersplatz war Michelangelo als Werk-
statt eingeräumt, das durch einen Gang
mit dem Vatikan verbunden wurde, damit
der Papst jederzeit den Meister bei der
Arbeit besuchen könnte. So stand Michel-
 
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