64 Michelangelo.
den Worten: „Ich bin in dem Angenblick
so für Michelangelo eingenommen, daß mir
nicht einmal die Natur auf ihn schmeckt, da
ich sie doch nicht mit so großen Augen, wie
er, sehen kann."
Während Michelangelo die Deckenmale-
reien in der Sixtinischen Kapelle ihrem
Ende entgegenführte — -mit mehr Mühe,
als je ein Mensch ausgestanden, in schlechter
Gesundheit, mit größter Anstrengung und
mit Geduld, wie er im Juli 1512 seinem
Bruder schrieb —, vollzogen sich in Florenz
große Umwälzungen. Die Mediceer konnten
sich nicht in den Verlust der Herrschaft
schicken, welche ihre Familie so lange Zeit
hindurch über ihre Mitbürger ausgeübt
hatte, und sie boten alles auf, um dieselbe
wiederzugewinnen. Im Jahre 1512 willigten
Papst und Kaiser in die gewaltsame Wieder-
einführung der beiden noch lebenden Söhne
Lorenzos des Herrlichen -— der älteste,
Piero, war inzwischen in französischen
Diensten in der Schlacht am Garigliano
umgekommen — in Florenz. Ein spanisches
Heer, das zn diesem Zwecke gegen die Re-
publik aufbrach, verbreitete durch die Erstür-
mung und grausame Plünderung der florenti-
nischen Stadt Prato solchen Schrecken vor
sich her, daß die Florentiner, nachdem sie
Soderini zur Abdankung gezwungen, sich
gutwillig zur Wiederaufnahme der Mediceer
verstanden. Giuliano, der jüngste Sohn
Lorenzos, War der erste des Verbannten
Geschlechts, der die Vaterstadt wieder betrat.
Nach ihm kam am 11. September 1512 der
ältere Bruder, der Kardiual Giovanni de'
Medici, der mit einem Gefolge von 400
Geharnischten seinen Einzug hielt und sofort
die Stellung eines Oberherren von Florenz
wieder cinnahm.
Michelangelo verfolgte mit bebendem
Herzen die Vorgänge in der geliebten Heimat.
Die zahlreichen Briefe mit Ratschlägen und
Verhaltungsmaßregeln, die er den Seinigen
schrieb, geben Kunde von seiner fürchterlichen
Aufregung. Er Hatte Soderini so vieles
zu verdanken; das Schicksal von Prato hatte
ihn gegen die Mediceer erzürnt. Aber
andererseits War er mit diesem Hause durch
die Bande alter Anhänglichkeit verknüpft.
Als die Entscheidung gefallen war, brachte
er zu Gunsten seines Vaters, der über die
Härte einer ihm aufgelegten Schatzung von
60 Dukaten (ungefähr 600 Mark) jammerte,
die alten Beziehungen in Erinnerung; er
schrieb ein paar Zeilen an Ginliano de'
Medici, und er hatte den Erfolg, daß dem
greisen Lodovico Buonarroti alsbald das
Amt wicderverliehen wurde, welches derselbe
vor der Vertreibung der Mediceer inne
gehabt Hatte.
Giovanni des Medici blieb nicht lange
Herrscher von Florenz. Schon im nächsten
Frühjahr wurde er zu ciuer höheren Stel-
lung berufen: er wurde der Nachfolger
Julius' II.
Julius II, den die Geschichte als einen
Kriegsfürsten zu bezeichnen Pflegt, ist als
Förderer der Künste von keinem anderen
Papst übertroffen worden. Das herrlichste
Denkmal seines Kunstsinnes ist die von
Michelangelo gemalte Decke der Sixtinischen
Kapelle. Der Papst War wohl berechtigt,
dieses Werk mit seinem Wappen bezeichnen
zu lassen — wir erblicken das Wappen,
dessen Figur ein Eichbaum (rovsrs) ist,
unterhalb des Propheten Zacharias an der
sonst durch einen Engelknaben eingenommenen
Stelle, und ursprünglich befand es sich auch
unterhalb des Jonas — ; und Michelangelo
Hatte recht, das Ansinnen eines späteren
Papstes, der sein eigenes Wappen demjenigen
Julius' II gegenüber angebracht zu sehen
wünschte, freimütig zurückzuweiscn. Nach
der Beendigung der Sixtinischen Decke hielt
Papst Julius den Meister nicht länger
von der Ausführung seines Grabmals zu-
rück. Er fühlte wohl, daß er selbst die
Vollendung dieses Werkes nicht mehr erleben
würde; aber er trug Sorge dafür, daß
dasselbe auch nach seinem Tode ebenso
prächtig, wie er es mit Michelangelo ver-
abredet hatte, zustande kommen sollte. In
seinem letzten Willen übertrug er seinem
Notar Lorenzo Pucci — nachmals Kardinal
der Kirche Santi Quattro — und seinem
Vetter Bernardo Grossi della Rovere, Kardinal
Von Agen, die Verpflichtung, das Grabmal
in der von ihm und dem Künstler be-
absichtigten Weise ansführen zu lassen.
Julius II starb am 21. Februar 1513.
Am 13. März einigte sich das Konklave
über die Wahl Giovanni de' Medicis, der
als Papst den Namen Leo X annahm. Die
Welt begrüßte den jugendlichen Mediceer
auf dem Stuhle Petri mit den höchst-
gespannten Erwartungen. Die Männer der
Künste und Wissenschaften verkündeten laut,
den Worten: „Ich bin in dem Angenblick
so für Michelangelo eingenommen, daß mir
nicht einmal die Natur auf ihn schmeckt, da
ich sie doch nicht mit so großen Augen, wie
er, sehen kann."
Während Michelangelo die Deckenmale-
reien in der Sixtinischen Kapelle ihrem
Ende entgegenführte — -mit mehr Mühe,
als je ein Mensch ausgestanden, in schlechter
Gesundheit, mit größter Anstrengung und
mit Geduld, wie er im Juli 1512 seinem
Bruder schrieb —, vollzogen sich in Florenz
große Umwälzungen. Die Mediceer konnten
sich nicht in den Verlust der Herrschaft
schicken, welche ihre Familie so lange Zeit
hindurch über ihre Mitbürger ausgeübt
hatte, und sie boten alles auf, um dieselbe
wiederzugewinnen. Im Jahre 1512 willigten
Papst und Kaiser in die gewaltsame Wieder-
einführung der beiden noch lebenden Söhne
Lorenzos des Herrlichen -— der älteste,
Piero, war inzwischen in französischen
Diensten in der Schlacht am Garigliano
umgekommen — in Florenz. Ein spanisches
Heer, das zn diesem Zwecke gegen die Re-
publik aufbrach, verbreitete durch die Erstür-
mung und grausame Plünderung der florenti-
nischen Stadt Prato solchen Schrecken vor
sich her, daß die Florentiner, nachdem sie
Soderini zur Abdankung gezwungen, sich
gutwillig zur Wiederaufnahme der Mediceer
verstanden. Giuliano, der jüngste Sohn
Lorenzos, War der erste des Verbannten
Geschlechts, der die Vaterstadt wieder betrat.
Nach ihm kam am 11. September 1512 der
ältere Bruder, der Kardiual Giovanni de'
Medici, der mit einem Gefolge von 400
Geharnischten seinen Einzug hielt und sofort
die Stellung eines Oberherren von Florenz
wieder cinnahm.
Michelangelo verfolgte mit bebendem
Herzen die Vorgänge in der geliebten Heimat.
Die zahlreichen Briefe mit Ratschlägen und
Verhaltungsmaßregeln, die er den Seinigen
schrieb, geben Kunde von seiner fürchterlichen
Aufregung. Er Hatte Soderini so vieles
zu verdanken; das Schicksal von Prato hatte
ihn gegen die Mediceer erzürnt. Aber
andererseits War er mit diesem Hause durch
die Bande alter Anhänglichkeit verknüpft.
Als die Entscheidung gefallen war, brachte
er zu Gunsten seines Vaters, der über die
Härte einer ihm aufgelegten Schatzung von
60 Dukaten (ungefähr 600 Mark) jammerte,
die alten Beziehungen in Erinnerung; er
schrieb ein paar Zeilen an Ginliano de'
Medici, und er hatte den Erfolg, daß dem
greisen Lodovico Buonarroti alsbald das
Amt wicderverliehen wurde, welches derselbe
vor der Vertreibung der Mediceer inne
gehabt Hatte.
Giovanni des Medici blieb nicht lange
Herrscher von Florenz. Schon im nächsten
Frühjahr wurde er zu ciuer höheren Stel-
lung berufen: er wurde der Nachfolger
Julius' II.
Julius II, den die Geschichte als einen
Kriegsfürsten zu bezeichnen Pflegt, ist als
Förderer der Künste von keinem anderen
Papst übertroffen worden. Das herrlichste
Denkmal seines Kunstsinnes ist die von
Michelangelo gemalte Decke der Sixtinischen
Kapelle. Der Papst War wohl berechtigt,
dieses Werk mit seinem Wappen bezeichnen
zu lassen — wir erblicken das Wappen,
dessen Figur ein Eichbaum (rovsrs) ist,
unterhalb des Propheten Zacharias an der
sonst durch einen Engelknaben eingenommenen
Stelle, und ursprünglich befand es sich auch
unterhalb des Jonas — ; und Michelangelo
Hatte recht, das Ansinnen eines späteren
Papstes, der sein eigenes Wappen demjenigen
Julius' II gegenüber angebracht zu sehen
wünschte, freimütig zurückzuweiscn. Nach
der Beendigung der Sixtinischen Decke hielt
Papst Julius den Meister nicht länger
von der Ausführung seines Grabmals zu-
rück. Er fühlte wohl, daß er selbst die
Vollendung dieses Werkes nicht mehr erleben
würde; aber er trug Sorge dafür, daß
dasselbe auch nach seinem Tode ebenso
prächtig, wie er es mit Michelangelo ver-
abredet hatte, zustande kommen sollte. In
seinem letzten Willen übertrug er seinem
Notar Lorenzo Pucci — nachmals Kardinal
der Kirche Santi Quattro — und seinem
Vetter Bernardo Grossi della Rovere, Kardinal
Von Agen, die Verpflichtung, das Grabmal
in der von ihm und dem Künstler be-
absichtigten Weise ansführen zu lassen.
Julius II starb am 21. Februar 1513.
Am 13. März einigte sich das Konklave
über die Wahl Giovanni de' Medicis, der
als Papst den Namen Leo X annahm. Die
Welt begrüßte den jugendlichen Mediceer
auf dem Stuhle Petri mit den höchst-
gespannten Erwartungen. Die Männer der
Künste und Wissenschaften verkündeten laut,