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Michelangelo.
keinem derselben befriedigt, sondern bestimmte,
daß Michelangelo dieses Bauwerk ausführen
sollte. Michelangelo leistete allen Wider-
stand, der ihm möglich war. Die Kardinüle
Pucci und della Rovere versuchten dem
Papst gegenüber ihre Ansprüche an die
Thätigkeit des Künstlers geltend zu machen;
aber sie ließen sich durch die Zusage Leos,
daß Michelangelo zwischendurch in Florenz
an den Grabmalfiguren sollte arbeiten dürfen,
vorläufig beruhigen. Da ließ Michelangelo
unter Thrünen, wie seine beiden Lebens-
beschreiber berichten, von dem Werke ab,
dem er seine ganze Liebe gewidmet hatte,
und übernahm den Bau der Fassade von
S. Lorenzo.
Dieses Unternehmen war unter den
großen Enttäuschungen, welche ihm das
Leben verbitterten, eine der schwersten: es
endigte nach vier Jahren ohne jedes Er-
gebnis. Michelangelo dachte sich die Fassade
als einen mächtigen, ganz aus weißem
Marmor herzustellenden Bau; derselbe sollte
unten mit einer Säulenhalle beginnen, sich
dann in mehreren Geschossen erheben und
oben mit einem Giebel abschließen; das
Bauwerk sollte mit einer Menge von über-
lebensgroßen Marmorbildern und mehreren
Erzfiguren, sowie mit einer Anzahl stark
erhabener Relieftafeln von verschiedener Ge-
stalt und am Giebel mit dem Wappen der
Mediceer geschmückt werden. Eine solche
Aufgabe hätte den Meister wohl für die
Zurückstellung des Juliusgrabmals entschä-
digen können. Im Beginn des Jahres 1517
war Michelangelo schon in Carrara damit
beschäftigt, Marmorblöcke für die Fassade
zurechthauen zu lassen. Es ist bezeichnend
für seine Art und Weise des Schaffens, daß
er das Ganze schon so fertig vor Augen
hatte, daß er die Maße der Einzelteile be-
stimmen konnte, ehe noch ein ausführliches
Modell vorhanden war; und bezeichnend für-
feine Zuversichtlichkeit, daß er die Arbeit
im großen begann, ehe noch ein Vertrag
die Bedingungen derselben festgesetzt hatte.
Mit der Anfertigung eines Holzmodells nach
seinen Zeichnungen hatte er den Architekten
Baccio d'Agnolo und den Bildhauer Jacopo
Sansovino beauftragt. Als ihm aber im
März das Modell gezeigt wurde, verwarf
er dasselbe als „Kinderwerk". Die Mit-
wirkung anderer Künstler bei seiner Arbeit
sagte ihm überhaupt nicht zu. Im Mai
übermittelte er dem Papst und dessen Vetter,
dem Kardinal Giulio de' Medici, der als
Erzbischof von Florenz bei der Angelegen-
heit beteiligt war, eine Erklärung des In-
halts, daß er den Mut in sich fühle, in
der Fassade von S. Lorenzo ein Werk zu
schaffen, das hinsichtlich der Baukunst und
der Bildhauerkunst für ganz Italien ein
Musterbild sein sollte; aber Bedingung sei,
daß der Papst und der Kardinal sich rasch
entschlössen, ob er es machen sollte oder
nicht, und sie müßten ihm die Arbeit ver-
dingen und sich in jeder Beziehung ganz
auf ihn verlassen; wenn seine Vorschläge
nicht gefielen, so wolle er die schon gehabten
Auslagen auf seine Rechnung nehmen nnd
einen Betrag von 1000 Dukaten, den er
als Anzahlung bekommen, dem Papst zurück-
geben. Darauf bekam er umgehend die
Antwort, daß der Papst und der Kardinal
mit seinen Vorschlägen sehr einverstanden
seien; nur wünschte der Papst ein Modell
des Baues zu sehen. Michelangelo hatte
in Carrara schon eigenhändig ein Modell
aus Thon angefertigt; aber dieses war zu
schnell getrocknet und brüchig geworden, so
daß er es dem Papst nicht schicken konnte.
Darum begab er sich nach Florenz und ließ
unter seiner eigenen Leitung ein Holzmodell
Herstellen, an welchem er den Figurenschmuck
in Wachs ausarbeitete. Als dieses Modell
in Rom ankam, fand es bei dem Papst und
bei dem Kardinal die vollste Bewunderung.
Wohl erregte der Umfang, den der Fassaden-
bau nach Michelangelos Absicht annehmen
sollte, einiges Bedenken; aber als der Meister
auf Ersuchen des Papstes im Beginn des
Jahres 1518 selbst nach Rom kam, schwanden
vor dem Eindruck, den seine Begeisterung
für das Werk hervorrief, alle Bedenken.
Am 19. Januar wurde der Vertrag unter-
zeichnet, wonach die Fassade ganz so prächtig,
wie der Meister sie sich gedacht Hatte, aus-
geführt werden sollte.
Die Grundmauern des Fasfadenbaues
Hatte Michelangelo schon im Jahre zuvor
legen lassen. Aber darüber hinaus gedieh
das Werk auch nicht. Die Beschaffung des
Marmors verursachte eine endlose Reihe
von Verdrießlichkeiten. Der Papst und der
Kardinal Medici wünschten, in Übereinstim-
mung mit der Regierung von Florenz, die
Marmorberge von Serravezza im Gebiet
der seit 1482 zum florcntinischen Staat
Michelangelo.
keinem derselben befriedigt, sondern bestimmte,
daß Michelangelo dieses Bauwerk ausführen
sollte. Michelangelo leistete allen Wider-
stand, der ihm möglich war. Die Kardinüle
Pucci und della Rovere versuchten dem
Papst gegenüber ihre Ansprüche an die
Thätigkeit des Künstlers geltend zu machen;
aber sie ließen sich durch die Zusage Leos,
daß Michelangelo zwischendurch in Florenz
an den Grabmalfiguren sollte arbeiten dürfen,
vorläufig beruhigen. Da ließ Michelangelo
unter Thrünen, wie seine beiden Lebens-
beschreiber berichten, von dem Werke ab,
dem er seine ganze Liebe gewidmet hatte,
und übernahm den Bau der Fassade von
S. Lorenzo.
Dieses Unternehmen war unter den
großen Enttäuschungen, welche ihm das
Leben verbitterten, eine der schwersten: es
endigte nach vier Jahren ohne jedes Er-
gebnis. Michelangelo dachte sich die Fassade
als einen mächtigen, ganz aus weißem
Marmor herzustellenden Bau; derselbe sollte
unten mit einer Säulenhalle beginnen, sich
dann in mehreren Geschossen erheben und
oben mit einem Giebel abschließen; das
Bauwerk sollte mit einer Menge von über-
lebensgroßen Marmorbildern und mehreren
Erzfiguren, sowie mit einer Anzahl stark
erhabener Relieftafeln von verschiedener Ge-
stalt und am Giebel mit dem Wappen der
Mediceer geschmückt werden. Eine solche
Aufgabe hätte den Meister wohl für die
Zurückstellung des Juliusgrabmals entschä-
digen können. Im Beginn des Jahres 1517
war Michelangelo schon in Carrara damit
beschäftigt, Marmorblöcke für die Fassade
zurechthauen zu lassen. Es ist bezeichnend
für seine Art und Weise des Schaffens, daß
er das Ganze schon so fertig vor Augen
hatte, daß er die Maße der Einzelteile be-
stimmen konnte, ehe noch ein ausführliches
Modell vorhanden war; und bezeichnend für-
feine Zuversichtlichkeit, daß er die Arbeit
im großen begann, ehe noch ein Vertrag
die Bedingungen derselben festgesetzt hatte.
Mit der Anfertigung eines Holzmodells nach
seinen Zeichnungen hatte er den Architekten
Baccio d'Agnolo und den Bildhauer Jacopo
Sansovino beauftragt. Als ihm aber im
März das Modell gezeigt wurde, verwarf
er dasselbe als „Kinderwerk". Die Mit-
wirkung anderer Künstler bei seiner Arbeit
sagte ihm überhaupt nicht zu. Im Mai
übermittelte er dem Papst und dessen Vetter,
dem Kardinal Giulio de' Medici, der als
Erzbischof von Florenz bei der Angelegen-
heit beteiligt war, eine Erklärung des In-
halts, daß er den Mut in sich fühle, in
der Fassade von S. Lorenzo ein Werk zu
schaffen, das hinsichtlich der Baukunst und
der Bildhauerkunst für ganz Italien ein
Musterbild sein sollte; aber Bedingung sei,
daß der Papst und der Kardinal sich rasch
entschlössen, ob er es machen sollte oder
nicht, und sie müßten ihm die Arbeit ver-
dingen und sich in jeder Beziehung ganz
auf ihn verlassen; wenn seine Vorschläge
nicht gefielen, so wolle er die schon gehabten
Auslagen auf seine Rechnung nehmen nnd
einen Betrag von 1000 Dukaten, den er
als Anzahlung bekommen, dem Papst zurück-
geben. Darauf bekam er umgehend die
Antwort, daß der Papst und der Kardinal
mit seinen Vorschlägen sehr einverstanden
seien; nur wünschte der Papst ein Modell
des Baues zu sehen. Michelangelo hatte
in Carrara schon eigenhändig ein Modell
aus Thon angefertigt; aber dieses war zu
schnell getrocknet und brüchig geworden, so
daß er es dem Papst nicht schicken konnte.
Darum begab er sich nach Florenz und ließ
unter seiner eigenen Leitung ein Holzmodell
Herstellen, an welchem er den Figurenschmuck
in Wachs ausarbeitete. Als dieses Modell
in Rom ankam, fand es bei dem Papst und
bei dem Kardinal die vollste Bewunderung.
Wohl erregte der Umfang, den der Fassaden-
bau nach Michelangelos Absicht annehmen
sollte, einiges Bedenken; aber als der Meister
auf Ersuchen des Papstes im Beginn des
Jahres 1518 selbst nach Rom kam, schwanden
vor dem Eindruck, den seine Begeisterung
für das Werk hervorrief, alle Bedenken.
Am 19. Januar wurde der Vertrag unter-
zeichnet, wonach die Fassade ganz so prächtig,
wie der Meister sie sich gedacht Hatte, aus-
geführt werden sollte.
Die Grundmauern des Fasfadenbaues
Hatte Michelangelo schon im Jahre zuvor
legen lassen. Aber darüber hinaus gedieh
das Werk auch nicht. Die Beschaffung des
Marmors verursachte eine endlose Reihe
von Verdrießlichkeiten. Der Papst und der
Kardinal Medici wünschten, in Übereinstim-
mung mit der Regierung von Florenz, die
Marmorberge von Serravezza im Gebiet
der seit 1482 zum florcntinischen Staat