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Das Jahr 1848.

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Liberale und Ultramontane feindeten sich mit neuer Kraft an.
Joseph Görres, das Haupt der Strengkatholischen, eiferte
gegen Lola und ihren Einfluß. Die Presse schürte. Schmähreden
und Schmähschriften ereilten die Tänzerin. Sie rächte sich durch
ihre Wünsche bei dem König, den sie mehr und mehr für sich ein-
zunehmen verstand. Sie drang auf ihre Erhebung in den Adels-
stand, welcher ihr die höheren Kreise erschließen sollte. Zur Auf-
nahme in die Adelsmatrikel mußte man das bayerische Jndigenat
erwerben, und so kam die Sache damals in den Staatsrat.
Dieser trat dem Gesuche entgegen, desgleichen das Ministe-
rium, das dem Monarchen in einem Memorandum seine Gründe
darlegte, auf welche sich der Wunsch stützte, Lola Montez aus
Bayern entfernt zu sehen. Die Wirkung glich der Kugel, die den
trifft, der sie abfeuert.
Die Schwester eines Ministers las eines Tages im Geheimen
das Memorandum, teilte es im Geheimen ihren Freundinen mit,
diese lasen es gleichfalls im Geheimen, dann wanderte das wichtige
Schriftstück in das geheime Fach des Schreibtisches zurück, und
plötzlich — man wußte uicht wie noch woher, erschien der Inhalt
des Memorandums in der Zeitung?) Die Minister erschracken
heftig, der König glaubte an Verrat — das Ministerium Abel
wurde 17. Februar 1847 entlassen und durch das Ministerium
Maurer—Zu-Rhein ersetzt.
Auch Anhänger des Ministeriums, darunter die Professoren
Moy, Höfler, Deutinger, Philipps und der ausgezeichnete Döllinger,
erhielten ihre Entlassung. Selbst als Kammermitglied mußte der
Letztere auf des Königs Geheiß austreten.
Die Lola Montez-Angelegenheit, welche in eine politische über-
gegangen war, trat nun als Gesprächsepidemie zu München auf,
die fast alle Bewohner ergriff. Mein Großvater väterlicherseits
Franz von Kobell blieb indeß stumm dabei und verlangte dies auch
von seiner Familie. Er ließ die Jalousien an seinen Fenstern
*) Ignaz von Döllinger. Erinnerungen von Louise von Kobell.
München 1891. C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung.

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