Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Koch, Alexander [Hrsg.]; Fuchs, Georg [Hrsg.]
Grossherzog Ernst Ludwig und die Ausstellung der Künstler-Kolonie in Darmstadt von Mai bis Oktober 1901: [ein Dokument deutscher Kunst] — Darmstadt, 1901

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3770#0012

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
j£R hätte bei der [prichwörflichen Stille Darmffadt's vor wenigen fahren
'geglaubt, daß diefe Stadt dereinft ein Vorort für das neuzeitliche Kuns-
tgewerbe werden würde. Als der Verfaffer vor etwa 6 Sahren Gelegenheit
^kaÜQ, Sr. Kgl. ßoheit dem Großherzog von Bellen ein Vorlage»Werk zu
überreichen, in welchem die erften Verfuche zur üeugeffalfung der Wohn-
Räume in Entwürfen niedergelegt waren, da frug Derfelbe, ob wir wohl jemals einen „neuen
Stil" bekommen würden, gleichzeitig mit der ihm eigenen Lebhaftigkeit hinzufügend: „3ch
glaube nicht — wenigftens In ßeffen nicht", — damals hätte wohl niemand geahnt, dafj
es der hohe Fragende felbft fein würde, der für die moderne Bewegung die erfte lianze
brechen, in deffen Lande das neuzeitliche Kunftgewerbe die erften Criumphe feiern würde.
fi^aßo Was an anderen Orten auf Grund von fortgefeßfen Reform-Vorfchlägen zur
Förderung des deutfchen Kunffgewerbes und fpeziell auch in Bezug auf ein zweck-
mäßigeres und anregenderes flusffellungs-Wefen vergeblich angeftrebt wurde, — in
Darmftadt wurde diefer langerfehnte Wunfeh, dank der Fürforge eines kunftfinnigen
Fürften, fchnell zur Wirklichkeit: Es entftand innerhalb zweier üahre eine kleine moderne
Stadt, in deren ßäufern etwas ganz neues und Eigenartiges vorgeführt wurde, was
in gleicher Weife oder ähnlicher Art noch nie zuvor gefehen ward. Das gefamte deutfdie
Kunftgewerbe darf dankbar fein, dafj ein junger kunftbegeifterter Fürft [ich bereit fand,
in Gemeinfchaft mit einer kleinen Schar von Künftlern, die er zur Befruchtung des
heffifchen Kunff-ßandwerks nach Darmftadt berief, gleichlam „die Kaftanien aus dem
Feuer holte" für taufende von talentierten Kunft»3üngern der neuen Richtung, deren
Arbeiten man indefj nicht als „ebenbürtig" mit der „alten Kunft" gelten laffen wollte,
die man vielmehr nur als eine vorübergehende mode* Laune, als ein „totgeborenes
Kind" bezeichnete. Durch diefes zielbewußte, energifche Vorgehen des Grofjherzogs
von ßeffen wurde die „moderne Richtung" mit einem Schlage für „lebensfähig" erklärt.
Was inzwifchen in anderen benachbarten Ländern an Reformen durchgeführt und nach
harten Kämpfen errungen wurde, ift zum großen Ceil auf das Vorgehen Darmftadt's
und feines Fürften zurückzuführen. — Die gefamte Preffe — und nicht nur die ernft
zu nehmende allein, fondern auch folche Blätter, die fonft nur allzuleicht dazu neigen,
derartige Begebungen und Veranlagungen in's Lächerliche zu ziehen — hat rückhaltslos
anerkannt, daß das Vorgehen des Großherzogs und die eigenartige idee der flusffellung
eine Chat von größter Bedeutung und ein Dokument in der Gefchichte des deutfchen
Kunftgewerbes fei. — Die Förderung des Kunft-Handwerks ift außerordentlich wichtig,
Iowohl vom äfthetifchen als vom volkswirtfchaftlichen Standpunkte, denn es bringt wefenf*
lieh mehr Geld unter die Leute als die fogenante hohe Kunft (die maierei und Plaftik)
und fchafft zufriedene ITlenfchen. Das Wirtshaus-Leben in Deutfchland wäre lange nicht
fo ausgeprägt, wenn man der flusftattung des ßeims etwas mehr Liebe und Sntereffe
 
Annotationen