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Koch, Alexander [Editor]; Fuchs, Georg [Editor]
Grossherzog Ernst Ludwig und die Ausstellung der Künstler-Kolonie in Darmstadt von Mai bis Oktober 1901: [ein Dokument deutscher Kunst] — Darmstadt, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.3770#0084

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Die Aussen-Architektur.

81

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auch dem fürstlichen Urheber dieser Schöpfung,
die auf einigen Gebieten wahrhaft herrliche
Erfolge aufzuweisen hat, schuldig. Wurde
doch in diesem durch ihn erst ermöglichten
geschlossenen Ansturm jene Thatsache, dass
es um unsere Architektur und deren Schwester-
Künste in ihrem entlehnten Mäntelchen
bodenlos schlecht stehe, dass diese nicht
länger würdig seien, als künstlerischer Aus-
druck eines mächtigen Kultur-Volkes zu
gelten, den breitesten Massen in die Ohren
geschrieen. Wer hat, und wann zuvor, diese
brennende Frage mit solcher Wucht in die
Herzen aller Denkenden und Fühlenden
geschleudert? —

Hier ist es dringend geboten, nochmals
auf den tiefen Stand unserer historisierenden
Kunst, und besonders auf die historisierende
Architektur hinzuweisen, wenn auch tausende
erwidern werden: die Lehre von deren
Morschheit ist alt und schon oft gepredigt;
wir wissen sie auswendig. Gut! — Aber
auf der anderen Seite sitzen hunderte am
Quell unserer Kraft, am Herzen unserer
werdenden Bau-Künstler, predigen das Gegen-
teil und vernichten alle Keime, die die neue,
alte Lehre schon in diese gestreut. Ja, und
es scheint, als ob der Boden, auf dem jene
Haupt-Verteidiger des Alten, (denen der
wogende Kampf lange nicht mehr Prinzipien-
Frage, sondern Existenz-Frage geworden ist),
noch unerschüttert stehen, die akademische
Schule, so von ihren, dem Jetzt abgewandten
Dogmen durchtränkt sei, dass jeder, der ihn
des Lehrens wegen betritt, auch von diesen
durchdrungen werde! — Haben wir doch vor
kurzem erst das Schauspiel erlebt, dass ein
im besten Mannes-Alter stehender Meister,
den man bisher, und mit Recht, als durch-
aus modernen Geist bezeichnete, beim Antritt
einer Professur an einer Kgl. Hochschule
eine Antritts-Rede hielt und veröffentlichte,
die sich als eine Verteidigung grossen Stiles
der historischen Schulung in unserer Bau-
kunst darstellte. Und angesichts solcher
Geschehnisse müssen wir mit Zähigkeit
wiederholen, und immer wiederholen, was
gegen die Historie gesagt worden ist —
denn, wie kürzlich ein bekannter Politiker
schrieb: Nicht Geist und Temperament geben

den Ausschlag, sondern die Kunst der
Wiederholung, und ich setze hinzu: unserer
innersten Überzeugung.

In der von mir soeben angezogenen
Schrift*), die übrigens unerklärlicher Weise
die Gestalt der »Göttin Fantasie« als Wappen
führt, steht ein Satz, den ich zum Ausgangs-
punkt meiner Darlegungen machen will, weil
er sich als Extrakt der zu bekämpfenden
Anschauungen darstellt. — Er heisst:

»Wir werden hier nie durch neue Äusser-
lichkeiten dekorativer Natur über den Zu-
sammenhang mit ererbten Grundgestaltungen
hinwegtäuschen können, und wir würden vor
diesem Zusammenhang wahrscheinlich gar
nicht so furchtsam fliehen, wenn wir nicht
der Überlieferung gegenüber durch die äusser-
liche, schamlose Art, mit der man in der rohen
Epoche der Stil-Nachahmung die Schätze
früherer Zeiten wahllos auszubeuten versuchte,
scheu geworden wären und gelernt hätten
das historische Erbe als etwas versteinertes
Todtes zu betrachten statt als etwas fein-
organisiertes Lebendiges. Und deshalb war
es schliesslich begreiflich, dass man die Er-
kenntnis, dass wir für gewisse moderne
Aufgaben ohne Überlieferung sind, zum An-
lass nahm, alle jene Überlieferungen abzu-
schütteln. Man glaubt nur so ganz stark zu
sein und hält es für eine schwächliche In-
konsequenz, wenn man scheidet zwischen dem
grossen Strom von architektonischen Auf-
gaben, der neue Probleme mit neuen Mitteln
zu lösen hat und zwischen dem anderen grossen
Strome, wo eine völlig organische Weiter-
Entwicklung unter Benutzung der Erfahrungen
früherer Zeiten zu neuen Früchten führen kann,
und wo es eine barbarische Gewaltthat be-
deuten würde, wollte man mit der Axt plötz-
lich die Wurzeln der Vergangenheit abhacken,
um Platz zu bekommen für die kleinen eigenen
Stecklinge, die man zu pflanzen unternimmt.«

Vor allem sei darauf hingewiesen, dass
der Verfasser selbst von einer Epoche roher
Stil-Nachahmung redet, in der man schamlos
die Schätze früherer Zeiten ausgebeutet habe;
doch lässt er uns darüber im Unklaren, wann

*) Professor Fritz Schumacher, Dresden: Das Bau-
schaffen der Jetztzeit und historische Überlieferung. Ver-
lag Eugen Diederichs, Leipzig.
 
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