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Koch, Alexander [Hrsg.]; Fuchs, Georg [Hrsg.]
Grossherzog Ernst Ludwig und die Ausstellung der Künstler-Kolonie in Darmstadt von Mai bis Oktober 1901: [ein Dokument deutscher Kunst] — Darmstadt, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.3770#0101

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Felix Commichau: Die Aussen-Architektur.

»kompromissliche« Kunst, wiederum mit in
Kauf nehmen, (wie ich dies in meiner Arbeit
über das Haus Habich, die übrigens mehrere
Monate früher als diese entstand, wohl nicht
ganz mit Recht gethan habe), so kann man
in zweiter Linie das an alpine Vorbilder
erinnernde Haus Olbrich und das »italische«
Haus Habich nennen. Ablehnen, rücksichtslos
ablehnen muss man das Haus Deiters, und
mit Ausnahme der Aussen-Gestalt des Spiel-
hauses und etwa noch des Musik-Pavillons,
alle provisorischen Bauten, wie das fürchter-
liche Haus für Flächen-Kunst, das Blumen-
Haus, das Portal und alle übrigen fantastischen
Gebilde. —• Ist er der alleinige Schöpfer der
Situations-Anlage der Kolonie, so sei ihm
an dieser Stelle für diese vollste Anerkennung
ausgesprochen! Sie ist unter glücklichster
Ausnutzung aller Eigenheiten des allerdings
sehr günstigen Terrains, dessen Erwählung
jedoch lediglich dem fürstlichen Protektor
zu danken ist, aus einer grossen künstlerischen
Überlegung geschaffen! —

In das bunte, ton-, aber wenig klang-
reiche Olbrich'sche Konzert schallt ein voller,
zukunftsstarker Akkord. Es ist das Haus
Behrens. Durch und durch ein neuzeitlicher
Mensch, hat Behrens, indem er sich gab,
ein echtes neues Kunst-Werk gegeben, ein
Werk aus einem Gusse. Es besteht nicht
aus Formen, es ist eine Form vom Sockel
bis zum Firste. Behrens hat mit Scharfblick,
oder Scharf-Gefühl die grosse, wunde Stelle
unserer Ar-
chitektur , die
Quelle, aus der
so viel Unsinn
fliesst und die
so viel Echtes
verschlingt, er-
kannt, und den
Deckel dieser

Pandora-
Büchse mit
starker Hand
zugeschlagen.
Den Schmuck,
sei er plast-
ischer , male-
rischer oder

j. U. OLBRICH—DARMSTADT. Kiosk für Ansichts-Karten.

anderer Natur, diese sekundäre Erscheinung-
die unseren Architekten zur Hauptsache
wurde, verbannt er völlig und gestattet sich
von diesem als richtig erkannten Prinzip nicht
die geringste Abweichung. Er schmückt sein
Haus mit der natürlichen Farbe des Bau-
stoffes und straffen Linien und wählt kühn
ein Material, in dem tausende unserer Bau-
meister einen Stoff für Ställe und Kasernen
nicht aber für ein vornehmes Wohn-Haus
und noch dazu auf dem heissen Boden der
Mathilden - Höhe gesehen hätten, nämlich
glasierte Ziegel in Rot und Grün in Ver-
bindung mit rauhem Putz. Und was er an-
strebt, gelingt ihm überraschend. Sein Haus
wird ein innig gefügtes Gebilde, eine grosse
Form, die eine neue Schönheit atmet, be-
scheiden sich dem Zwecke beugt und
dennoch vornehm verkündet, wem sie dient.
Gewiss wird es manchen geben, dem
in einem schwächlichen Verlangen nach
Weichheit und Süsse die straffe Kunst dieser
starken Persönlichkeit unsympathisch er-
scheinen mag! Gewiss wird dem ernsten,
ehrlichen Beurteiler selbst manche Härte
auffallen. Doch angesichts der Errungen-
schaft, die die Aussen-Gestalt des Hauses
im Ganzen darstellt, muss jeder Vorwurf, der
Einzelnes betrifft, zurücktreten. Sodann ist zu
bedenken, dass dies Werk am Beginne einer
Entwickelung steht. Dass eine solche nun
wirklich eingesetzt hat, ist eine Thatsache,
die wertvoll genug ist. Dies ward von

den Besten er-
kannt ! Peter
Behrens hat
hier auf dem
Schlacht-Feld
der Mathilden-
Höhe unserer
jungen Bau-
kunst viel er-
kämpft u. viel
errettet.—Auf
demWege,den
er eingeschla-
gen , können
wir frei u. mün-
dig werden.
F. Commichau.
 
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