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Koch, Alexander [Hrsg.]; Fuchs, Georg [Hrsg.]
Grossherzog Ernst Ludwig und die Ausstellung der Künstler-Kolonie in Darmstadt von Mai bis Oktober 1901: [ein Dokument deutscher Kunst] — Darmstadt, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.3770#0338

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Unnen» Kunst oon Olbrich und Behrens.

\ ussen - Architektur und Innen - Kunst,
J~\ welch eng verschwisterte Gebiete, und
doch wie tief verschieden in ihrem innersten
Wesen! — Der blosse Klang beider Namen
schon ruft sehr verschiedene Empfindungen
in uns wach: Bei ersterem neigt man zu
einer Vorstellung von etwas ernstem, starrem,
mächtigem, von Kraft und Arbeit durch-
sättigtem, bei letzterem aber stellt sich ein
Bild, von Farbe, Lieblichkeit und Wärme
innig durchhaucht, deutlich vor unsere Seele.
Die Trennung beider liegt vor allem in dem
Grade ihrer Verbindung mit dem materiellen
Bedürfnisse, das seine Befriedigung in der
Technik, jener harten Überlegungs- Sache,
findet. Im Gebiete nun, das zu bewältigen
der Aussen-Architektur anheimfällt, tritt das
Bedürfnis, die Notwendigkeit, ungemein ge-
wichtig und in einem sehr komplizierten
Gewände auf; das Netz der Kräfte, der
Wirkungen und Gegenwirkungen ist unend-
lich fein gesponnen. Anders in der Innen-
Kunst; hier erscheint es reduziert, ausser-
ordentlich vereinfacht, ja zum Teil ganz
verschwunden. Und aus dieser Verschieden-
heit an sich folgt ein völlig verschiedenes
Schaffen. Bei der ersteren fällt der Prozess
des Gestaltens nach der formalen Seite hin
unmittelbar mit dem stofflichen Werden des
Ganzen zusammen. Rein künstlerisches
Empfinden muss hier mit der Thätigkeit
des trockenen, unkünstlerischen Verstandes
nicht nur nebeneinander hergehen, sondern
innig gepaart sein. Zweien Zielen, Pol und
Gegenpol, muss hier, und zwar zugleich, in
einem Zuge gedient werden. Der Innen-
Kunst dagegen ist der Grund, der Körper
immer schon gegeben, wenn auch nackt.
Diesen zu bekleiden, tritt sie hinzu; durch
Notwendigkeit nicht mehr in dem Maasse
gebunden, kann sie leichter, freier, mühe-
loser der Schönheit dienen. — Zu diesen

trennenden Faktoren tritt ein dritter. Die
Mittel, die der einen und der anderen Kunst
zur Verfügung stehen, sind durchaus anderer
Natur. Die Dimensions- Skala ist eine ver-
schiedene, die formalen Grund-Elemente sind
hier und dort andere und dies schliesst
neben der Rücksicht auf mannigfache äussere
Verhältnisse in der Aussen-Architektur un-
endlich viele Form-Mittel aus, deren die
Innen-Kunst sich spielend bedienen darf.

Es ist nun selbstverständlich, dass die
Begabungen, die zur gänzlichen, restlosen
Bewältigung des einen oder anderen Gebietes
notwendig sind, in ihrem innersten Wesen
so verschieden geartet sein müssen, wie
diese selbst. Ebensowenig, wie man be-
haupten kann, dass der eine Kunstzweig
eine Art Erweiterung des anderef* darstelle,
ebensowenig darf man die hier erforderliche
Art künstlerischer Kraft als eine Potenz der
dort erfolgreich wirkenden auffassen.

Das, was die Qualität des Ingenieurs,
des Konstrukteurs ausmacht, jener mit dem
Sinn für den Kern des Realen innig ver-
bundene, trockene, sezierende Verstand, dem
die geringste Kleinigkeit als Faktor des
Ganzen wichtig ist, muss zu einem recht
beträchtlichen Grade auch dem wahren Bau-
Künstler innewohnen, während die Innen-
Kunst in dieser Richtung nur geringe An-
forderungen an ihren Diener stellt. Wem
dieser Sinn fehlt, kann ihn nicht erwerben.
Die treulichste Aneignung des gesamten
Formen-Apparates, den die Wissenschaft
liefert, hilft ihm nicht dazu, hilft ihm nicht
über eine rein äussere Auffassung des
Struktiven hinweg. Die Pforte zum Erfassen
des inneren Wesens, des Wirkens und
Webens der Kräfte öffnet sich nur der Be-
gabung. — Es ist nun eine bekannte That-
sache, dass Individualitäten mit ausge-
sprochen künstlerischem Grundzuge sehr

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