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Koch, Alexander [Hrsg.]; Fuchs, Georg [Hrsg.]
Grossherzog Ernst Ludwig und die Ausstellung der Künstler-Kolonie in Darmstadt von Mai bis Oktober 1901: [ein Dokument deutscher Kunst] — Darmstadt, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.3770#0341

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32S

Felix Commichau: Innen-Kunst von Olbrich und Behrens.

feinerung« nennt. Er sieht in ihr eine mit
der Verhüllung mannhaf c-natürlicher Elemente
gleichlaufende Steigerung der Sensibilität, der
die Kunst nicht mehr Seelen-Nahrung ist,
sondern ein Mittel, dem Opium gleich, Schleier
zu erzeugen, um den unangenehm konkreten
Grund des Daseins zu verhüllen. Die meisten
Räume seines Hauses, besonders die Halle, das
Schlaf-Zimmer des Herrn und das schwarz-
weisse Gast-Zimmer lehren dies deutlich. Der
Kommentar, den er ihnen im Ausstellungs-
Kataloge widmet, beweist es unwiderruflich.

Hoffen wir, dass es ihm gelingen
möge, endlich auf eine Bahn zu gelangen,
welche wahrhafter Lebens - Verfeinerung,
deren Kern stets Leben, und gesundes Leben
bleibt, entspringt, auf eine Bahn, die zugleich
ruhiges, gemässigtes Schaffen bedingt und
ihn davor bewahrt, seine Gaben fortwährend
auf Abwegen und auf für ihn unbeschreit-
baren Pfaden zu verzetteln. —

Olbrich mag es als ein höchst wider-
wärtiges Verhängnis empfinden, dass er
überall, wo über seine Kunst gerechtet
wird, mit seinem künstlerischen Antipoden
Peter Behrens zusammengefesselt erscheint.
Jeder, der fähig ist, der sanguinischen Seele
des Wiener Künstlers diese bittere Em-
pfindung nachzufühlen, wird versuchen, ohne
einen Hinweis auf den Andern, — ohne
diesen Refrain fast aller Kritiken über die
Darmstädter Ausstellung, auszukommen. Doch
man mag der Olbrich'schen Kunst auf allen
Pfaden, die sie wandelt, nachfolgen: am
Ende eines Jeden ist man genötigt, auf
einen anderen Parallel-Weg hinzuschauen,
der, wenn auch schmäler, weiter, oft sogar
um ein Beträchtliches weiter führt, und als
dessen Schöpfer Behrens stets erscheint.

Behrens schuf nur ein Haus, seine
Wohnung. In weiser Sammlung seiner
Kräfte that er dar, dass Qualität hier alles,
Quantität nichts bedeute, und schuf, auf einer
allseitigen Begabung fussend, ein Haus, aus
einer Empfindung, aus einem Prinzipe heraus,
aus dem Prinzipe, jeder Aufgabe von dem
Standpunkte aus gerecht zu werden, der
Einblick in ihren innersten Wesens-Kern

gewährt — und dies gelingt ihm, oftmals
leicht, oftmals aber erst nach Ringen und
Suchen, aber es gelingt ihm. Darum ist
jede seiner Arbeiten eine Lösung, die künst-
lerische Quintessenz reiflicher, unerbittlicher
Überlegung. Darum findet er auf dem
schwierigen, felsigen Boden der Aussen-
Architektur ebenso den rechten, ersehnten
Pfad und den richtigen Standpunkt, wie
im duftigen Garten der Innen-Kunst.

Was er in dieser in ehrlichem, festen
Wollen geschaffen, ist darum fast unangreif-
bar, weil jedes Ding, das man eingehend
mit kritischen Fragen bestürmt, eine natür-
liche, selbstverständliche Sprache zu reden
beginnt, und uns bis zum Kern keine Ant-
wort schuldig bleibt. Und darum ist es nicht
dennoch, sondern gerade echtes Künstler-
Werk durch und durch, weil ein pseudo-
künstlerisches Moment, das bei Olbrich so
viel Unheil gestiftet, die Laune, völlig aus-
geschaltet ist. Auch dort, wo Behrens sein
Ziel nicht erreicht, müssen wir ihm Hoch-
achtung und Dank erzeigen. — Dies ist vor
allem in seinem Musik-Raum der Fall, der,
wenn auch an sich kein Ganzes geworden,.
(was wohl hauptsächlich die Häufung eines an
sich sehr unruhigen, strahlenartigen Details,,
besonders im farbigen Mosaik - Fussboden
und im Dekor des Flügels, verschuldet hat),.
uns dennoch einen Weg zu einer Nutz-
Kunst in höchsten Sinne, zu einer sakralen
Kunst im Dienste der idealsten Lebens-
Güter eröffnet. Auch das in Farbe und Form
etwas hart geratene Damen-Zimmer im Erd-
Geschosse kann man nicht direkt als verfehlt
bezeichnen, weil man das Ziel, dem der
Künstler zustrebte, künstlerische Ver-
körperung gesunder, höherer Weiblichkeit,
zu klar erkennt. — Volle Treffer bedeuten
sodann alle übrigen Räume des Hauses, von
der prächtigen soliden Küche im Keller an
bis zu den einfachen und so überaus ge-
diegenen Räumen im Dach - Geschosse. —
Das Speise - Zimmer und die Schlaf-Räume
im Ober-Geschosse sind Leistungen, die selbst
dem höchsten Maassstabe ästhetischer Kultur
voll und ganz genügen. Felix Commichau.
 
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