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Koch, Günther
Kunstwerke und Bücher am Markte: Auktion, Fälschungen, Preise und was sie lehren; mit Anführung wichtiger Literatur über Kunstgewerbe, Malerei, graphische Künste, Bildnerei, Münz- und Medaillenkunde, Bücher und Handschriften alter und neuer Zeit; ein Buch für Kunst- und Bücherfreunde, Sammler und Händler — Eßlingen a.N.: Neff, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.52382#0030
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Veräußerungsformen, Wesen der Auktion.

Eine Schenkung hat nur Sinn und Zweck, wenn der Beschenkte Freude und Nutzen von
dem Geschenke hat. Man sollte also immer sich vorher vergewissern, ob das Geschenk, die
Begabung wirklich genehm ist. Eine Kunstsammlung oder Bibliothek ist als Schenkung natür-
lich nur genehm, wenn der öffentliche Besitz dadurch einen wirklich wertvollen Zuwachs, eine
willkommene Ergänzung seiner Bestände erfährt. Alle Mittelware sollte darum streng ab-
gelehnt werden. Lasse man die mit ihren Schenkungsabsichten Abgewiesenen grollen! Lasse
man die nicht alle Werdenden, die den Wert ihrer Gabe weit überschätzen, ruhig klagen, an
leitender Stelle fehle Sachkenntnis und Diensteifer, herrsche bureaukratischer Zopf, dominiere
die Indolenz! Diejenigen titelsüchtigen Kunstförderer usw., die Primaqualitäten nicht schenken
können, mögen ihre Knopflochschmerzen und was sie sonst auf dem Herzen haben, durch
Bargeldzuwendungen an die Kassen der Museen dokumentieren.
Und auch Diejenigen, die wirklich gute Sachen haben, sollten das Bargeld nicht vergessen.
Geradezu ideal-vorbildlich ist hier das Verfahren des 1908 verstorbenen M. Seguin. Er wandte
dem Louvre eine Million zu mit der Bestimmung, daß die Museumskommission aus seiner
Kunstsammlung die ihr zusagenden Stücke aussuchen und zum Schätzungspreis erwerben,
den Restbetrag aber bar erheben sollte. Die Kommission wählte für 500 000 fr. Kunstgegen-
stände und ließ sich die anderen 500 000 bar auszahlen.
Das ist Überweisung wertvoller Kunstwerke, Bargeldzuwendung und Freihalten von
Ballast zugleich.
Bargeld können unsere Museen stets brauchen. Bargeld setzt die Museumsleiter in die
Lage zuzugreifen, wenn ein ihnen wichtig erscheinendes Stück auf dem Markte auftaucht. Die
Zuwendung von Barmitteln ist tausendmal verdienstlicher als die Schenkung von Mittelgut
oder gar von Ballast. Vor Ballast schütze man den öffentlichen Kunstbesitz! Man verschone
ihn mit Zuwendungen, die den Beständen vorwiegend Minderwertiges, Entbehrliches, zu Maga-
zinierendes zubringen!
Es ist hier daran zu erinnern, daß unsere großen Museen bereits sämtlich unter der Kon-
servierung von Ballast aller Art leiden! Gewiß, ein schwieriges, freudloses, unfruchtbares und
vor allem kostspieliges Konservieren. Die magazinierten Bestände wirken, meiner Anschauung
nach, wie Fremdkörper im Organismus der Museen. Wenn die Bezeichnung ,,Bibliothek“ nur
auf eine aufgestellte, der Benutzung gewidmete Büchersammlung anwendbar ist,1) so be-
schließt der Begriff Museum, wenigstens in seiner heutigen Geltung, doch nur eine Samm-
lung von aufgestellten Kunstwerken, Seltenheiten, Merkwürdigkeiten, Lehrmitteln, die der
öffentlichen Besichtigung zu festgesetzten Zeiten freigegeben sind, ohne andere Hemmnisse,
als die durch die Sorge um die Erhaltung bedingten Maßnahmen.2) Magazinierte Museums-
schätze sind der Öffentlichkeit entzogen.
Es liegt aber klar auf der Hand, daß schließlich auch dem ,,Magazinieren“ eine Grenze
gesetzt werden muß.
Da bleibt denn nichts anderes übrig als das Veräußern.
Ein Weg, und zwar der beste, ist die Überweisung des Überschusses an kleinere Museen.
Der Louvre mußte bereits 1803 (!) das „Mittelgut“ an die Provinzmuseen abgeben. Damals
kam z. B. Gerard Davids Abendmahlsaltar3) in das Museum von Rouen, zu dessen wertvollsten
Schätzen er noch heute gehört.

’) Molbech, Chn., Über Bibliothekswissenschaft, dtsch. v. H. Ratjen. Leipzig 1833. S. 19.
2) Im Gegensatz hierzu deckte das Wort „Museum“ früher den Begriff eines Ortes, der ausschließlich oder
doch vorwiegend der privaten, nicht allgemein öffentlichen Beschäftigung mit den Musen, das ist mit den Künsten
und Wissenschaften, gewidmet war. Daher ist Museum gleich Studierstube: von Grimmelshausen bis auf Jean
Paul und Chamisso. Daher gebraucht noch die Biedermeierzeit das Wort zur Benennung von Lesekränzchen, musi-
zierenden Gesellschaften, schönwissenschaftlichen (belletristischen) Zeitschriften. Aber auch die Verwendung des
Wortes zur Bezeichnung der Kunst- und Raritätensammlungen vor 1800 macht keine Ausnahme. Denn diese
Sammlungen waren private Musentempel. Die Öffentlichkeit der Museen ist eine Errungenschaft des 19. Jahrh.
3) Bodenhausen, Eberh. Frhr. v., Gerard David und seine Schule. München 1895. Nr. 28 (S. 160 ff.).
 
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